Solskjær-Aus in Manchester:Und jetzt Zidane?

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So sorry: Ole Gunnar Solskjær entschuldigt sich am Samstag nach der 1:4-Pleite in Watford bei den ManU-Fans. Manche seiner Spieler, zum Beispiel Cristiano Ronaldo, hatten nicht die Größe. (Foto: Alex Pantling/Getty Images)

Manchester United könnte die Trennung von Ole Gunnar Solskjær doppelt teuer zu stehen kommen - als Retter ist der ehemalige Real-Coach im Gespräch.

Von Sven Haist, London

Ein letztes Mal stellte sich Ole Gunnar Solskjær vor sein Team. Unmittelbar nach Abpfiff des für Manchester United schockierenden Auswärtsspiels beim FC Watford sammelte der Trainer seine überall auf dem Platz gestrandeten Spieler ein und lief dann, auf dem schweren Weg zu den eigenen Fans, vornweg, um sich als Erster dem Zorn zu stellen. Entschuldigend hob Solskjær seine Hände und bat um Verzeihung für eine Leistung seiner Mannschaft, die kaum zu verzeihen war.

Hinter ihm trotteten einige Spieler her, kummervoll und beinahe apathisch, wohl erschrocken über sich selbst. Spielmacher Bruno Fernandes versuchte immerhin klarzumachen, dass nicht der Trainer allein Schuld trage an der Misere, sondern auch die Spieler, indem er mit den Fingern auf sich und die anderen zeigte. Der Großteil des Kaders hatte jedoch nicht mal die Courage, sich überhaupt bei den Anhängern zu zeigen.

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Nach dem 1:4 gegen Watford muss der Norweger gehen. Chelsea siegt auch dank Antonio Rüdiger souverän, Liverpool zieht im Titelrennen eindrucksvoll nach. Lionel Messi feiert eine Premiere in Frankreich.

Cristiano Ronaldo macht sich einfach aus dem Staub - wie so oft zuletzt

Als Erster machte sich Cristiano Ronaldo aus dem Staub, wie so oft zuletzt, wenn es nicht lief. Diesmal war er derart schnell weg, dass Solskjær ihn am Seitenrand fast verpasst hätte, als er seinem Kollegen Claudio Ranieri zum Sieg gratulierte. Trotzdem hatte Solskjær auch für Ronaldo noch einen aufmunternden Klaps übrig. Mit seinem Auftreten hat der Norweger in seiner beinahe dreijährigen Amtszeit den Eindruck hinterlassen, dass ihm der Klub, mit dem er als ehemaliger Vorzeigeangreifer große Erfolge gefeiert hat, wirklich am Herzen liegt. Lange haben ihm die Fans das zugutegehalten, aber nach dem Watford-Spiel wandten sie sich mit gellenden Pfiffen ab. Ergriffen verabschiedete sich Solskjær, den Tränen nahe. Er wusste, dass seine Zeit vorüber war.

Noch Samstagnacht sickerte dann durch, dass der Klubvorstand um den zum Jahresende ausscheidenden Geschäftsführer Ed Woodward auf einer Dringlichkeitssitzung entschieden hatte, die Trennung von Solskjær zu vollziehen. Den Beschluss segnete der US-amerikanische Mitvorsitzende Joel Glazer ab, der mit seinen Geschwistern die Anteile am Klub hält. Aus Respekt vor Solskjær, 48, dessen Abfindung knapp zehn Millionen Euro betragen soll, teilte der Klub am Sonntag blumig mit, dieser habe "sein Amt niedergelegt" und "uns mit unserem aufrichtigen Dank" verlassen.

Während sich United jetzt um einen "Interimstrainer bis Saisonende" bemüht, wird Assistent Michael Carrick, 40, früherer Mittelfeldspieler des Vereins, das Team betreuen. Erstmals am Dienstag, wenn Manchester das Gruppenspiel beim FC Villareal bestreitet, in dem es ums Weiterkommen in der Champions League geht. Mit zwölf Punkten hinter Spitzenreiter FC Chelsea kann das abgestürzte United ein Eingreifen im Titelkampf wohl ad acta legen.

Und wer kommt nun? Pochettino und Rodgers sind nicht verfügbar, Conte ist den Bossen wohl zu anstrengend

Der Zeitpunkt von Solskjærs Demission gewährt eine Innenansicht in die Unzulänglichkeiten im Management des Rekordmeisters. Zwei Wochen standen der Führungsriege in der zurückliegenden Spielpause der Premier League zur Verfügung, um den längst überfälligen Schritt voranzutreiben. Trotzdem ließ United die herben Heimniederlagen gegen die Titelaspiranten FC Liverpool (0:5) und Manchester City (0:2) tatenlos verstreichen - bis nun das 1:4 bei Aufsteiger Watford der viel zu behäbigen Chefetage gar keine andere Wahl mehr ließ, um nicht weiter die eigene Ahnungslosigkeit offenbaren zu müssen. Obwohl Solskjær in den Vorjahren mehrfach aufgrund der immergleichen Probleme mit dem Rücken zur Wand gestanden war, ließ sich der Klub paradoxerweise vom zweiten Platz in der Vorsaison blenden und verlängerte vor vier Monaten den Vertrag mit ihm langfristig bis 2024.

Der Vorstand von Manchester United liebäugelt mit der Verpflichtung des früheren Real-Coaches Zinédine Zidane. (Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images for AUDI)

Wie jetzt immer klarer ersichtlich wird, hat sich United nicht mal auf den Fall einer vorzeitigen Ablösung vorbereitet. Die Tölpelei lässt sich leicht daran erkennen, dass der Klub gern auf die anerkannten Fachkräfte Mauricio Pochettino (Paris) und Brendan Rodgers (Leicester) zurückgreifen würde, die sich beide in Angestelltenverhältnissen befinden. Der zeitweise freie Antonio Conte (Tottenham) galt den Bossen als zu anstrengend. Nun liebäugelt der Vorstand mit dem Renommee des ehemaligen Real-Chefs Zinédine Zidane. Dabei wäre wohl ein Fachmann wie Ralf Rangnick eine geeignete Lösung, um nicht nur das Team, sondern auch den Klub ganzheitlich neu aufzustellen.

Das wäre dringend notwendig, nachdem United der nostalgischen Vorstellung anhing, dass Solskjær als Jünger des im Sommer 2013 nach 27 Jahren zurückgetretenen Alex Ferguson dessen Erbe fortführen kann. Bei dieser Idee ließ der Klub völlig außer Acht, dass sich die nationale Konkurrenz schon längst mit hochkarätigen Trainerpersönlichkeiten eingedeckt und immer weiter von United entfernt hatte. Während Jürgen Klopp (Liverpool), Pep Guardiola (Man City) und Thomas Tuchel (Chelsea) ihre Klubs auf Anhieb auf ein anderes Level gehoben haben, lag Manchester mehrmals daneben.

Auf Fergusons Empfehlung kam anfangs der überfordert wirkende Schotte David Moyes (mittlerweile erfolgreich bei West Ham), ehe der Klub mit Ballbesitzprediger Louis van Gaal und Verteidigungskünstler José Mourinho nacheinander auf zwei Vertreter der Zunft setzte, deren Spielweisen nicht weiter hätten auseinanderliegen können. Die Scherben der jeweils im Streit vom Hof gejagten Trainer hatte Solskjær aufzukehren. Ihm gelang es, ein positives Teamklima zu etablieren. Doch zu schnell geriet er an seine fachlichen Grenzen, wenn es darum ging, aus den vielen hochbegabten, sich oftmals divenhaft verhaltenden Profis eine Mannschaft mit einer eigenen Spielidentität zu entwickeln. Mehr als die ewige Hoffnung auf rettende Einzelaktionen hat sich kaum eingestellt.

"Wir wissen nicht, wie wir verteidigen sollen, und wir wissen nicht, was wir mit dem Ball tun sollen", offenbarte Torwart David de Gea am Wochenende - ein Verdikt, das für Trainer Solskjær einem Offenbarungseid gleichkommt. Der Spielverlauf gegen das abstiegsgefährdete Watford ähnelte tatsächlich einem Schnelldurchlauf seiner Tätigkeit. Schon die Idee des Trainerroutiniers Ranieri, ein simples Forechecking spielen zu lassen, genügte, um United gründlich aufzuscheuchen. Mit nur vier Gegentoren durch Joshua King (28.), Ismaïla Sarr (44.), João Pedro (90.+2) und Emmanuel Dennis (90.+6) war ManU noch gut bedient. Die erste Halbzeit sei "das Schlechteste" gewesen, was sein Team unter ihm zusammengespielt habe, sagte Solskjær. Er könne sich nur entschuldigen. So, wie er das schon direkt nach dem Spiel vor den eigenen Fans getan hatte.

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