Bundesliga:Leipzig ist ein gefährlicher Herausforderer

RB Leipzig: Trainer Julian Nagelsmann beim Trainingsauftakt im Winter 2020

Demut ist eher nicht sein Ding: Julian Nagelsmann.

(Foto: Jan Woitas/dpa)

Der Meistertitel käme keineswegs zu früh für RB Leipzig und Trainer Julian Nagelsmann. Im Konzern stecken zu viel Geld und zu viel Know-how, um wieder abzustürzen.

Kommentar von Christof Kneer

Vor einem Jahr hatte Borussia Dortmund im Winter sechs Punkte Vorsprung auf den FC Bayern, und es wirkte sehr vernünftig, wie die Dortmunder mit dieser Vorgabe umgingen. Sie haben nicht rumgesponnen, sie haben keinen Druck aufgebaut und darauf verzichtet, den Meistertitel als Ziel rauszubrüllen. Und auf dem Wintertransfermarkt haben sie sich zurückgehalten, sie haben keine Demonstrationskäufe veranstaltet und sich von der verlockenden Tabellenführung zu nichts zwingen lassen.

17 Spieltage später war sich das Fußball-Land allerdings einig, dass der BVB sich vielleicht doch ein bisschen Unvernunft hätten leisten sollen. Die Dortmunder sind dem Meisterrennen sanft entschlafen, und ihre Lebensgeister haben sie hinterher fürs Ärgern verwendet - und dafür, dem pazifistisch veranlagten Trainer Favre Vorwürfe zu machen. Wer Lehren aus der vorigen Saison ziehen möchte, könnte also bei dieser Lehre landen: Wenn die Bayern aus Versehen mal wund sind, hilft nur Mut - keine Demut.

In diesem Jahr hat RB Leipzig nun vier Punkte Vorsprung auf die Bayern, die zurzeit im Wortsinn wund sind, weil sie kaum mehr Spieler zusammenbringen. Und was machen die Leipziger? Lassen ihren Trainer sagen, man sei noch nicht gut genug für den Titel; und den Wintermarkt verfolgen die Leipziger bisher nur als Zuschauer, und was sie da sehen, ist, dass ausgerechnet Dortmund den mutigsten Transfer macht (Haaland).

Wiederholt sich jetzt also die Geschichte? Fahren die Leipziger bereitwillig rechts ran, sobald im Rückspiegel die Lichter des Bayern-Boliden aufblinken?

Besonders verführerisch ist die emotionale Chance, die sich RB bietet

Wer Leipzigs Coach Julian Nagelsmann kennt, würde den Bayern raten, sich darauf nicht zu verlassen. Nagelsmann Naturell wäre mit "demütig" nicht sehr zutreffend beschrieben, und natürlich sieht dieser wuchtige Mensch auch den Charme, den der erste Rückrunden-Spieltag ausstrahlt: Während Leipzig den Aufsteiger Union Berlin empfängt, stehen der Konkurrenz aus Mönchengladbach, München und Dortmund Auswärtsspiele bevor, die mit "unbequem" sehr zutreffend beschrieben sind. RB Leipzig könnte gleich ein bisschen ausreißen.

Im deutschen Fußball hält sich hartnäckig die These, wonach ein Titel für einen Klub "zu früh" kommen könne. Bei dieser These handelt es sich um wirklich sagenhaften Unsinn - nicht der Titel kann zur Gefahr werden, sondern höchstens die falschen Schlüsse, die ein Klub daraus zieht. Auch deshalb sind die Leipziger ein gefährlicher Herausforderer: Zwar haben sie in der Rückrunde plötzlich etwas zu verlieren, sie werden merken, wie der Druck steigt, wie Sehnsüchte und Begehrlichkeiten nur darauf warten, enttäuscht zu werden - dennoch können sie in dem Selbstverständnis spielen, dass es ihnen kaum wie Bremen oder Stuttgart ergehen wird.

RB wird seine Herausforderer-Rolle nicht büßen müssen, im Konzern stecken zu viel Geld und zu viel Know-how, um wieder abzustürzen. Und besonders verführerisch ist die emotionale Chance, die sich RB bietet: Vielleicht sind sie im Mai nicht mehr die Bösen aus der Dose, sondern die Guten, die den bösen Bayern den Titel weggeschnappt haben.

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