Tennis:Wie Emma Raducanu den Weg zurück gefunden hat

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Alles im Griff - auch den Tennisschläger, was monatelang keine Selbstverständlichkeit für Emma Raducanu war. (Foto: Aurelien Meunier/ITF/Getty)

Die junge Britin, einst kometenhaften aufgestiegen, konnte wegen Verletzungen irgendwann ihren Tennisschläger kaum noch halten. Jetzt will die frühere US-Open-Siegerin alte Qualitäten wieder beleben - und trifft in Stuttgart auf eine prominente Gegnerin.

Von Barbara Klimke, Stuttgart

Der Wind war aufgefrischt an diesem Dienstagmorgen, und Emma Raducanu hatte sich für die wenigen Meter vom Hotel in die Stuttgarter Arena einen dicken cremeweißen Schal umgelegt. Sie achtet jetzt mehr auf ihre eigenen Bedürfnisse, sagte sie, als sie Platz nahm und für das Interview das Racket beiseitelegte. Gesundheit ist das eine; aber im Fall von Raducanu, 21, besteht die schönste Nachricht darin, dass sie überhaupt wieder in der Lage ist, einen Tennisschläger in der Hand zu führen.

Noch immer absolviert sie vor jedem Training Reha-Übungen, um die Sehnen der Handgelenke zu stärken. "Aber Schmerzen", sagt sie, "habe ich schon lange nicht mehr gespürt. Das ist ein Segen." Ein Jahr ist es her, dass sie in Stuttgart beim Grand Prix - in ebendieser Halle - von der Lettin Jelena Ostapenko regelrecht vom Platz gefegt wurde, 2:6, 1:6, "eine Demütigung", wie Emma Raducanu heute sagt. Sie hatte den aggressiven Powerschlägen nichts entgegenzusetzen. Wie auch, wenn es ihr schwerfiel, mit verletzten Händen den Schlägergriff zu umklammern?

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Es war der letzte Anstoß, sich in Behandlung zu begeben - und auch ihr letztes Tennisspiel des Jahres. "Ich wusste damals schon, dass eine Operation nötig war", sagt sie. "Ich war damals nicht in der Lage zu trainieren - aber ohne Training kann man in Turnieren nicht bestehen." Wenig später veröffentlichte sie ein Foto, tapfer lächelnd im Krankenbett: Sie hatte sich Eingriffen an beiden Handgelenken und am Fußknöchel unterziehen müssen. Noch fünf Monate später, weiterhin nicht schmerzfrei, zweifelte sie an ihrer Rückkehr in ein Metier, in dem sie es nur zwei Jahre vorher auf nahezu unerhörte Weise zu spektakulärem Ruhm gebracht hatte.

Acht Monate konnte Emma Raducanu kein Tennis spielen

Wie ein Satellit war Emma Raducanu in den Septemberwochen 2021 an den Sternenhimmel geschossen und hatte die US Open in Flushing Meadows überstrahlt: eine Abiturientin aus Bromley im Süden Londons ohne große Turniererfahrung, die als erste Qualifikantin den großen Silberpokal gewann. Sie wurde berühmt, unterschrieb Sponsorenverträge und ist auch beim Porsche-Grand Prix in Stuttgart Markenbotschafterin. Danach durchlebte sie eine durchwachsene Saison und zahlreiche Malaisen, was nach dem Kometenaufstieg verständlich war: In neuen Sphären braucht es generell eine Weile, die feste Umlaufbahn zu finden.

Emma Raducanu aber ist erst nach den Operationen und der Reha, in der sie langsam wieder geschmeidige Handbewegungen lernen musste, im Januar 2024 auf die Tennis-Tour zurückgekehrt. Und es dauerte bis zur vergangenen Woche, ehe sie feststellte, dass sie wieder Tennis spielte wie im glorreichen Sommer vor drei Jahren. Beim Billie-Jean-King-Cup, in dem das britische Team auf Frankreich traf, schlug sie nacheinander Caroline Garcia und Diane Parry in jeweils drei Sätzen - beförderte die Mannschaft fast im Alleingang in die Finalrunde. Selbst bei ihrem US-Open-Sieg sagte sie, habe sie nicht zweimal nacheinander drei Sätze auf einem so hohen Level spielen müssen. Und das auch noch auf Sand, dem Belag, der ihr am wenigsten liegt.

Auf rotem Sand wird sie auch am Mittwoch in ihrer ersten Stuttgarter Partie antreten, gegen Angelique Kerber, 36, die ehemalige Wimbledon-Siegerin, die nach der Geburt ihrer Tochter erstmals wieder ein Turnier in Deutschland bestreitet. Emma Raducanu ist in der Rangliste mittlerweile nur noch auf Platz 303 notiert, fühlt aber, dass sie sich langsam wieder ihrer "normalen Flughöhe" nähert, wie sie sagt. Auch, weil sie ihren Maßstäben treu bleibt. "Mein Prinzip ist es, in den Trainingswochen hart zu arbeiten" - und davon will sie sich auch nicht abbringen lassen. Den Rat mancher Experten wie des früheren Weltranglistenersten Andy Roddick aus den USA, sich auf der zweitklassigen Challenger-Tour mehr Matchpraxis zu erspielen, schlug sie aus. "Selbstvertrauen gewinne ich nicht in Turniermatches - das ist nur der Stresstest", sagt sie: "Ich erarbeite mir das Vertrauen im Training." Inzwischen hat sie dafür wieder ihren Jugendtrainer, Nick Cavaday, an ihrer Seite.

Und so ist sie froh, den Weg zurückgefunden zu haben nach Stuttgart, ihre alte Explosivität zu spüren: "Mein Fitnesstrainer sagt immer, ich spiele so kraftvoll wie ein Sportwagen", sagt sie lachend: Sie findet, das passt zu diesem Turnier. Dann greift sie zum Schläger: Zeit für das Training.

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