Real-Aus in der Champions League:Trübsal am Hofe Cristianos

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Verzweifelt, das Gesicht gezeichnet von Ohnmacht: Cristiano Ronaldo. (Foto: AP)
  • Real Madrid vergibt viel zu viele Chancen und spielt nur 1:1 gegen Juventus Turin.
  • Nach dem Aus in der Champions League gerät bei den Spaniern einiges ins Wanken. Die Presse in Madrid fordert Neuerungen, Trainer Ancelotti steht vor dem Aus.
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Von Oliver Meiler

Das Trikot riss er sich nicht vom Leib, obschon die Versuchung wohl groß war, auch aus meteorologischen Gründen: Madrid, 32 Grad an einem Maiabend. Gianluigi Buffon, der Torhüter von Juventus Turin, baute sich nach der zuletzt mehr erduldeten als erspielten Qualifikation für das Finale in der Champions League einfach mal ganz groß auf, die Arme in der Höhe mit angespannten Muskeln, das Gesicht zur Löwenfratze verzogen, und schrie seinen Triumph in die Nacht des Santiago Bernabéu.

Hätte "Gigi" sein Leibchen ausgezogen, dann hätte man sich leicht um ein Jahr zurückversetzt wähnen können, zurück in eine Nacht in Lissabon, als ein anderer Mann seinen Jubel mit entblößtem Torso inszenierte. Von diesem anderen Mann soll dann gleich noch die Rede sein.

Juve wirft also Real Madrid aus der Champions League und zieht ins Berliner Finale ein, wo der FC Barcelona wartet. Ein konzentriertes 1:1 reichte dafür: Alvaro Morata, der ehemalige Nachwuchsstürmer Reals, glich in der 56. Minute den Vorsprung aus, den Cristiano Ronaldo in der 22. Minute auf Elfmeter erzielt hatte. Die Madrilenen hatten Chancen, um das Spiel hoch zu gewinnen.

Gareth Bale etwa, der vor dem Spiel über seinen Agenten ausrichten lassen hatte, dass er von seinen Kameraden einfach zu wenig Bälle kriege, um auch wirklich gut zu sein, bekam diesmal Bälle im Übermaß, Bälle mit Potential, sechs klare Torgelegenheiten waren dabei. Doch dem Waliser gelang wieder kein Tor. Manchmal stand ihm Buffon vor dem Licht, manchmal stand er sich selber im Weg - wie so oft in den vergangenen zwei Jahren.

Gut möglich, dass sie sich in Madrid nun nach einem Ersatz umschauen werden für den "Hundert-Millionen-Mann", der sich offenbar in England noch immer eines beträchtlichen Marktwertes erfreuen darf. Ohnehin wird nach dieser enttäuschenden, wahrscheinlich gänzlich titellosen Saison viel ins Wanken geraten am Hof der "Blancos".

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Marca schreibt in einem bissigen Kommentar, man müsse da "mit dem Skalpell" ran: begonnen beim Torwart, über den Sturm, zum Trainer. Carlo Ancelottis Vertrag läuft zwar noch ein Jahr. Urteilt man aber nach der Generalkritik an seiner Person in den relevanten Medien des "Madridismo" und nach der manifesten Verstimmung in der Vereinspräsidentschaft, wird sich der Italiener wahrscheinlich sehr bald neu orientieren müssen. Immerhin hat Real ja die Chance verspielt, sich zum ersten Mal in der Geschichte der Königsklasse in einem Finale mit dem großen Rivalen zu messen - mit dem FC Barcelona, in einem finalen "Euro-Clásico". Die Schmach ist also groß - viel größer noch, als sie gewesen wäre, wenn der FC Bayern das Finale erreicht hätte.

Juve dagegen kehrt völlig unverhofft und vom Glück trunken zurück zu alter Glorie, zwölf Jahre nach ihrem letzten europäischen Finale. In der nationalen Meisterschaft ist man zwar schon seit vier Jahren schier unantastbar. Doch bisher sagte man sich auch in Italien immer, die Stärke von Juventus Turin erkläre sich aus der momentanen Schwäche des Calcio, der an tausend Leiden leidet. Kein Verein ist so modern und professionell geführt wie Juve. Nun also ist man zurück in der europäischen Elite.

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Für zwei von Juves Stützen ist die Reise nach Berlin ins Olympiastadion eine besonders süße: Buffon und Andrea Pirlo gehörten jener italienischen Nationalelf an, die dort im Sommer 2006 Weltmeister wurde. Auch damals kam der Erfolg völlig überraschend. Die Italiener waren verkatert angereist, belastet von einem Großskandal um verschobene Spiele, belächelt von der Welt. Und sie triumphierten, trotzig.

Neben dem Bild des protzig-prollig jubelnden Gianluigi Buffon wird ein anderes Bild aus der heißen Madrider Mainacht zurückbleiben. Es zeigt Cristiano Ronaldo, wie er nach einer vergebenen Torchance der Seinen am rechten gegnerischen Pfosten steht und schier verzweifelt, das Gesicht gezeichnet von Ohnmacht und "Tristeza" (Trübsal). Vielleicht streifte ihn da schon die Erkenntnis, dass es in diesem Jahr wohl nicht reichen wird für den Ballon d' Or, dass der Weltbeste wohl in Berlin bestimmt wird. Ohne ihn.

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