Emanuel Buchmann bei der Tour de France:Der Edelhelfer im Meistertrikot

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Emanuel Buchmann und sein Teamkapitän Jai Hindley. (Foto: Luca Bettini/Photo News/Imago)

Emanuel Buchmann galt nach seinem vierten Platz bei der Tour 2019 viele Jahre als große deutsche Hoffnung aufs Podium. Nun ist er nicht mehr als Kapitän, sondern in dienender Funktion unterwegs - und präsentiert sich stark.

Von Johannes Aumüller, Clermont-Ferrand

Die Sache mit dem Eis richtigzustellen, das ist Emanuel Buchmann erkennbar ein Anliegen. Vor ein paar Jahren hat sein Teamchef Ralph Denk mal ausführlich über die charakterlichen Eigenschaften des Bora-Hansgrohe-Kletterspezialisten gesprochen - und kam dabei auch aufs Thema Disziplin. So hart sei Buchmann zu sich selbst, der schlafe ja schon schlecht, wenn er mal ein Eis esse, sagte Denk damals; es war eine dieser Übertreibungen, wie sie der Oberbayer gerne fabriziert und durchaus anerkennend meint. Aber wenn man Buchmann am Rande der laufenden Tour fragt, ob seine Disziplin immer noch sei wie damals oder ob er jetzt doch mal ein Eis esse, wirkt er beinahe wie herausgefordert.

"Da kennt mich der Ralph aber schlecht", sagt Buchmann dazu am montäglichen Ruhetag. Wenn das so wäre, fügte er an, hätte er sehr viele schlaflose Nächte haben müssen. Er esse sehr gerne Eis, viele Sorten querbeet, es gebe da in seinem Heimatort eine sehr gute Eisdiele. Von diesem Genuss habe ihn auch nichts abgehalten, früher nicht, und heute auch nicht.

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Emanuel Buchmann, 30, kommt meist eher zurückhaltend daher, aber manchmal kann er schon recht klar werden. Der gebürtige Ravensburger bestreitet gerade seine siebte Tour de France, und sie ist durchaus eine besondere. Weil er bisher recht überzeugend auftritt - und weil er das in einer veränderten Funktion tut. Denn er ist jetzt nicht mehr der Kapitän seiner Bora-Equipe, sondern formal eine Stufe weiter unten in der Hierarchie der Edelhelfer.

2019 erreichte Buchmann sein bisher bestes Ergebnis bei der Tour: Rang vier, nur knapp hinter dem Podium

Buchmanns Rolle hatte in den vergangenen Jahren zwei Seiten. Einerseits war er oft gewürdigt worden, ihm wurde aber andererseits auch ein unangenehmer Part übergestülpt. Seitdem er 2015 im Profi-Radsport aufgetaucht war, galt er als der Fahrer, der es als erster Deutscher seit dem großen Dopingclash Mitte der Nullerjahre im Gesamtklassement mal wieder richtig weit nach vorne schaffen könnte. Mancher Fernsehkommentator verfolgte bei den Übertragungen fast schon pathologisch, wo denn nun Buchmann stecke und wie weit er von der Spitze weg sei. Und es ging ja auch über viele Jahre Stück für Stück voran, bis Buchmann 2019 sein bisheriges Highlight gelang: Rang vier in der Gesamtwertung, nur 1:56 Minuten hinter dem Sieger und schlappe 35 Sekunden hinter dem Podium. Da schossen dann die Erwartungen richtig hoch, und auch Buchmann selbst fand, dass er "noch nicht am Ende" sei - doch danach lief es bei den Frankreich-Schleifen nicht mehr so gut für ihn.

In diesem Jahr fragt nun keiner mehr nach Ambitionen aufs Podium, niemand ruft ihn zum nächsten deutschen Top-drei-Fahrer seit Jan Ullrich und Andreas Klöden aus. Der Mann fürs Klassement ist bei Bora der Australier Jai Hindley, der schon einen Tag in Gelb verlebte und der auch nach der schweren Etappe auf den Puy de Dôme gute Chancen hat, hinter den Dominatoren Jonas Vingegaard und Tadej Pogacar auf dem Podium zu landen. Buchmann ist dabei sein zentraler Adjutant, zumal das Team nicht komplett aufs Klassement ausgerichtet ist, sondern auch eine Sprinterfraktion um Jordi Meeus umfasst sowie arrivierte Etappenjäger wie Nils Politt.

"Buchmann ist unser absoluter Schlüssel, wenn es im Hochgebirge darum geht, Hindley aufs Podium zu bringen", sagte sein Sportchef Rolf Aldag vor der Tour, und in der Tat trug Buchmann in der ersten Tour-Woche einiges dazu bei, dass Hindley nun so gut in der Wertung liegt - nicht zuletzt auf der zweiten Pyrenäenetappe, als nach dem Tourmalet Buchmann der einzige Fahrer in der verbliebenen Gruppe war, der sich für die Tempoarbeit zuständig fühlte.

Wie Buchmann damit umgeht? "Jai ist nun mal einfach der Stärkere", sagt er, so sei die Aufteilung "einfach besser. Ich will auch nicht um Platz zehn fighten, nur damit ich Zehnter werde." Und zudem hat so eine Edelhelferrolle ja auch ihre angenehmen Seiten. "Es ist deutlich entspannter für einen selber, wenn man nicht um jede Sekunde kämpfen muss, und der Druck ist etwas geringer", sagt er.

Im Vorjahr verhalf er Hindley zum Sieg beim Giro d'Italia

Auf eine gewisse Art passt das vielleicht sogar besser zu Buchmann. Aus einer sportlichen Perspektive, weil sich über die Jahre gezeigt hat, dass für ganz, ganz vorne im Konzert der Wattmonster ein bisschen etwas fehlt - aber auch von seiner Herangehensweise an den Sport. Buchmann ist ein sehr ruhiger Zeitgenosse, zumindest in der Öffentlichkeit, während das hinter den Türen auch anders sein könne, wie Teamchef Ralph Denk mal berichtete. Wie ein typischer Leader einer Mannschaft wirkt Buchmann jedenfalls nicht.

Dabei kann man ja, wenn man vom Groben aufs Feine blickt, leicht feststellen, dass Buchmann keineswegs viel schlechter geworden ist, seitdem er vor vier Jahren den Tour-Matadoren so lange folgen konnte. 2020 war Buchmann in guter Form, ehe er in der Vorbereitung auf die Tour stürzte und früh viel Zeit verlor. Ein Jahr später mischte er beim Giro d'Italia vorne mit, ehe er zu Fall und bis zur Tour nicht mehr recht in Schwung kam. Im Vorjahr holte er sich beim Giro, ebenfalls als Adjutant von Rundfahrt-Sieger Hindley, Rang sieben. Und wie er sich weiterentwickelt hat, das unterstrich Buchmann kurz vor der Tour, als er sich mit einem langen Solo zum zweiten Mal in seiner Karriere den deutschen Meistertitel sicherte.

Die Form von 2019 habe er gerade nicht, aber er sei besser drauf als im Vorjahr bei seiner guten Giro-Platzierung, sagt Buchmann. Obwohl er so gute Helferdienste leistet, ist er aktuell 13. im Gesamtklassement. Der weitere Parcours dürfte ihm durchaus liegen, und es gibt ein paar Etappen, an denen die Teamstrategen zum Schluss kommen könnten, Buchmann mal in eine Ausreißergruppe gehen zu lassen. Das müsse man sehen, sagt Buchmann am Montag, da könne man nichts planen. Aber klar: Die Hoffnung auf einen Etappensieg als Edelhelfer, die pflegt er weiterhin.

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