Nürnbergs Trainer Dieter Hecking:Verbale Notwehr zum Wohl des Clubs

Lesezeit: 3 min

Kaum einer seiner Vorgänger füllte sein Amt nach außen hin so zurückhaltend aus wie Nürnberg-Trainer Dieter Hecking. Zuletzt sah er sich jedoch gezwungen, seinen Spielern öffentlich ins Gewissen zu reden. Dabei ist ihm vor allem eines zuwider: Theatralik.

Christoph Ruf

Muss dann doch mal laut werden: Nürnbergs Trainer Dieter Hecking. (Foto: dapd)

In den vergangenen Tagen ist sich Dieter Hecking gleich zweimal untreu geworden. Wobei der erste Sündenfall nicht mit dem zweiten zu vergleichen ist, wie der Nürnberger Coach findet. Dass er seine Mannschaft nach dem 0:3 in Freiburg fulminant in den Senkel gestellt hat, findet Hecking heute noch richtig. Dass er ein paar Tage zuvor bei einer Pressekonferenz seinen Offensivmann Alexander Esswein namentlich kritisiert hat, bedauert er hingegen. Er habe so dazu beigetragen, sagte Hecking am Donnerstag, dass das Bild eines Vereins entstehen konnte, der mit sich hadert.

Ein Lapsus also - wenngleich kein so gravierender wie jener des Spielers Robert Mak, der den Coach nach seiner Auswechslung auf dem Kurznachrichtendienst Twitter beschimpfte ("verdammter Trainer"). Und der sich offenbar in den Tagen danach nicht erwachsener verhielt, weshalb er bis auf Weiteres in der Regionalliga-Mannschaft Dienst tun muss.

Am Sonntag, beim Spiel gegen den FC Augsburg, sollte nun ein Sieg her, damit die Dinge im Fränkischen wieder ins Lot geraten. "Dann haben wir aus acht Spielen zehn Punkte und sind wieder genau da, wo wir uns einordnen." Auch für Dieter Hecking persönlich wäre ein Dreier eine feine Sache: Am Sonntag feiert er sein 150. Spiel als Club-Trainer. Ende der Saison hätte er Heinz Höher als bisher dienstältesten FCN-Trainer abgelöst. Fast drei Jahre wirkt der Westfale nun also bei diesem Verein, der auch schon mal sechs verschiedene Trainer binnen 33 Monaten beschäftigte. Kaum einer seiner Vorgänger füllte sein Amt öffentlich so zurückhaltend aus wie Hecking, der von sich selbst sagt, er habe zu Beginn seiner Karriere "nicht jedem Journalisten eine Antwort geben wollen, um die Dinge nicht zu befeuern".

FC Bayern in der Einzelkritik
:Wenn Franck Ribéry für Albträume sorgt

Mario Mandzukic verlebt einen stressfreien Nachmittag, Franck Ribéry hinterlässt bleibenden Eindruck in der Düsseldorfer Abwehr und Jérôme Boateng hat Zeit für ein Schwätzchen mit Manuel Neuer. Die Spieler des FC Bayern beim 5:0 gegen Düsseldorf in der Einzelkritik.

Hendrik Buchheister

Seinen Kollektiv-Weckruf nach dem Freiburg-Spiel würde Hecking aber jederzeit wiederholen. Verbale Notwehr sei das gewesen angesichts eines Ensembles, das nach fulminantem Saisonstart (sieben Punkte aus drei Spielen) viermal verlor - und bei der vierten Niederlage wirkte, als schaue es sich sein eigenes Spiel gemütlich von der Couch aus an. "Wir sind eine Mannschaft, die von der Laufbereitschaft lebt, davon, dass sie immer versucht, alles dagegenzusetzen. Ob das zum Sieg reicht, ist die andere Frage, aber ohne all das, haben wir schon vor dem Anpfiff verloren."

Hecking wird von seinen Spielern als eher strenger Trainertyp beschrieben. Aber auch als einer, der in Einzelgesprächen zuhört und auf die Stimmungslage im Team flexibel reagiert. Weiche Trainer werden von Fußballern gerne verspottet, autoritäre werden wegmobbt - man ahnt daher, dass so eine Beschreibung wie bei Hecking nah an der Liebeserklärung liegt.

Zumal es die Nürnberger Profis schätzen, dass sich da ein Trainer wirklich mit ihnen beschäftigt. Als er Alexander Esswein zu Vertragsverhandlungen begrüßte, traf Hecking auf einen selbstbewusst-fröhlichen Mann, der wusste, dass er am Aufstieg von Dynamo Dresden in die zweite Liga maßgeblich beteiligt war. Was er nicht wusste: Hecking hatte ihn dort beim Training mehrfach beobachten lassen. Und sprach ihn nun auf das an, was die Scouts berichtet hatten: Esswein habe mehrfach nach Anweisungen von Trainer Ralf Loose abfällige Handbewegungen gemacht. Man darf getrost davon ausgehen, dass er das in Nürnberg unterlässt.

Schon vor seinem Wechsel unter strenger Beobachtung: Nürnbergs Alexander Esswein (li.) (Foto: Bongarts/Getty Images)

Auch Philipp Wollscheid, einer der Hochbegabten, den der Club erst ausbildete und dann im Sommer nach Leverkusen verkaufte, wurde von Hecking einst gemaßregelt, als er nach einem missratenen Dribbling einer Slalomstange Gewalt antat. Hecking fand, dass sich da einer in Theatralik zu verlieren drohte, der zuvor in jeder Trainingseinheit an seinen Schwächen gefeilt hatte.

Noch im Sommer wirkte Hecking etwas säuerlich, wenn er über das Große und Ganze beim FCN reden sollte. In den Saisonrückblicken war mal wieder fast jeder Verein gewürdigt worden - positiv oder negativ. Nur die angeblich so graue fränkische Maus war mal wieder keinen aufgefallen. Dabei hatte sein Team trotz der Abgänge dreier Leistungsträger (Ilkay Gündogan, Mehmet Ekici, Julian Schieber) Rang zehn belegt. In der öffentlichen Wahrnehmung gab es dafür nicht das kleinste Lorbeerblättchen. Dafür prägte Gündogan, kaum hatte er die ersten guten Spiele für Dortmund gemacht, die Schlagzeilen. "Dabei", sagte Hecking damals, "war er vorher bei uns schon sensationell." Nun könnte Philipp Wollscheid bald eine Chance im Nationalteam bekommen. Und nicht nur Verschwörungstheoretiker ahnen, dass da ein Leverkusener Trikot hilfreicher ist als eines vom Club.

Zu Hecking wiederum scheint der Lieblingsspruch der Franken zu passen: "Passt scho". Eine Aussage, von der keiner genau weiß, ob sie ein Lob sein soll. Man kann sich gut vorstellen, dass es Phasen im Trainerleben des Dieter Hecking gab, in denen er sich gefragt hat, warum sein Name nicht fällt, wenn Vereine aus dem oberen Tabellendrittel einen neuen Übungsleiter suchen. Dass er ein Team entwickeln und aus den Gegebenheiten das Optimum gerausholen kann, hat er beim "derzeit besten Ausbildungsverein der Liga" (Jürgen Klopp) jedenfalls hinreichend bewiesen.

© SZ vom 20.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: