Real Madrid in der Champions League:Ronaldo, die 400-Tore-Büffelherde

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  • Beim 3:0 von Real Madrid gegen den Stadtrivalen Atlético schießt ein Spieler alle drei Tore: Cristiano Ronaldo.
  • Dank des Stürmers kann Real schon fürs Champions-League-Finale planen.
  • Anschließend gibt es aber eine Debatte, wie viele Tore Ronaldo wirklich für Real erzielt hat.

Von Jonas Beckenkamp

Zunächst die schlechte Nachricht: In Sachen Drama war's ein ziemlicher Reinfall, eines der einseitigsten Spiele dieser Champions-League-Saison. Wer diese Ausgabe der Madrider Stadtmeisterschaft zwischen Real und Atlético verfolgte, brauchte entweder einen luftigen Tinto de Verano zum Wachbleiben - oder Nerven aus Granit. Für ein Halbfinale auf solcher Bühne darf man dieses 3:0 als Enttäuschung einordnen - von der Epik des Viertelfinals zwischen dem FC Bayern und Real Madrid ganz zu schweigen.

Aber, und damit zur guten Nachricht: Es ereignete sich trotzdem Historisches, weil ein Mann diesen Abend voller Besessenheit an sich riss, um der Welt noch ein weiteres Mal zu zeigen, wer der Königlichste im Estadio Santiago Bernabéu ist. Cristiano Ronaldo - wer sonst - zelebrierte vor seinem Hofstaat ein Spektakel, an das sich auch noch in fernster Zukunft die Madrileños in den Bodegas erinnern werden.

Ronaldo, der "ungeheuerliche", der "monströse", der uneingeschränkte "Herrscher" über allem - so lauten die Schlagzeilen über eine Aufführung, die nur einen Protagonisten kannte.

Wie viele Tore hat Ronaldo nun?

Es war ja nicht irgendein dahergelaufener Hattrick, den der Portugiese in den Minuten 10, 73 und 86 erzielte, sondern einer, der bleiben wird. Wie eine Ein-Mann-Büffelherde trampelte Ronaldo über die Gäste aus dem Stadtsüden hinweg, um seine Tore 398, 399 und 400 im Real-Leibchen zu verbuchen. So zumindest die Zählweise vieler spanischer Medien, denen es mit dem Rekord nicht schnell genug gehen konnte. Die offiziellen Statistiken weisen bei Ronaldo ein Törchen weniger aus, er steht demnach jetzt bei 399, weil die Experten bis heute um einen Treffer streiten, der sieben Jahre zurück liegt.

Damals bekam Abwehrkante Pepe gegen San Sebastian nach einem Freistoß von Ronaldo ein Tor gutgeschrieben. Aber was sind für das Königs-Ensemble schon die Statuten der Primera División? Real und Pepe selbst sprechen seither Ronaldo den Treffer zu - weshalb der Jubilar nun in Glückwünschen baden durfte. "Natürlich bin ich glücklich, dass ich die 400 bei Real vollgemacht habe", sagte Ronaldo, aber er erwähnte auch: "Das Lob gebührt dem ganzen Team. Wir haben großartig gespielt, vom Anfang bis zum Schluss." In der Tat versammelt sich um den Rekordebrecher ein Supporting-Cast, der derzeit ebenso rekordverdächtig agiert.

Champions League
:Ronaldo plättet Atlético mit drei Toren

Im Halbfinal-Hinspiel der Champions League ist der Portugiese von Real Madrid erneut die prägende Figur - für das Rückspiel braucht Atlético ein Wunder.

Sergio Ramos neutralisierte hinten Atléticos Torjäger Antoine Griezmann und schaffte es, ausnahmsweise nicht vom Platz zu fliegen. Toni Kroos ("wir haben schlau gespielt") erhob das Passspiel mit nur einem einzigen Fehlpass bei hundert Versuchen zur Kunstform. Casemiro pflügte im Zentrum wieder alles weg, was Ärger machen könnte und Luka Modric schmiss im Verbund mit Isco den Tiki-Taka-Diesel an. Real Madrid spielte wie ein Orchester, dessen Harmonien jedem Klangfetischisten Tränen der Freude beschert hätte. Und Ronaldo bewies bei seinem Tor zum 2:0, was ein Menschenkörper an Beweglichkeit, Schnellkraft und Timing leisten kann, wenn er auf Anschlag austrainiert ist.

Einen aufprallenden Ball aus der Drehung so ins Gehäuse zu nageln, das verdient Anerkennung - und die schenkte ihm sein Stadion in Form eines Urschreis, der bis in die Sierra Nevada zu hören war. Überhaupt scheint der Portugiese (anders als viele Profis des FC Bayern) seine Bestform wieder einmal auf den Saisonhöhepunkt zu kaprizieren. "Er ist einfach da, wenn man ihn braucht. Er denkt immer an Tore, Tore, Tore", beschrieb es Kroos hinterher im ZDF. Ronaldos Gier, sein wahnhafter Wille, seine Getriebenheit, es allen zu zeigen - diese Attribute stellen alles in den Hintergrund. Selbst die seit einigen Wochen kursierenden Vergewaltigungsvorwürfe gegen ihn münzt er offenbar in Motivation um.

In Spanien interessieren die Enthüllungen des Spiegel und von footballleaks ohnehin kaum jemanden. Umso mehr dafür die 103 Treffer, die Ronaldo in der Champions League auf dem Konto hat. Auch das, natürlich, Rekord. Zum Vergleich: Atlético Madrid kommt als ganzer Verein insgesamt auf 100 Treffer.

Atlético lähmte die Partie

Die Mannschaft von Trainer Diego Simeone ist letztlich auch als Schuldiger dafür auszumachen, dass dieses Halbfinale wohl nach dem Hinspiel entschieden ist. Zu keinem Zeitpunkt entfaltete sie ihr gefürchtetes Netz aus flinken Füßen und Umschaltfußball - Atlético lähmte mit seiner Verzagtheit eine Partie, die soviel mehr Spannung versprochen hatte.

So blieb am Ende auch das als Erkenntnis hängen: Simeone, der Taktikkünstler und Motivations-Schamane, dürfte erneut an seiner großen Nemesis scheitern: an Real Madrid, gegen das Atlético schon das letztjährige Finale verlor, sowie jenes im Jahr 2014. Seine Worte klangen hinterher zwar kämpferisch, aber irgendwie auch ohne Glaubwürdigkeit: "Ich sage es meinen Spielern und all den Leuten: Ich halte es nicht für unmöglich, das noch umzubiegen." Sollte es wirklich so kommen, brauchen die Colchoneros in einer Woche eine Nacht ohne jede schlechte Nachricht.

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