Leichtathletik:"Rosi from the Black Forest"

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Erster Titel in der Erwachsenenklasse: Rosina Schneider (links) setzt sich bei den deutschen Hallenmeisterschaften in Leipzig vor Franziska Schuster und der restlichen Konkurrenz durch. (Foto: Axel Kohlring/Beautiful Sports/Imago)

Im Olympiajahr zeigen sich in der Leichtathletik neue Gesichter - wie Hürdensprinterin Rosina Schneider, 19, die einen ungewöhnlichen Weg eingeschlagen hat: zwischen den USA, Jamaika, Schwarzwald und Schwäbischer Alb.

Von Ewald Walker, Leipzig

Es gibt wohl nicht viele 19-jährige Leichtathletinnen hierzulande, die bei Welt- und Olympiasiegern in den Vereinigten Staaten im Training hospitieren - und vermutlich noch weniger, die sich dabei so rasch einen Namen machen. Rosina Schneider vom TV Sulz hat beides geschafft. Als sie im vergangenen Jahr einige Zeit in Gainesville in Florida verbrachte, bei Dreisprung-Olympiasieger Christian Taylor und dem dreimaligen Hürden-Weltmeister Grant Holloway, hatten sich die Gastgeber rasch auf einen Rufnamen für sie geeinigt: "Rosi from the Black Forest".

Es wird sich vermutlich nicht verhindern lassen, dass bald auch eine größere Öffentlichkeit in Schneiders Heimat ihren Namen kennenlernt. Bei den deutschen Hallenmeisterschaften zuletzt in Leipzig war die Jüngste im Feld auch die Schnellste mit persönlicher Bestzeit in 8,08 Sekunden, schneller auch als die Siegerinnen der vergangenen vier Jahre. Ihre Emotionen über ihren ersten deutschen Meistertitel in der Seniorenklasse entluden sich in einem lauten Jubelschrei. "Ich wollte eigentlich nur die Großen etwas ärgern, jetzt bin ich die beste deutsche Hürdenläuferin", sprudelte es aus ihr heraus. Keine ihrer erfolgreichen Vorgängerinnen wie Cindy Roleder, Carolin Nytra, Pamela Dutkiewicz und Kirsten Bolm sei im vergleichbaren Alter so schnell gewesen wie die junge Frau aus Wiesenstetten zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb, sagt der langjährige Bundestrainer Rüdiger Harksen.

In Kingston trainierte sie mit Shelly-Ann Fraser-Pryce, einer der erfolgreichsten Sprinterinnen der Historie

Zwischen Schwarzwald und Alb, in einem Ortsteil der Gemeinde Empfingen mit 450 Einwohnern, lebt Rosina Schneider bis heute mit ihrer Mutter und ihrem Bruder. Ihr Vater ist vor einigen Jahren bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen. Als Ausgleich zum fünfmaligen Training in Stuttgart, wo sie unter der Woche wohnt, sitzt sie zu Hause gelegentlich am Klavier. Im vergangenen Oktober, nach dem Abitur, packte sie dann die Rennschuhe ein und reiste, unterstützt von Landessportverband und Sponsor, für zehn Wochen in die USA und nach Jamaika. Mitgebracht hat sie viele Erfahrungen, die der 19-Jährigen auf dem Weg in die Spitze helfen sollen.

Schneider war in Gainesville in Florida, wo die einstige Siebenkämpferin Beate Schrott lebt, die früher von Schneiders Trainer Sven Rees betreut wurde - und heute ihren Mann und Dreisprung-Olympiasieger Christian Taylor trainiert. Taylor und Holloway, der in der vergangenen Woche seinen Weltrekord über 60 Meter Hürden brach, hätten viel Wissen mit ihr geteilt, sagt Schneider: "Sie haben mit mir über psychologische Aspekte und den Umgang mit Druck im Leistungssport gesprochen."

Weiter ging's nach Los Angeles, wo Schneider die Wettkampfstätten besuchte, auf denen sie 2028 bei den Olympischen Spielen selbst unterwegs sein möchte. Nach einer Visite in New York folgte noch ein Abstecher nach Kingston/Jamaika. Dort trainierte Schneider mit Shelly-Ann Fraser-Pryce, einer der erfolgreichsten Sprinterinnen der Leichtathletikgeschichte, und lernte, dass die Besten dort an einem Tag schon mal doppelt so lange trainieren wie Schneider derzeit in Stuttgart. "Vielleicht kann sich Rosina mit diesen Erfahrungen irgendwann ihren Olympiatraum realisieren", hofft ihr Trainer.

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Auf dem Land in Wiesenstetten hat man ihren Wert längst erkannt. Am Rathaus der 443-Seelen-Gemeinde hängt bereits ein Schild zu Ehren der bekanntesten Bürgerin, die im vergangenen Sommer mit zwei Goldmedaillen von der Junioren-EM in Jerusalem zurückgekehrt war. Mit dem deutschen Meistertitel von Leipzig wird das Plakat wohl schon bald ergänzt. Und dann?

An Talenten in der U20-Klasse mangelte es in der deutschen Leichtathletik in den vergangenen Jahren nicht; auch in Jerusalem landete der deutsche Nachwuchs mit 23 Medaillen auf Platz eins des Medaillenspiegels. Das größte Problem des DLV war zuletzt der Übergang in die Erwachsenenklasse, was auch das medaillenlose Debakel bei den vergangenen Weltmeisterschaften in Budapest unterstrich. Da kommt dem DLV jede Hoffnungsträgerin recht.

Cathleen Tschirch, WM-Bronzemedaillengewinnerin von 2009 in Berlin mit der Staffel, die Schneider neben Sven Rees trainiert, lobt das gute Umfeld in Stuttgart. "Wir wollen Rosina hier behutsam aufbauen", sagt die 44-Jährige. Schneider begann ihre Karriere als Sprinterin, in Jerusalem gewann sie auch Gold mit der Sprintstaffel. Die Hürden machte sie erst im vor einem Jahr zu ihrer Hauptdisziplin, wurde prompt U20-Europameisterin. "Die EM in Rom könnte jetzt schon ein Thema werden", sagt sie mit Blick auf die kommende Saison. Ihre Bestzeit von 13,06 Sekunden, mit der sie im vergangenen Jahr in Jerusalem gewann, wird sie vermutlich bald brechen. Ihren olympischen Traum will sie aber erst 2028 realisieren. Und auch beim DLV wird man ein wenig träumen.

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