Hochspringerin Jaroslawa Mahutschich:"Die Soldaten haben ihr Feld, wir Athleten die Kunststoffbahn"

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"Ich habe der Welt gezeigt, dass die Ukrainer stark sind, nicht aufgeben": Hochspringerin Jaroslawa Mahutschich bei der EM 2022 in München. (Foto: R. Schmitt/Beautiful Sports/Imago)

Hochsprung-Weltmeisterin Jaroslawa Mahutschich lebt und springt seit zwei Jahren wie im Exil - als Profisportlerin, die ihre Erfolge auch als politische Botschaften versteht.

Protokoll: Ewald Walker

"In den Morgenstunden des 24. Februar 2022 bin ich in Dnipropetrowsk, der viertgrößten Stadt der Ukraine rund 400 Kilometer südöstlich von Kiew, durch zwei heftige Detonationen aufgewacht. Es waren Bomben, die Russland in dieser Nacht auf die Ukraine niedergeworfen hat. Damit begann der bis heute andauernde Krieg. Ich habe eine Woche in einem Keller außerhalb der Stadt verbracht. Ich war wie in einem Burn-out. Dennoch habe ich mich mit meiner Trainerin Tatjana Stepanowa auf den Weg zur Hallen-WM nach Belgrad gemacht, über 60 Stunden und 2000 Kilometer im Auto. Zurückgelassen habe ich meinen Vater und meine Großmutter, meine Mutter und Schwester flüchteten nach Polen.

In Belgrad bin ich dann fast ohne Training Hallenweltmeisterin mit 2,02 Meter geworden. Die Goldmedaille war weit mehr als ein sportlicher Sieg: Ich habe der Welt gezeigt, dass die Ukrainer stark sind, nicht aufgeben, auch wenn ich bei der Siegerehrung hätte schreien können. Die Nachrichten vom Krieg haben meine Rückkehr nach Dnipro verhindert, seitdem sehe ich es so: Die Soldaten haben ihr Feld, wir Athleten die Kunststoffbahn, überall auf der Welt.

"Mein größter Traum handelt vom Ende des Krieges"

Mein Sportartikelausrüster holte mich damals nach Herzogenaurach, wo ich endlich wieder trainieren konnte. Sportlich verlief meine Karriere erfolgreich, mit Silber bei der WM in Eugene, EM-Gold in München und WM-Gold in Budapest. Ende des vergangenen Jahres bin ich für zwei Wochen nach Dnipro zurückgekommen, es gab viele Tränen der Freude und Erleichterung, als ich meinen Vater in die Arme schließen konnte. Auch wenn die Menschen zu Hause in Angst leben, mit Luftalarm, Raketenangriffen und zerstörten Straßen und Häusern - ich habe mich dort frei gefühlt. Ansonsten war ich sehr viel unterwegs in dieser Zeit, in China, Belgien, in den USA, im Trainingslager in Belek in der Türkei. Meine Mutter hat mich immerhin zweimal in Europa besucht.

Zuletzt bin ich aus Estland nach Deutschland gekommen, wo ich in Cottbus mit 2,04 Metern einen sehr guten Saisonstart hingelegt habe. Anfang März möchte ich in Glasgow meinen Hallen-WM-Titel verteidigen. Danach gibt es zwei weitere Titel, die wichtig sind für mich: der Olympiasieg und der Weltrekord. Mein größter Traum aber handelt vom Ende des Krieges und von unserem Sieg. Es ist der Traum aller Ukrainer."

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