Özil-Debatte:Und sie wollen nicht wirklich etwas sagen

Lesezeit: 3 min

Thomas Müller im Trainingslager des FC Bayern. (Foto: dpa)
  • Im Trainingslager des FC Bayern äußern sich Manuel Neuer und Thomas Müller nur widerwillig zum Rücktritt ihres Teamkameraden Mesut Özil.
  • Beide wirken genervt von der Debatte und bestreiten Rassismus in der Nationalmannschaft - was aber auch nie jemand behauptet hatte.
  • Thomas Müller spricht von einer "heuchlerischen Diskussion".

Von Benedikt Warmbrunn, Rottach-Egern

Ganz am Ende spricht Thomas Müller noch einmal über Deutschland. "Ich bin ja auch in Deutschland aufgewachsen", sagt der Mann vom Ammersee, er weiß daher: "Der lange Ball zum richtigen Zeitpunkt hat schon was Gutes."

Müller sitzt am Freitagmittag in der Gartenanlage des Hotels "Überfahrt", vor der heißen Sonne schützt ihn eine Holzüberdachung. Müller ist gut gelaunt, er spricht ausführlich über diverse Themen, fast eine halbe Stunde lang. Am Ende darf er über die Dinge sprechen, über die er endlich wieder ausschließlich reden will, über den Fußball. Also redet er über seine Lieblingsposition (nicht unbedingt auf der rechten Seite) und über Ballbesitzfußball, den er gut findet, wenn er funktioniert, den er aber noch besser findet so wie er vom neuen Trainer Niko Kovac bevorzugt wird, als ein Stilmittel von vielen. "Wir wollen in Situationen auch tiefer verteidigen und dann, wenn wir den Ball gewinnen, den Gedanken haben, dass wir mit Tempo in die Schnittstellen reingehen."

#MeTwo
:Mesut Özil, das doppelte Symbol

Je mehr über den Fall Özil ans Licht kommt, desto weniger lässt sich die Opfer-Geschichte aufrechterhalten, die als Vorlage für viele Alltagsrassismus-Berichte dient. Der DFB hat den Spieler alleingelassen, aber ebenso umgekehrt.

Kommentar von Claudio Catuogno

Gesprochen hat Müller aber auch über Mesut Özil.

Vor knapp zwei Wochen ist Özil aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft zurückgetreten, es gab danach ein paar freundliche Dankesworte, zum Beispiel von Jérôme Boateng. Ansonsten verabschiedete die Nationalelf diesen Spieler, der 92 Mal für sie aufgelaufen ist, der mit ihr 2014 den WM-Titel gewonnen hat, der einer der deutschen Spieler mit den besten Werten beim Turnier in Russland war, mit einem unüberhörbaren Schweigen.

In einer Debatte, die über die Grenzen des Fußballs hinausgewachsen ist, in der etwa Menschen in den sozialen Netzwerken unter dem Hashtag #metwo über Alltagsrassismus in Deutschland berichten, betonte wochenlang keiner der Führungsspieler, welche bindende Kraft der Sport haben kann. Hinter Özil, der nach dem umstrittenen Foto mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan ausgepfiffen worden war, der in den sozialen Netzwerken, aber auch von Politikern aufgrund seiner türkischen Wurzeln beleidigt worden war, stellte sich öffentlich niemand. Nicht der Kapitän Manuel Neuer, nicht Führungsspieler wie Mats Hummels oder eben Müller. Auch Bundestrainer Joachim Löw übrigens noch nicht.

Seit Donnerstag ist der FC Bayern in Rottach-Egern im Trainingslager, am Sonntag (20.15 Uhr) testet er gegen Manchester United in der Arena. Zum Programm gehört in diesen Tagen auch: das öffentliche Sprechen. Am Donnerstagabend hatte Neuer sich geäußert, am Freitagmittag redet Müller - zwei der meinungsstärksten Spieler der Nationalelf. Doch sie äußerten sich nur widerwillig, sie erweckten den Eindruck, dass sie ziemlich genervt davon sind, dass sie dieses Foto und die anschließende Debatte nun schon seit zweieinhalb Monaten begleitet. Sie sprachen wie zwei, die kein Bewusstsein dafür haben, welche Dimension die Debatte inzwischen angenommen hat.

"Für die, die alles gelesen haben, war dieses Thema sehr anstrengend", sagte Neuer. Und: "Es war Urlaub angesagt, und es wurde nicht gefragt. Ich habe gelernt, dass man nichts sagen muss, wenn man nicht gefragt wird. Wenn man die Stimme erhebt, dann intern, mit den richtigen Worten." Weil er dann nach den Rassismus-Vorwürfen, die Özil erhoben hatte, gefragt wurde, sagte auch Neuer etwas, und zwar: "Ich kann nur sagen, dass er das in der Mannschaft überhaupt nicht erfahren hat. Wir haben immer versucht, alle zu integrieren. Wir haben für unsere Mitspieler auch alles getan, damit jeder mit einem guten Gefühl in die Spiele geht."

Auch Müller betont, dass es in der Mannschaft selbst keinen Rassismus gegeben habe, obwohl das niemand behauptet hatte. Özil und auch Ilkay Gündogan "haben wir das Gefühl gegeben, dass wir sie unterstützen". Müller sagt, dass "die Protagonisten keine glückliche Rolle gespielt haben, egal ob auf Seiten des Verbandes oder die Spieler selbst". Dann klagt er über "eine heuchlerische Diskussion, die auch von den Medien getragen wird". Das Thema sei "genüsslich breitgetreten" worden, "bis wir den Scherbenhaufen haben". Müller steigert sich immer weiter rein, er sagt, dass er einen "Vogel kriege, wenn wir uns selbst zerfleischen". Er steigert sich allerdings nicht so weit rein, als dass er zu einem der Kernthemen durchdringt: Der Frage, ob man sich als Nationalteam nicht entschiedener gegen all die Rassisten und Pöbler hätte positionieren sollen, die den Fall Özil längst für ihre Sache gekapert haben. Auf Nachfragen weicht Müller aus.

Ob er Özil in der Nationalelf vermissen werde? Müller spricht darüber, dass sich der Trainer eine Einheit zusammenstelle, dass es Jahr für Jahr Neuerungen gebe, schließlich sagt er: "Bisher war es so, dass Mesut aus Trainersicht dazugehört hat."

Als Müller über das spricht, über das er sprechen will, den Fußball, sagt er, dass sie beim FC Bayern "eine mündige Mannschaft" hätten, er bezieht das darauf, dass es ihm egal ist, wo sie trainieren, ob in China oder am Tegernsee. Das sind die Themen, über die er gerne redet.

© SZ vom 04.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Fußball
:DFB bekommt Hilfe beim Krisenmanagement

Der Verband reagiert auf die Kommunikationsfehler im Fall Mesut Özil - und hat ein PR-Unternehmen angeheuert, das auch den Autokonzern VW im Dieselskandal berät.

Von Thomas Kistner

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: