Im Dreikampf um die Premier-League-Meisterschaft wollten die Titelanwärter FC Arsenal und FC Liverpool in den vergangenen Wochen unbedingt vermeiden, dass Dauerchampion Manchester City die Tabellenführung übernimmt. Aber dieser Fall ist nun eingetreten: Erstmals seit Mitte Februar steht City wieder auf dem ersten Platz. Der Klub von Trainer Pep Guardiola deklassierte am Samstag den Aufsteiger Luton Town im eigenen Stadion (5:1) und überholte die Rivalen um zwei Punkte. Die hätten am Sonntag jeweils zurückschlagen können, doch beide Vereine verloren überraschend ihre Heimspiele - zunächst Liverpool gegen Crystal Palace (0:1) und im Anschluss Arsenal gegen Aston Villa (0:2).
Damit kann die Guardiola-Elf sechs Spieltage vor Saisonende aus eigener Kraft mit dem vierten Ligatitel in Serie die Herrschaft im englischen Fußball fortsetzen. Dafür notwendig? Siege gegen Brighton, Nottingham, Wolverhampton, Fulham, Tottenham und West Ham. Machbar also.
Die Reaktionen in Arsenal und Liverpool auf den "Albtraum-Nachmittag", wie ihn die Times betitelte, fielen quasi identisch aus: kaputte Spieler, konsternierte Trainer und frustrierte Fans. Die Stimmungslage brachte der Guardian auf den Punkt, indem die Zeitung den beiden Klubs zurief, das Titelrennen sei zwar nicht vorbei, es fühle sich aber so an. Sinnbildlich stand die Massenflucht aus dem Arsenal-Stadion, obwohl das Match gegen Villa mit Nachspielzeit letztlich noch fast eine Viertelstunde weiterlief. Auf der Gegentribüne sei bei Spielende sogar bereits "das weiße Kanonenemblem zwischen den verblassten roten Sitzen" zu sehen gewesen, spottete der Telegraph.
Der FC Liverpool könnte gerade einen Adrenalinschub von außen vertragen
Womöglich wollte sich die Anhängerschaft jene Häme aus der gegnerischen Fankurve ersparen, mit der sie zuvor ihre Liverpooler Kollegen bedacht hatte. Deren Pleite bejubelten die Arsenal-Sympathisanten an den Imbissbuden wie einen eigenen Sieg. In dieser Hochstimmung feuerten sie danach ihre Mannschaft an. Die Atmosphäre wirkte ähnlich leidenschaftlich ungeduldig wie gegen den FC Bayern, als der Klub zum ersten Mal seit 2010 ein Viertelfinale der Champions League bestritten hatte. Das Publikum ließ das richtige Maß vermissen - so, wie die Spieler auf dem Platz.
Kingsley Coman beim FC Bayern:Stich im Oberschenkel
Dank eines kunstvollen Tores von Raphaël Guerreiro gewinnt der FC Bayern 2:0 gegen Köln - doch der Erfolg wird von Comans Verletzung überschattet. Trainer Tuchel stöhnt vor dem Rückspiel gegen Arsenal: "So geht es dahin mit den Optionen."
Die Gunners kannten ausschließlich den Weg nach vorn, als bestünde ein Fußballspiel nur aus einer Halbzeit. Das Vorgehen stützte der Trainer Mikel Arteta mit seiner Aufstellung, indem er Kai Havertz ins defensive Mittelfeld zurückbeorderte und den Taktgeber Jorginho schonte. Später attestierte Arteta seiner Mannschaft, sie hätte "drei, vier, fünf Treffer" vor dem Seitenwechsel erzielen können. Allerdings wurden alle Torchancen verballert, auch weil Ruhe und Konzentration im Abschluss aufgrund der rastlosen Spielweise zu fehlen schien. Aston Villas Mittelstürmer Ollie Watkins beobachtete, die Körpersprache der Gegenspieler sei zunehmend "müde und frustriert" gewesen.
Darauf hatte Gästetrainer Unai Emery, der Vorgänger von Arteta in Nordlondon, spekuliert: Der Champions-League-Aspirant siegte durch einen späten Doppelschlag innerhalb von drei Minuten, die Tore erzielten Leon Bailey und eben Watkins. Emery freute sich am Seitenrand diebisch - und manchen Arsenal-Fans dürfte angesichts der ersten Ligapleite in diesem Jahr auf dem Heimweg das schlechte Gewissen geplagt haben.
Auch in Liverpool stehen die Fans derzeit im Mittelpunkt des Geschehens. Sie befinden sich im Clinch mit der Vereinsführung, die nach einem gemeinsamen Austausch bestätigte, an der Ticketpreiserhöhung für die nächste Saison festhalten zu wollen. Immerhin erwirkten die Fanvertreter, dass die zusätzliche Anhebung der Mitgliedspreise erst mal "auf Eis" gelegt worden ist. Das Vorgehen des Vereins quittierten die Leute zuletzt mit einer für Liverpooler Verhältnisse trüben Kulisse gegen Atalanta Bergamo in der Europa League (0:3) - und gegen Palace hörte sich die Unterstützung bei der ersten Liga-Heimpleite seit 553 Tagen allenfalls unwesentlich besser an.
Dabei würde die Mannschaft von Trainer Jürgen Klopp gerade einen Adrenalinschub von außen benötigen. Der Deutsche bemängelte, seiner Elf fehle die Überzeugung. Und ihm selbst schien es gleich zu gehen, er fühle sich "wirklich miserabel", gestand Klopp. Wie schon mehrmals in dieser Saison geriet sein Team früh in Rückstand und vergab hochkarätige Torchancen. Diesmal blieb das Comeback jedoch aus, die Kraft geht wohl langsam zur Neige.
Der Verlust der Tabellenführung gibt Arsenal und Liverpool nun die Chance, etwas zur Ruhe zu kommen und sich neu ausrichten. Der Druck lastet in der Premier League fortan auf Manchester City.