Hallenmeisterschaften der Leichtathletik:Wieder die alte Malaika

Lesezeit: 3 min

Hallo Weltspitze, da bin ich wieder: Malaika Mihambo gewinnt in Leipzig ihren insgesamt 14. deutschen Meistertitel im Weitsprung. (Foto: Sebastian Willnow/dpa)

Malaika Mihambo landet nach ihrer Verletzungspause mit 6,93 Metern wieder in der Weltspitze. Doch die 30-Jährige hat bei den deutschen Hallenmeisterschaften ungewohnt viel Konkurrenz - zur Freude aller Beteiligten.

Von Ewald Walker, Leipzig

Wer in den vergangenen Tagen die Startliste für die deutschen Hallenmeisterschaften der Leichtathleten in Leipzig überflog, wurde womöglich stutzig, sobald der Blick beim Weitsprung der Frauen hängen blieb. An der Spitze der Meldeliste stand eine gewisse Laura Raquel Müller von der Unterländer LG, 19 Jahre, die die Hallensaison mit beachtlichen 6,81 Metern eröffnet hatte. An zweiter Stelle: Mikaelle Assani, SC Heel Baden-Baden. 21 Jahre, 6,72 Meter Saisonbestweite. Und erst an dritter Position: Malaika Mihambo von der LG Kurpfalz, die Lichtgestalt der deutschen Leichtathletik in den vergangenen Jahren - die bislang 6,65 Meter angeboten hatte.

Am Sonntagnachmittag waren die alten Kräfteverhältnisse dann wieder geradegerückt, hatte Mihambo mit 6,93 Metern ihren siebten nationalen Titel in der Halle und ihren 14. insgesamt gewonnen - und war damit auch wieder in der Weltspitze gelandet. Doch dass Mikaelle Assani nur zwei Zentimeter kürzer gesprungen war und Mihambo alles abverlangt hatte, war ein ungewohntes Bild - und auch ein Hoffnungsschimmer für die deutsche Leichtathletik im Olympiajahr.

Sechseinhalb Monate hatte Mihambo zuletzt auf Wettkämpfe verzichtet. Eine Muskelverletzung, die sie sich im Sommer bei den deutschen Meisterschaften in Kassel zugezogen hatte, zwang sie zu der langen Pause. Auch der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) wartete nach dem medaillenlosen Debakel der Weltmeisterschaften von Budapest sehnlich auf die Rückkehr der Olympiasiegerin von Tokio, zweimaligen Weltmeisterin, Europameisterin und dreimaligen Sportlerin des Jahres - Mihambos Glanz hatte auch immer auf ihren Sport hierzulande abgestrahlt und viele dunkle Flecken überdeckt.

SZ PlusDeutsche Leichtathletik
:Die Null bleibt stehen

Erstmals in der 40-jährigen Historie der Weltmeisterschaften gewinnen die deutschen Leichtathleten keine einzige Medaille. Die Probleme im Verband wurzeln tief - und haben sich lange angedeutet.

Von Johannes Knuth

Dass sie zu alter Stärke zurückfinden würde, hatte Mihambo indes nie bezweifelt. Ihre 6,93 Meter von Leipzig bedeuten nun schon wieder Platz zwei der aktuellen Weltjahresbestenliste hinter der US-Amerikanerin Tara Davis-Woodhall (7,18 Meter), zudem das beste deutsche Meisterschaftsergebnis unter dem Hallendach seit Heike Drechslers 7,05 Meter vor 30 Jahren. Doch dass es im Duell der 30-Jährigen mit ihren rund zehn Jahre jüngeren Herausforderinnen ein Krimi wurde, lag vor allem an Mikaelle Assani, die mit Sprüngen auf 6,81 und 6,91 Meter über sich hinauswuchs. Mihambo konterte jedoch zweimal mit 6,83 und 6,93 Meter - im Stile eines Champions. "Nach der auskurierten Verletzung war das Selbstvertrauen jetzt wieder da, ich hoffe auf eine starke Saison", kommentierte sie ihren Wettkampf. "Das war heute wieder die alte Malaika", freute sich ihr Trainer Ulli Knapp. Man habe im Training noch einmal an der Kraft und vor allem am Anlauf gearbeitet, den sie zuletzt oft unstetig gestaltet hatte. Nun sei sie in ihrem Anlauf "wieder sehr schnell geworden", sagte Mihambo in Leipzig.

Mihambo nutzte ihre Auszeit gewinnbringend - sie reiste und schrieb ein Buch

Drei deutsche Weitspringerinnen unter den besten acht der Welt, "das hatten wir noch nie", hatte Bundestrainer Knapp noch weitere frohe Kunde zu vermelden - auch wenn viele Konkurrentinnen wohl bald nachziehen werden und die bisherige Jahresbeste Laura Raquel Müller mit 6,48 Metern diesmal nicht in den Titelkampf eingreifen konnte. Und trotzdem: Mikaelle Assani hatte in Leipzig jene Bestweite von 6,91 Meter, die sie seit dem vergangenen Jahr wie einen Rucksack mitgeschleppt hatte, wieder bestätigt. "Ich kann es kaum glauben, was heute passiert ist", sagte sie. Auch ihr Trainer Udo Metzler war beeindruckt: "Es war der beste Wettkampf ihres Lebens", sagte er. Der ehemalige Oberstudienrat ist auch angetan vom Verhältnis der sportlichen Konkurrentinnen. Mihambo sei wie eine große Schwester, sagte Metzler. Das ist ja seit jeher ein Erfolgsrezept der 30-Jährigen: die Konkurrenz besser zu machen, sodass es einen selbst zu Höchstleistungen trägt.

Flog in Düsseldorf fast an die 7-Meter-Marke heran: Malaika Mihambo. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Ein anderes Rezept: Mihambo hat immer auch über den Sport hinausgeblickt. Ihre jüngste Auszeit nutzte sie, um ihr erstes Buch zu schreiben ("Spring dich frei"). Sie schildert darin ihre Lebensgeschichte, in der sie auch von Rassismuserfahrungen in der Kindheit aufgrund ihrer Hautfarbe berichtet. "Sich freizuspringen heißt, sich von gesellschaftlichen Erwartungen loszumachen", lautet ihr Credo. Im vergangenen Sommer hatte sie nach der verpassten WM ihre Weltreise, die sie seit Jahren mit gewissen Pausen unternimmt, fortgesetzt. Diesmal in Mexiko. Auch dort hat man die Ausnahmesportlerin erkannt, wie sie erzählt.

Jetzt sind erst mal wieder die Weichen für weite Sprünge gestellt. "Das wird ein Leichtathletik-Superjahr", weiß Mihambo. Die Europameisterschaften in Rom (5. bis 12. Juni) seien eher eine Zwischenstation auf dem Weg zu den Olympischen Spielen in Paris (1. bis 11. August). Wie die Kräfteverhältnisse bis dahin am besten aussehen sollten aus Mihambos Sicht, kann man sich denken.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSportförderung in Deutschland
:Kahlschlag im Kader

Nach zuletzt ernüchternden Ergebnissen hat der deutsche Leichtathletikverband sein Fördersystem verschärft. Doch Leidtragende sind auch die, die künftig international erfolgreich sein sollen. Eine Fallstudie aus dem olympischen Unterbau.

Von Johannes Knuth

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: