Darmstadts 1:3 gegen Leipzig:Der Aufsteiger verliert auf lustvolle Art

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Wilde Debatten nach dem 3:1 für Leipzig: Wegen des Jubels von Torschütze Lois Openda sind einige Fans und Spieler der Darmstädter aufgebracht. (Foto: Florian Ulrich/Imago)

RB Leipzig erarbeitet sich dank seiner Qualitätsvorteile einen Sieg bei den Lilien. In Erinnerung bleibt aber die Leistung der Darmstädter, die wie ein Versprechen wirkt für den Rest der Saison.

Von Christoph Ruf, Darmstadt

Richtig beliebt ist RB Leipzig in keiner Fanszene der 17 anderen Bundesligisten, aber so vehement wie am Samstag in Darmstadt werden die Proteste im achten Jahr der Erstligazugehörigkeit der Sachsen nur noch selten artikuliert. Unter dem Motto "Wir pfeifen auf RB!", bedachten die Fans der Lilien eine Viertelstunde lang jeden Ballkontakt eines Leipzigers mit einem Pfeifkonzert. Man wolle dokumentieren, dass man selbst "aus wenig viel" mache und nicht nur deshalb ein "perfektes Gegenbeispiel zu diesem Marketingfurz" sei, hieß es in einem Flugblatt der Darmstädter Anhänger.

Das Blöde an solchen David-gegen-Goliath-Inszenierungen ist, dass im Fußball meistens Goliath gewinnt. So auch diesmal, als sich die Leipziger nach einem freudlos-pragmatischen Vortrag 3:1 durchsetzten. Nach 45 Sekunden stand es aus Sicht des Davids bereits 0:1 durch Lois Openda, Mitte der ersten Halbzeit bereits 0:2, weil Darmstadts Keeper Marcel Schuhen ein Patzer unterlief, als er einen Freistoß von Emil Forsberg passieren ließ (24.). Nach einem Elfmeter von Tobias Kempe zum 1:2 (52.) traf erneut Openda zum 3:1 (75.) für RB. Anschließend jubelte der Leipziger Angreifer provokativ vor dem Sektor der Heim-Fans, erhielt entsprechende Reaktionen aufgebrachter Lilien-Fans - und irgendwann war das Spiel dann aus.

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Damit war alles angerichtet für zerknirschte David- und triumphierende Goliath-Zitate. Doch das Gegenteil passierte. David ärgerte sich über das Ergebnis, war ansonsten mit sich, der Steinschleuder und der Welt zufrieden. Und das hatte nichts mit Realitätsverlust zu tun: Darmstadt hatte ein richtig gutes Spiel gemacht, RB-Sportdirektor Rouven Schröder lobte fast ehrfürchtig: "Die waren sehr mutig. Hier werden sich noch viele Gegner schwertun." Dass die Leipziger fußballerisch in anderen Sphären unterwegs sind als die Darmstädter und einige bei RB schneller zu Fuß sind als ihre Gegenspieler, war aber schon durchweg zu erkennen.

Insgesamt spielte RB jedoch oft wie ein begabter, aber fauler Schüler, der mit Talent wettzumachen versucht, was sich andere hart erarbeiten müssen. Dass da noch Luft nach oben ist, gab Trainer Marco Rose zu. Man habe sich Darmstadts Spiel aufdrücken lassen und werde daraus lernen: "Wir wollen mehr Kontrolle haben, mehr Schärfe in den Zweikämpfen." Rose mahnte allerdings auch, bei allem Lob für Darmstadt und aller Selbstkritik den Blick aufs Wesentliche nicht zu verlieren: "Ich saß schon vorher in sieben Pressekonferenzen, wo der gegnerische Trainer gesagt hat, sein Team habe gerade das beste Saisonspiel gemacht." Dafür sei man ordentlich unterwegs in dieser noch jungen Saison - mit 17 Punkten nach acht Spielen.

Sogar der RB-Trainer findet das Publikum "toll" - obwohl es ständig Pfiffe gegen sein Team gibt

Trotzdem wird von diesem Spiel Darmstadts Leistung in Erinnerung bleiben. Der Aufsteiger kämpfte sich trotz des frühen Rückstands auf beeindruckende Weise in die Partie. Allein das war bemerkenswert, denn welcher Neuling würde bei einem 0:2 nach gut 20 Minuten nicht Angst vor einer Klatsche bekommen und vorsichtiger agieren? Anders die Lilien, die lustvoll die Zweikämpfe suchten und das Spiel fast ausschließlich in der RB-Hälfte stattfinden ließen. Mehr als ein eigenes Tor kam dabei über 90 Minuten zwar nicht heraus, aber die Fülle der Chancen und die Tatsache, dass ein Gegner wie Leipzig mit der eigenen Torsicherung gut beschäftigt war, macht Mut für das mittelfristige Ziel.

Für gute Laune bei den Fans, die sogar Marco Rose trotz der permanenten Pfiffe gegen sein Team "toll" fand, sorgt Darmstadts Offensivfußball sowieso. Als die Leipziger längst unter der Dusche waren, wurden die Verlierer draußen immer noch gefeiert. Und wer danach hörte, wie Keeper Schuhen und Kapitän Fabian Holland übers Spiel redeten, begriff, was wirklich dahintersteckt.

So wie Darmstadt spielt eine Mannschaft, die daran glaubt, am Ende der Saison nicht zu den Absteigern gehören zu müssen. Dass, wie Schuhen mit viel Trotz in der Stimme sagte, "niemand einen Pfennig auf uns gibt", motiviert offenbar mindestens genauso wie die jüngsten Siege gegen Augsburg und Bremen. Denn so wie gegen RB will Darmstadt die restlichen 26 Spiele bestreiten: "Wir spielen unangenehm, mutig und laufen früh an", sagte Schuhen. Sein Trainer Torsten Lieberknecht setzte noch einen drauf: "Wenn wir verlieren, wollen wir so verlieren wie heute."

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