Real Madrid:Symptome des krachenden Niedergangs

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Sieht man selten: Sergio Ramos konnte das 1:4 in Valencia nicht fassen. (Foto: Getty Images)

Das gab's noch nie: Beim 1:4 in Valencia verhängt erstmals in der Geschichte ein Schiedsrichter drei Elfer gegen Real - es gibt Gründe, warum die Königlichen zu einer trägen Elf verkommen sind.

Von Jonas Beckenkamp

Es war schwierig, das eine Bild des ruinösen Real Madrid zu finden, es gab schlicht so viele verschiedene. Verteidiger Sergio Ramos tropfte der Schweiß aus seinem Räuberbart, während er ungläubig den Kopf schüttelte. Trainer Zinédine Zidane wedelte nervös vor seiner Bank umher und Stürmer Karim Benzema zischte Salven an Schimpfwörtern in den Nachthimmel - alles Eindrücke eines krachenden Niedergangs, der sich mit jenem 1:4 (1:2) am Sonntagabend in Valencia in der Liga nur noch weiter manifestierte.

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Auch wenn es nur ein Spiel war und die Saison noch lang andauert: Bei Real ist aktuell überhaupt nichts mehr königlich. Nur Platz vier in der Tabelle, in acht Partien bereits zwei Pleiten, eine träge Mannschaft, die es kaum schafft, ihr eigenes Erbe zu verwalten. Das ist die Realität, so weit ist es tatsächlich gekommen beim stolzesten und ruhmreichsten aller Fußballklubs auf dem Planeten. Und so zählte die Zeitung Marca tags darauf die Symptome auf - Anzeichen einer gar nicht mehr so schleichenden Krise. "Real geht den Bach runter: die schwächste Verteidigung in Zidanes Ära, der zweitschlechteste Angriff, nur 54 Prozent aller Spiele gewonnen ..."

Erstmals werden drei Elfer gegen Real gepfiffen

Und schließlich auch noch ein Rekord, den wahrlich keiner gerne im Vereins-Almanach vermerkt haben will: Erstmals überhaupt wagte es mit dem Südspanier Jesús Gil Manzano ein Schiedsrichter in einem Spiel drei Elfer gegen Real zu pfeifen. Dreimal nutzte Valencias U-21-Europameister Carlos Soler die Gelegenheit - zumindest einmal, beim 1:2, waren Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Pfiffs angebracht, nachdem sich Maxi Gómez und Real-Verteidiger Marcelo verkeilt hatten. Aber wen interessiert das noch, wenn ein Spiel nach gutem Beginn (Benzema hatte nach 23 Minuten das 1:0 erzielt) so in die Hose geht? Wenn ein Eigentor von Raphaël Varane (45.) alles zum Kippen bringt?

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"Zidanes Rotation ist Selbstmord", befand nicht nur das Magazin As bei der Spurensuche. Ähnliche Vorwürfe sind auch anderswo zu lesen. Die ständigen Änderungen in der Startelf des Franzosen würden das Team durcheinanderwirbeln, so die Lesart in der spanischen Presse. Das Resultat: drei kapitale Niederlagen binnen 22 Tagen. Erst zu Hause gegen die Nobodys aus Cádiz, dann in der Champions League gegen eine B-Elf aus Donezk und nun in Valencia. Dass dazwischen auch noch eine Fast-Pleite beim 2:2 in Mönchengladbach lag, unterschlugen die Kritiker wohlwollend. Ihre Diagnose: Bei Zidane scheint es derzeit keine Stammformation mehr zu geben und das verunsichert die Mannschaft zusehends.

Mal spielt Toni Kroos, dann sitzt er - wie diesmal - wieder lange draußen. Mal spielt Isco (in Valencia wie auch Martin Ødegaard wirkungslos), dann wieder nicht. Auch der sonst gesetzte Franzose Ferland Mendy musste nun zuschauen, während Eden Hazard und Casemiro coronabedingt fehlten. Und bei Außenverteidiger Marcelo lautet das Verdikt allgemein Altersschwäche. Mit seinen 35 Jahren erlaubte sich der Brasilianer in Valencia verheerende 23 Ballverluste. "Er nimmt sich jeden Tag mehr Auszeiten", kritisierte Marca den einstigen Dauerrenner auf der linken Seite. Für all das Durcheinander versuchte Zidane die Verantwortung zu übernehmen: "Es ist meine Schuld", sagte er, "ich bin der Trainer und es ist mein Job, Lösungen zu finden."

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Doch er findet sie nur selten. Abgesehen vom 3:1 im Clásico gegen Barcelona wirkten fast alle Vorträge dieser Spielzeit irgendwie zäh und unaufgeräumt. Hinten bröckelt es, im Mittelfeld fehlt die Ordnung (vor allem ohne Aufpasser Casemiro), hinzu kommt die entlarvende Abhängigkeit von den Toren Benzemas, der in Valencia verletzt ausgewechselt werden musste: Ihn plagen nun Muskelprobleme am Adduktor des linken Beins. Dabei sind Benzemas Beine mit das Wichtigste in ganz Madrid.

Zidane hat nun Zeit zum Grübeln

Taktische Verfehlungen sehe er nicht, fand der zerknirschte Mister Zidane, aber auch ihm sind die Launen seines Teams nicht entgangen. "Derzeit bringen uns schon Kleinigkeiten in die Bredouille und dann schaffen wir es nicht, zurückzukommen. Ich muss leider sagen, dass uns das jetzt schon oft passiert ist." Er tue sich schwer damit, die andauernden Kalamitäten zu verstehen - tiefgreifendere Antworten blieb der Franzose schuldig.

Zidanes einziges Glück dürfte nun die anstehende Liga-Pause von 15 Tagen sein. Seine hochdekorierten Profis reisen zu Länderspielen, während der Coach grübeln wird. Er muss aber hoffen, dass nicht auch Präsident Florentino Pérez zu sehr grübelt - sonst könnte in Kürze der insgesamt dritte Abschied Zidanes aus Madrid anstehen. Einmal ging er als Spieler, einmal als Trainer nach drei Champions-League-Titeln. Und jetzt? Wäre seine Entlassung der Sargnagel einer ganzen Generation. Andererseits: Mit Comebacks kennen sich die Untoten bei Real ja aus. Sergio Ramos verhandelt gerade seine wohl finale Vertragsverlängerung bei den Königlichen - zwei weitere Jahre sind im Gespräch. Ob sein Bart bis dahin ergraut?

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