Nils Schmadtke bei Mönchengladbach:Eine Familiengeschichte

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Die Stelle als Sportdirektor bei Mönchengladbach ist die erste Aufgabe im Rampenlicht der Bundesliga für Nils Schmadtke. (Foto: Ulrich Hufnagel/Imago)

Vater Jörg war bei Borussia Mönchengladbach und später Sportdirektor, Sohn Nils ist nun Sportdirektor bei Borussia Mönchengladbach. Über einen 34-Jährigen, der das Profifußballgeschäft schon als Kind kennenlernte.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Nils Schmadtke ist erst 34 Jahre alt, aber trotzdem schon irgendwie 34 Jahre lang im Fußballgeschäft. Der junge Fußballmanager ist schon ein Routinier, auch wenn der Job als Sportdirektor bei Borussia Mönchengladbach, den er vor sieben Monaten begann, seine erste Aufgabe dieser Größe ist. Schmadtke hat den Profifußball bereits als Kind und Jugendlicher in nahezu allen Facetten kennengelernt. Er sagt: "Ich wurde sehr früh mit dem Fußballfieber angesteckt."

Der Grund ist natürlich: Nils Schmadtke ist der Sohn eines prominenten und erfolgreichen Vaters. Jörg Schmadtke, 59, war früher Bundesliga-Torwart bei Fortuna Düsseldorf und dem SC Freiburg und später Sportchef bei Alemannia Aachen, Hannover 96, dem 1. FC Köln und dem VfL Wolfsburg. Gerade hat er nach der Rücktrittsankündigung von Trainer Jürgen Klopp seine Aufgabe als Sportdirektor beim FC Liverpool beendet.

Das Leben von Nils Schmadtke war sozusagen vorbestimmt. Irgendwann hatte er mal die Idee, Psychologie zu studieren, aber mehr als ein Gedanke wurde daraus nicht. Als Kind ist er mit dem Vater oft zum Training gegangen, war bei den Heimspielen im Stadion und überhaupt früh Teil der eigentlich geschlossenen Profifußball-Blase. Er bewegte sich wie selbstverständlich zwischen berühmten Spielern. Als der Vater später Manager wurde, begleitete der Sohn ihn auch dort gelegentlich zu Spielbeobachtungen oder Besprechungen. "Als Jugendlicher bin ich oft mit ihm mitgefahren", erzählt Nils Schmadtke, "und wenn er Gespräche geführt hat, habe ich drei Tische weiter gesessen und Hausaufgaben gemacht." Er hatte eigentlich gar keine andere Chance, als selbst im Fußball-Business zu landen. "Natürlich prägt einen das fürs Leben", sagt er über seine Kindheit mit dem Fußballervater. Er klingt nicht unzufrieden.

Es gibt bemerkenswerte Parallelen im Leben von Vater und Sohn. Beide wurden an einem 16. März in Düsseldorf geboren, beide waren erst Torwart und später Fußballmanager. Beide arbeiteten zur selben Zeit für Hannover 96, den 1. FC Köln und den VfL Wolfsburg, der Vater als Sportchef, der Sohn als Scout. Beide haben eine frühe Verbindung zu Borussia Mönchengladbach. Jörg Schmadtke war dort Ende der Neunzigerjahre mal Co-Trainer von Rainer Bonhof, Nils Schmadtke ab 2006 zwei Jahre A-Jugend-Torwart, wohnte im Borussia-Internat; ab 2019 war er in Gladbach ein Jahr lang Scout. Er kannte also das Umfeld und viele Menschen dort schon, als er im vergangenen Sommer als Sportdirektor anheuerte. Dieser Job in Mönchengladbach ist nun die Chance, aus dem Schatten des Vaters hervorzutreten.

"Ich muss noch viel lernen", sagt Nils Schmadtke über seine ersten Monate bei Borussia Mönchengladbach

Für die Torwart-Profikarriere hat es bei Nils Schmadtke nicht gereicht, umso intensiver hat er den Profisport aus vielen Perspektiven kennengelernt. Er hat ein Fachhochschulstudium in Sport- und Eventmanagement abgeschlossen, war kurz bei einer österreichischen Berateragentur, hat dreieinhalb Jahre als Scouting Manager für einen Sportartikelkonzern gearbeitet, später war er Scout für Hannover, Köln, Gladbach, Wolfsburg. Aber so tief ins Innenleben eines Vereins und einer Mannschaft wie jetzt in Gladbach ist er noch nie eingetaucht. "Ich muss noch viel lernen", sagt er voller Respekt über seine ersten Monate bei der Borussia.

Zusammen mit dem Sportvorstand Roland Virkus, dem Kaderplaner Steffen Korell und dem Chefscout Mario Vossen bildet Schmadtke das sogenannte "Team Sport". Die vier Protagonisten werkeln zusammen mit dem Trainer Gerardo Seoane am Kader, diskutieren über Transfers, planen die Zukunft. Überdies stellen sich ihnen tägliche Fragen, die Schmadtke so formuliert: "Wie sind die Vibes in der Kabine, was läuft gut und wo müssen wir ansetzen?" Schmadtke lernt, wie eine Mannschaft funktioniert und welche Untiefen in so einem komplexen Gebilde lauern, in dem ganz unterschiedliche Charaktere täglich unter Erfolgsdruck zusammenarbeiten. "Da mache ich gerade ganz wichtige Erfahrungen", sagt er.

Schmadtke hat in einer besonders spannenden Phase bei der Borussia angeheuert. Nach zweieinhalb Jahren fußballerischer und tabellarischer Talfahrt arbeitet Seoane, vierter Gladbacher Trainer binnen vier Jahren, am Turnaround. Relevante Spieler haben den Klub in den vergangenen Jahren verlassen. Das hat einerseits der individuellen Qualität des Kaders geschadet, war andererseits aber dem Miteinander förderlich. Nach gut der Hälfte der Saison steht Gladbach im Mittelfeld, die Fans haben eher keine Angst vor dem Abstieg, träumen aber auch nicht vom Europapokal. Die Mannschaft macht jetzt einen lebendigeren Eindruck als in den vorangegangenen zweieinhalb Jahren. Großer Beliebtheit beim Publikum erfreuen sich die jungen Spieler wie Luca Netz, 20, Joe Scally, 21, und vor allem Rocco Reitz, 21. Der Vertrag von Reitz wurde am Donnerstag bis 2028 verlängert. Er ist so etwas wie die personifizierte Zukunftsvision der traditionsreichen Borussia.

Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft - Nils Schmadtke kennt aus der eigenen Familiengeschichte die emotionale Relevanz generationsübergreifender Prozesse. Er hat sich Babyfotos vom Sohn und der Tochter auf den Arm tätowieren lassen. Und wenn Opa Jörg den geplanten Urlaub mit der Gattin beendet hat, könnte er sich mit den Enkeln mal das ein oder andere Spiel im Borussia-Park anschauen.

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