Regionalliga Südwest:Ein Hauch von Gijón

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Die Elversberger jubeln nach dem Spiel über den faktisch feststehenden Aufstieg in die dritte Liga. (Foto: Steven Mohr/Jan Huebner/Imago)

In der Regionalliga stellen die SV Elversberg und der FSV Frankfurt für zwölf Minuten das Fußballspielen ein, weil ein 1:1 beiden Teams die Saisonziele sichert. Der Aufschrei ist groß - doch Elversberg bittet um Verständnis.

Von Christoph Leischwitz, Frankfurt/München

Die Angelegenheit, über die nun so viel diskutiert wird, ist für die SG Sonnenhof Großaspach besonders tragisch. Die Mannschaft hat sich am Samstag selbst in Richtung Abstieg aus der Regionalliga Südwest manövriert - mit einer der besten Saisonleistungen. Der "Fehler", den Großaspach begangen hat: Der Tabellen-16. führte gegen den Tabellenzweiten SSV Ulm zu früh und zu deutlich - nämlich nach 78 Minuten mit 3:0.

Das bekamen der Tabellen-15. FSV Frankfurt und der Tabellenerste SV Elversberg mit. Die beiden trafen im Stadion in Frankfurt-Bornheim zeitgleich aufeinander, und als die Elversberger Anhänger wegen des Zwischenergebnisses aus Aspach in Jubel ausbrachen, stand es gerade 1:1. Das reichte beiden Teams für ihre Ziele - Elversberg zum Aufstieg, Frankfurt zum Klassenverbleib. Und so führte die Konstellation zu einem lange nicht mehr erlebten Einverständnis, das offenbar nonverbal getroffen wurde: Elversberg hielt den Ball in den eigenen Reihen, überschritt dabei aber kaum noch die Mittellinie, und der FSV griff auch nicht mehr an. Nach dem Schlusspfiff, der ohne jegliche Nachspielzeit erfolgte, feierten beide ausgiebig.

Ist das nun eine Schande? In den sozialen Medien fühlten sich viele an das berühmte Spiel zwischen Deutschland und Österreich bei der WM 1982 in Spanien erinnert, die "Schande von Gijón". Beim Stand von 1:0 hatten die Teams damals das Fußballspielen eingestellt, weil damit beide die nächste Runde erreicht hatten. Danach wurde bald auf vielen Ebenen eine Gleichzeitigkeit für Entscheidungsspiele eingeführt - was im Fall der Regionalliga-Konstellation vom vergangenen Wochenende aber auch nicht half, um eine vermeintliche Schmach zu verhindern.

Großaspachs Vorstand Michael Ferber rät den Elversbergern zu prüfen, "ob sie überhaupt noch in den Spiegel schauen können"

Während und kurz nach dem Spiel waren sich die beiden Vereine auch offensichtlich noch keiner Schuld bewusst: Der FSV twitterte, dass unter der Anfeuerung der Anhänger der Ball hin- und hergeschoben wurde. "Da war ich sprachlos", sagt Michael Ferber, Sportvorstand in Großaspach, der auch über diesen Tweet überhaupt erst erfuhr, was sich in Frankfurt abgespielt hatte, "ich weiß nicht, wie der Verein das auch noch selbst nach außen tragen kann." Davor habe man minutenlang in den Ticker gestarrt in der Hoffnung, dass noch etwas passiere.

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Den Elversbergern riet Ferber zu prüfen, "ob sie überhaupt noch in den Spiegel schauen können". Klar, man habe sich "den Abstieg selbst zuzuschreiben" nach einer schlechten Saison, auch der im Winter eilig verpflichtete Profistürmer Sascha Mölders von 1860 München konnte nur fünf Tore beisteuern. Aber die Vorkommnisse in Frankfurt hinterlassen in Aspach schon einen "faden Beigeschmack".

Bei den Saarländern zeigt man Verständnis für die Empörung, es werde jetzt aber schon arg viel über dieses Thema gesprochen: "Wir waren jahrelang dran", sagt Sportdirektor Nils-Ole Book über die Vereins-Vorgeschichte. Seit dem Abstieg aus der dritten Liga 2014 war Elversberg eine Spitzenmannschaft, zweimal waren sie erst in den Aufstiegs-Playoffs gescheitert, mehrere Spieler sehen im Aufstieg das Ende eines Martyriums. Auch in diesem Zusammenhang spricht Book von einem "enormen Druck", der auf den Spielern gelastet habe.

Und von einer "brutal speziellen Situation": Rund 80 Minuten lang sei es ein "sehr umkämpftes Spiel" gewesen, doch mit dem Jubel der Fans und der Tatsache, dass Frankfurt einfach nicht mehr angriff, habe es dann "überhaupt keine Motivation und keine Veranlassung mehr gegeben, nach vorne zu spielen", sagt Book. Vor dem Spiel habe aber niemand einen Gedanken an ein solches Szenario verschwendet, es habe nach dem 3:0 in Großaspach auch lediglich die Order von der Bank gegeben, kein großes Risiko einzugehen.

Rein rechnerisch ist Sonnenhof Großaspach noch gar nicht abgestiegen. Mit einem 8:0 über den FC Rot-Weiß Koblenz am letzten Spieltag könnte sich die Mannschaft von Hans-Jürgen Boysen noch retten. Ferber geht aber nicht von einem klaren Sieg aus: Weil die Koblenzer selbst die Leidtragenden wären, ist mit erheblicher Gegenwehr zu rechnen.

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