Olympia:Russland vs USA: Revanche und Verschwörungstheorien

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Sotschi (dpa) - Blamiert, gedemütigt, vorgeführt: Für Russlands Eishockey-Giganten wird der olympische Vorrundenkracher gegen die USA zur Staatsaffäre.

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Sotschi (dpa) - Blamiert, gedemütigt, vorgeführt: Für Russlands Eishockey-Giganten wird der olympische Vorrundenkracher gegen die USA zur Staatsaffäre.

Selbst Präsident und Edelfan Wladimir Putin wird womöglich zuschauen, wenn die Puckmillionäre um Alexander Owetschkin gleich zwei historische Pleiten gegen den einstigen politischen Erzfeind ausmerzen wollen: das Debakel beim „Miracle on Ice“ gegen die US-Amateure 1980 und die peinliche 3:8-Packung vor einem Jahr bei der WM in Helsinki. Der Kremlchef höchstpersönlich deutete seinen Besuch beim ersten Eishockey-Spektakel dieser Winterspiele am Schwarzen Meer an.

„Vielleicht komme ich“, sagte er laut Agentur Itar-Tass, als er das amerikanische Haus in Sotschi besuchte. Bei einem Gläschen Rotwein meinte er: „Ich versichere euch, bei uns gibt es viele Fans, die die amerikanischen Spieler kennen und mögen.“ Putin gab sich locker und entspannt - anders als zuvor noch sein Olympia-Organisator Dmitri Tschernyschenko, der staatstragend und voller Pathos sagte: „Wir sind in einem Land aufgewachsen, in dem Eishockey wie eine Religion war.“

Das Vorgeplänkel auf das Topspiel am Samstag im seit langem ausverkauften „Boschoi“-Dom von Sotschi begann in Russland schon vor einigen Monaten - mit verwegenen Verschwörungstheorien rund um diverse Vorkommnisse in Nordamerika.

Ende Oktober wurde der russische Auswahl-Torhüter Semjon Warlamow in Denver festgenommen, weil er seine Freundin Jewgenija in der gemeinsamen Wohnung angegriffen haben soll. Am 23. November erlitt dann „Sbornaja“-Kapitän Pawel Dazjuk im Spiel seiner Detroit Red Wings eine Gehirnerschütterung, als ihm Gegenspieler Jared Cowen aus Ottawa den Ellbogen gegen den Kopf rammte. Russische Medien und Politiker sprachen von einem „Komplott“ vor Olympia, der kremlnahe Sender Golos Rossii (Stimme Russlands) meinte: „Das ist ein Versuch, Spieler auszuschalten und unser Team zu schwächen.“

Die Sorgen des russischen Trainers Sinetula Biljaletdinow dürften sich nach dem glanzlosen 5:2-Auftakterfolg seiner Weltstars gegen die Underdogs aus Slowenien längst um konkretere Dinge drehen. „Wir werden noch viel ändern“, kündigte der frustrierte Coach an. Auch Stürmer Dazjuk mahnte nach dem Arbeitssieg: „Wir müssen unsere Lehren ziehen und Fehler abstellen, mehr schießen, selbstbewusster und einfacher spielen.“ Die Nervosität war den Kufencracks, von denen Präsident Wladimir Putin nur Gold erwartet, deutlich anzumerken.

Trainer Biljaletdinow strich am Freitag das Training, womöglich auch, um seine Spieler nicht erneut der Öffentlichkeit auszusetzen. Ganz locker traten derweil die US-Boys auf: Die junge Truppe wirbelte sich gegen die Slowakei zu einem 7:1, von Jetlag und Problemen mit der großen Eisfläche war keine Spur. Dass der Druck am Samstag auf den Russen liegt, kommt den Amerikanern gelegen. „Es ist deren Heimatland, alles dreht sich um sie“, meinte Stürmer David Backes.

Dabei hatte es Verbandschef Wladislaw Tretjak bereits mit subtilen Psychospielchen probiert. Auf der spektalukären Pressekonferenz zum Turnierauftakt vor Hunderten Journalisten blickte die Torhüter-Legende zunächst demütig auf 1980 zurück. „Die Amerikaner haben uns eine Lektion erteilt“, sagte der frühere Weltklasseskeeper, der beim 3:4 in Lake Placid nicht nur die größte Niederlage seiner Karriere erlebte, sondern gegen Amerikas Jungspunde sogar ausgewechselt wurde. Dann aber schob der Putin-Freund hinterher: „Das war ein Wunder - dadurch wurde es aber erst möglich, dass sich Eishockey in den USA so rasant entwickelt. Heute spielen sie quasi sowjetisches Eishockey.“

Für die Amerikaner ist Lake Placid weit weg. Keiner der 25 Profis, die für das erste US-Olympia-Gold seit damals sorgen sollen, war im Februar 1980 schon auf der Welt. „Wir wollen hier unser eigenes Kapitel schreiben“, blaffte Backes. Selbst Verteidiger Ryan Suter hat für den Coup vor 34 Jahren wenig übrig - dabei war sein Vater Bob einer der Heroen von Lake Placid. „Mein Dad hat nicht so viel darüber geredet. Ich habe mehr von Freunden und Lehrern erfahren“, sagte er.

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