Leipzigs Nkunku im DFB-Pokalfinale:Besser als Lewandowski

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Alleine in der Bundesliga erzielte Christopher Nkunku in dieser Saison 20 Treffer. (Foto: Ballasch/Fotostand/Imago)

Angreifer Christopher Nkunku entwickelte sich bei RB Leipzig so gut, dass ihn die Bundesliga nun als Spieler der Saison auszeichnet. Dank seines Antritts, der Arbeit im Kraftraum und einer veränderten Position.

Von Javier Cáceres, Berlin

Im Sommer 2019 reiste Paris Saint-Germain zu einem Freundschaftsspiel nach Dresden, und der damalige PSG-Trainer Thomas Tuchel freute sich für einen Spieler, der ihn soeben verlassen hatte. Nicht, dass er keine Verwendung für ihn oder kein Vertrauen in dessen Zukunft gehabt hätte. Im Gegenteil: Er schwärmte in höchsten Tönen von dem Mann, der gerade das Trikot von PSG gegen das Jersey von RB Leipzig eingetauscht hatte. Aber: Tuchel war sich auch sicher, dass es diesem Spieler guttun würde, eine andere Fußballkultur, ein anderes Land, andere Trainer kennenzulernen. Aus der französischen Heimat auszubrechen und anderswo zu reifen. Von wem da die Rede ist? Voilà: Christopher Nkunku, 24.

Der Franzose wurde vor wenigen Tagen von den Bundesligakapitänen, Fans und einer Experten-Jury zum Spieler der Saison gekürt - in einer Umfrage, die vom Arbeitgeberverband Deutsche Fußball-Liga (DFL) in Auftrag gegeben worden war. Selbst Bayern Münchens Angreifer Robert Lewandowski landete hinter ihm. Verwundern kann das nicht: Nkunkus Arbeitsnachweis in der letzten Spielzeit war überragend.

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Er kam an allen 34 Spieltagen zum Einsatz und erzielte 20 Treffer, lieferte 16 Vorlagen. In der Champions League traf Nkunku sieben, in der Europa League vier Mal, und es ist noch lange nicht gesagt, dass seine Ausbeute im DFB-Pokal sich am Ende auf drei Treffer beschränken wird. Am Samstag spielt RB Leipzig im Endspiel von Berlin gegen den SC Freiburg um den ersten Titel der kurzen Vereinsgeschichte.

"Die Wahrscheinlichkeit ist schon da, dass er morgen spielt", erklärte Leipzigs Trainer Domenico Tedesco am Freitag in Berlin bei der Pokalpressekonferenz, und zwinkerte zumindest im übertragenen Sinne mit dem Auge. Und noch etwas anderes sagte er, was nicht ganz ernst gemeint war: "Seitdem ich hier bin, ist er komplett explodiert", erklärte Tedesco. "Kleiner Spaß", schob er zur Sicherheit nach.

Nkunkus Beitrag zu den Leipziger Erfolgen unter Tedesco war fürwahr bemerkenswert. Aber: Zu den bemerkenswerten Phänomenen der laufenden, von Komplikationen geprägten Leipziger Saison gehört auch, dass Nkunku sich schon zuvor, unter dem umstrittensten Trainer der bisherigen RB-Vereinsgeschichte, in atemraubender Weise weiterentwickelt hatte. Unter Jesse Marsch, der Anfang Dezember in Leipzig abgesetzt wurde und nun bei Leeds United angestellt ist.

Unter Marschs Vorgänger Julian Nagelsmann, heute Trainer beim FC Bayern, war Nkunku in der vergangenen Saison eher rund um den Strafraum und vor allem auf den Flügeln zu finden gewesen. Wobei Nagelsmann eine Detailverliebtheit an den Tag legte, die Nkunku offenkundig erstaunte. In einem seiner überaus seltenen Interviews berichtete er der französischen Sportzeitung L'Équipe im Februar, dass ihm vor allem eine Szene aus der Aufbereitung eines Spiels gegen Manchester United in Erinnerung geblieben sei. "Er sagte zu mir: 'Okay, du hattest eine gute Position, aber die beste Position war zwei Meter weiter rechts.' Das ist Nagelsmann: Auf zwei Meter genau."

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Marsch hingegen schob den Franzosen mit kongolesischen Wurzeln weiter nach vorn in den Strafraum. Es spielte keine kleine Rolle, dass Nkunku in der Zeit der Pandemie an der Stählung des eigenen Körpers gearbeitet hatte, sich also auch in die Strafräume trauen konnte, ohne dort von finster dreinblickenden Ausputzern weggefegt zu werden wie Herbstlaub. Offenkundig war diese kleine, aber feine Positionsveränderung auch eine Frage direkter und intensiver Kommunikation. Marsch war in Leipzig in das gleiche Mietshaus eingezogen, in dem auch Nkunku wohnt. Mehr noch: Nkunku überließ Marsch seine Mietwohnung und zog mit seiner Kleinfamilie ein paar Stockwerke nach oben.

In jedem Fall war unübersehbar, dass Nkunku unter Marsch erstmals über einen langen Zeitraum hinweg all die Qualitäten ausschlachtete, die ihn nun mit einiger Verzögerung bis in die französische Nationalelf gebracht haben. Im März verschaffte ihm Nationaltrainer Didier Deschamps in einem Freundschaftsspiel gegen die Elfenbeinküste das Debüt.

"Christopher hat bei PSG und auch in Clairefontaine, der Jugendakademie des französischen Verbandes, ein großartiges Rüstzeug mitbekommen", sagt Bertrand Reuzeau, der von 2005 bis 2016 Direktor des Nachwuchszentrums von PSG war. "Vor allem hat er eine Qualität, die herausragend ist: eine spektakuläre Beschleunigung auf den ersten drei Metern. Sie erlaubt ihm, nach dem ersten Kontakt einen Rhythmuswechsel vorzunehmen, dem nur wenige folgen können."

Dass sich Nkunku unter Tedesco noch einmal steigern und in einem guten halben Jahr in 20 Bundesligaspielen 14 Treffer erzielen konnte, liegt auch daran, dass die Mannschaft besser funktioniert als unter Marsch. Da war Nkunku auf sechs Tore in 14 Spielen gekommen. "Es ist nicht so schwierig zu identifizieren, wer die Spieler sind, die auf einem sehr, sehr guten Niveau das Spezielle machen und am laufenden Band Tore schießen. Das macht Christo bei uns", sagte Tedesco. Der RB-Coach unterstrich nicht zum ersten Mal, dass Nkunku "auch nur Tore schießen kann, wenn die Mannschaft funktioniert. Christo ist oft der Nutznießer einer Kette, die aufeinander abgestimmt ist."

Ein solcher Spieler weckt auch anderswo Begehrlichkeiten; es hat in den vergangenen Monaten kaum einen europäischen Spitzenklub gegeben, mit dem Nkunku nicht in Verbindung gebracht worden wäre. Umso wichtiger war es, dass Leipzig am Ende der Saison doch noch die Qualifikation für die nächste Champions League bewerkstelligen konnte, vor dem Pokalgegner Freiburg auf dem vierten Tabellenplatz landete. Denn das erlaubt es den Leipzigern, Nkunku nicht nur bessere Bezüge, sondern auch eine attraktive sportliche Perspektive zu bieten.

Aktuell läuft Nkunkus Vertrag bis Sommer 2024; Leipzigs Bosse sind beseelt von der Idee, das Arbeitsverhältnis auszubauen, bei verbesserten Bezügen. Es heißt, dass Leipzig im Falle einer Vertragsverlängerung eine Ausstiegsklausel verankern würde, die es Nkunku schon im Sommer 2023 erlauben könnte, den Klub gegen gutes Geld zu verlassen. Ähnlich war RB schon einmal im Falle von Timo Werner verfahren, der heute beim FC Chelsea spielt. In jedem Fall gibt sich RB schon seit Wochen und auch am Vorabend des Pokalfinales überzeugt, dass Nkunku bleiben wird. Der Angreifer wiederum erzählte in dieser Woche in einem Interview mit der L'Équipe, dass er sich bei RB sehe, wenn die Saisonvorbereitung beginnt - er ergänzte dies allerdings um die beiden Wörtchen "im Moment".

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