RB Leipzig im DFB-Pokal:Rangnicks Verhalten ist grob unsportlich

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Mit dem Smartphone in der Hand eilte Ralf Rangnick (Zweiter von links) zum Schiedsrichterteam (Foto: Ronny Hartmann/Bongarts/Getty Images)

Mit seiner versuchten Selbstjustiz via Smartphone stellt Leipzigs Sportdirektor den Schiedsrichter im Pokalspiel gegen den FC Bayern bloß. Wo soll das bitte hinführen?

Kommentar von Martin Schneider

Vielleicht sollte sich Ralf Rangnick als Videoschiedsrichter bewerben. Er scheint dafür ein gewisses Talent mitzubringen, in der ersten Halbzeit des DFB-Pokal-Spiels zwischen Leipzig und dem FC Bayern hatte Leipzigs Sportdirektor jedenfalls keine Probleme damit, eine knifflige Situation unter schwierigen Umständen und auf einem relativ kleinen Bildschirm zu sehen und zu beurteilen. Es ging um die Szene, als der Münchner Arturo Vidal den Leipziger Emil Forsberg mit einem Beinscherenschlag niederstreckte, Schiedsrichter Felix Zwayer zunächst auf Strafstoß entschied - und sich dann von seinem Assistenten umstimmen ließ und den Tatort vor den Sechzehner verlegte.

In der zweiten Runde des DFB-Pokals gibt es keinen Videobeweis. Der wird erst ab dem Viertelfinale angewendet - warum auch immer. Jedenfalls versuchte Rangnick, seinen eigenen Videobeweis zu installieren, lief aufs Spielfeld und wollte Zwayer sein Smartphone mit dem Ausschnitt und seiner Interpretation der Dinge mitteilen. Dazu kam er aber nicht wirklich. Erst wurde er von Mats Hummels geblockt, dann von Sven Ulreich in den Arm genommen.

Rangnick hatte vermutlich sogar recht

Erst mal muss man dazu sagen: Rangnick hatte wahrscheinlich recht. Die Regelsituation ist nämlich ein bisschen kompliziert. Grundsätzlich sollte es dort Freistoß oder Elfmeter geben, wo der entscheidende Kontakt, der den Gegenspieler zu Fall brachte, stattgefunden hat. Weil Vidal aber mit einer Beinschere vorgeht, Forsberg also umklammert, kann man auch folgende Passage aus "Regel Nummer 12 - Fouls und unsportliches Betragen" zitieren: "Wenn ein Verteidiger einen Angreifer außerhalb des Strafraums zu halten beginnt und ihn bis in den Strafraum weiter festhält, entscheidet der Schiedsrichter auf Strafstoß."

Stimmen zu Leipzig vs Bayern
:"Die Königin der Konzessionsentscheidung"

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Die Freistoß-Entscheidung im Fall Vidal/Forsberg wäre also nur dann korrekt gewesen, wenn der entscheidende Kontakt vor der Strafraumlinie (die Linie gehört zum Sechzehner) stattgefunden hätte. Das ist nach Ansicht der Bilder zumindest unwahrscheinlich.

Sei's drum, unabhängig von der Beurteilung des Falls war Rangnicks Verhalten ganz sicher eins: grob unsportlich. Dem Schiedsrichterteam öffentlich und demonstrativ ein Smartphone unter die Nase zu halten und quasi den Videobeweis per Selbstjustiz einzuführen ist vieles, aber nicht fair. Es führt die Unparteiischen vor. Rangnick sagt damit quasi: Hier, ich habe in Zeitlupe und in Wiederholungen gesehen, was Sie in Realgeschwindigkeit nicht gesehen haben. Er nutzt genau die Situation aus, die eigentlich mit der Einführung des Videobeweises beendet werden sollte: Dass jeder im Stadion bei der Beurteilung von Entscheidungen Zugriff auf technische Hilfsmittel hat - nur derjenige nicht, der die Entscheidungen treffen soll, der Schiedsrichter. Deshalb gab der DFB am Donnerstag auch bekannt, dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird.

Wenn der DFB in Bundesliga und DFB-Pokal unterschiedliche Voraussetzungen schafft (einmal mit Videobeweis und einmal ohne), dann ist das natürlich ein Stück weit kurios - aber trotzdem von den Beteiligten zu akzeptieren. Wo soll das sonst hinführen? Dass derjenige gewinnt, der in der Halbzeit als erstes mit seinem Smartphone beim Schiedsrichter ist? Soll man als Heimmannschaft im Kabinengang Bildschirme installieren, und strittige Szene laufen lassen, während der Schiedsrichter dran vorbeigeht, um dann in der zweiten Halbzeit auf eine Konzessionsentscheidung zu hoffen? Was bei Zwayer beim Spiel gegen Bayern ja offenbar geklappt hat. Den Elfmeter, den er Leipzig letztendlich zugestand, bezeichnete auch Leipzigs Trainer Ralph Hasenhüttl in der ARD als "am wenigsten elfmeterreife Situation".

Man kann dem Schiedsrichter den Bildschirm nicht verweigern

Mats Hummels, der sich Rangnick beim Gang zum Schiedsrichter in den Weg stellte, sagte nach dem Spiel: "Es geht nicht, dass er mit dem Handy zum Schiedsrichter geht, um ihm Szenen zu zeigen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das erlaubt oder gewollt ist. Sonst haben die Schiedsrichter demnächst in der Halbzeit nur noch Verantwortliche um die Ohren, die ihnen Szenen zeigen wollen", so Hummels. Und wer einen Bayern-Spieler als voreingenommenen Kronzeugen nicht akzeptieren mag, Ralph Hasenhüttl meinte: "Das geht natürlich auch nicht. Das kann in dem Fall dazu führen, dass der Schiedsrichter sich denkt: Na ja, so darf er mir nicht kommen."

Rangnicks Aktion bewies aber darüber hinaus eins: Der Video-Schiedsrichter mag im Moment noch nicht in jeder Situation perfekt und schnell funktionieren - er ist in seinem Grundgedanken aber unvermeidlich. In Zeiten, in denen jeder einen Bildschirm in der Tasche hat, kann man dem Schiedsrichter den Bildschirm nicht verweigern. Dann muss man als Heimmannschaft auch keine Flatscreens im Kabinengang installieren.

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