Nordische Ski-WM:Katharina Althaus überlistet die Blockade

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Weitenjägerin: Weltmeisterin Katharina Althaus segelt seit Wochen auf einem Luftkissen des Erfolgs - und am Samstag steht schon das Teamspringen der Frauen an. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

"Ich bin schon oft knapp Zweite geworden - aber heute nicht": Skispringerin Katharina Althaus holt bei der WM in Planica auf der Normalschanze endlich ihren ersten großen Einzelerfolg.

Von Volker Kreisl

Schließlich kam es zum letzten Sprung, zum finalen Duell. Die eine wartete bereits unten, die andere konzentrierte sich circa 200 Meter entfernt oben auf dem Balken über der Anlaufspur. Die unten, das war Katharina Althaus, oben saß die etwas überraschend gut gesprungene Norwegerin Anne Odine Ström. Die Freigabe dauerte noch ein bisschen, dann ließ sich Ström in die Spur fallen.

Schon das dauerte lange, worauf Ström dann eine Strecke, mindestens so weit wie ein Zugvogel, nach dem Absprung zu bewältigen schien, bis sie endlich landete. Und abermals ging das Warten weiter, weil sie fast genau auf der grünen Linie, also auf der computerberechneten Mindestweite für Platz eins, aufgekommen war. Nicht ganz ideal war Ströms Haltung, doch würde das den Ausschlag geben?

Katharina Althaus war in diesem Moment schon eng umringt von ihren Teamkolleginnen, von Selina Freitag, Anna Rupprecht, Luisa Görlich und einigen anderen, die wohl ahnten, dass sich hier, bei der WM in Planica in Slowenien, nun zumindest fürs Team, die Betreuer und die Familie eine Sensation anbahnte, weshalb man Althaus vielleicht gleich mit dem Armen auffangen musste. Aber es dauerte immer noch, die übliche Siegerverkündung per digital steigendem Balken wurde erst noch eingespielt und dann - war es so weit.

Ein guter Sprung, nur darum gehe es, sagte Althaus, bis man's nicht mehr glauben konnte

Althaus, gedrückt vom Team, ließ die akute Spannung, die allgemeine Anstrengung des Tages, die lange Phase der Enttäuschung der vergangenen Jahre einfach los und begann vor Glück zu heulen, aber richtig. Wie eine Athletin wirkte sie, die gerade weit mehr geschafft hatte als nur diesen einzelnen Sieg. Althaus zählte zwar schon länger zur Weltspitze, aber dieser Abend hatte etwas in ihr gelockert. Dann sackte sie im Zielraum hinter der Absperrung des Athletenbereichs doch nach unten weg, verbarg das Gesicht hinter den Händen und heulte weiter, ganz für sich.

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Mehrmals hatte sie versucht, ein Einzel bei WM oder Olympia zu gewinnen, dreimal war sie Zweite geworden, man kann sagen, sie war nahe dran, den unsinnigen Titel "Ewige Zweite" verpasst zu bekommen. Immer wieder hatte sie es wiederholt, hatte betont, die Sache mit dem Sieg sei ihr gar nicht so wichtig - ein guter Sprung an sich, darum ginge es, bis man es irgendwann nicht mehr glauben konnte. Doch Althaus zog ihre Taktik gegenüber dem Schicksal durch, sie blieb immer freundlich und sachlich, bis zu diesem WM-Auftakt-Donnerstag im Februar 2023, über den sie spontan sagte: "Ich kann noch gar nicht ganz kapieren, was passiert ist."

Etwas später dann, als sie's kapierte, fuhr sie fort und gab einen Einblick in ihre List gegen die eigene Blockade oder auch einfach das Pech: "Es war gar nicht so im Kopf, weil ich mir denke: Bevor ich Vierte, Fünfte, Sechste werden, werde ich lieber Zweite." Immer bescheiden bleiben, Platz eins ist nur Dreingabe - diesmal aber hatten die knapp verpassten Titel tatsächlich keine Wirkung mehr. Das bewies nicht nur Althaus' Finalsprung, sondern dieser gesamte erste WM-Abend.

Sie hatte ja schon den letzten Vorbereitungssprung mit Bravour bewältigt, rund zehn Punkte war sie vor der Zweitplatzierten gelandet. Dann ging es in den eigentlichen Wettkampf, und Althaus schien im ersten Durchgang wieder etwas nachzulassen. Zweite wurde sie hinter Ström, zudem war Eva Pinkelnig, die stets extrovertiert auftretende und im Weltcup dominierende Österreicherin, plötzlich auch wieder dabei im Springen um Gold.

Da oben ist ihr Metier, das Ausnutzen der anströmenden Luft, auf die sie sich legen kann

Es war also noch lange nicht vorüber, der Finaldurchgang brach nach kurzer Pause an, der Wind drehte sich fortwährend, und als dann nur noch Althaus und Ström oben standen, fokussierte sich die Deutsche offenbar komplett auf das unmittelbar Bevorstehende und wohl weniger auf den Gedanken, wie nahe sie wieder einem ganz eigenen Sieg bei einem Einzel-Großereignis war. Sie tat das, was immer ansteht, nämlich: "Sobald ich die Ski anschnalle, bin ich komplett bei mir."

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Es ging ja darum, der in bester Form segelnden Ström eine Aufgabe zu stellen, der die Norwegerin und letzte Springerin des Abends nicht gewachsen war. Und das gelang Althaus hervorragend. Anders als es sich Bundestrainer Maximilian Mechler vielleicht gewünscht hatte, verzichtete sie wie schon zuvor auf einen großen Satz nach oben in die Luft, sondern konzentrierte sich auf das, was sie intuitiv am besten kann: Fliegen. Das da oben ist ihr Metier, das Ausnutzen der anströmenden Luft, das Kissen, auf das sie sich legen kann, oder aber auch, wie an diesem Abend, das Gegenteil: Das Trotzen gegenüber dem Rückenwind, der ihr nun tatsächlich wieder die Hoffnungen verderben konnte, weil er nun deutlich stärker blies - Althaus holte alles heraus. Dann war endlich auch Ström gelandet, mit noch schlechterem Wind, aber auch miserablen Haltungsnoten, woraus schließlich für Katharina Althaus aus Oberstdorf die kleine, emotionale Party noch unten in der Aktiven-Zone entstand.

"So ist es natürlich viel geiler, dass es einfach mal funktioniert hat und das Glück auf meiner Seite war. Ich bin schon oft knapp Zweite geworden - aber heute nicht", vollendete sie später ihr Statement dieses Abends. Und nachdem sich alles wieder etwas beruhigt hatte, dürfte sie bald an die nächsten Aufgaben gedacht haben. An die Teamwettkämpfe an diesem Samstag (12.15 Uhr, Team) und Sonntag (17 Uhr, Mixed) und das Fliegen Mitte der Woche auf der Großschanze, das ja eigentlich ihre Leidenschaft ist.

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