"Linksaußen":Kick und klick

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Gestatten: Niklas-Wilson Sommer. Fußballspieler. (Foto: Wolfgang Zink/Imago)

Beim 1. FC Nürnberg spielt ein Influencer Fußball. In der zweiten Mannschaft. Eine Dreistigkeit! Nun debattieren Fans gegen Follower.

Glosse von Andreas Liebmann

Das Internet ist für uns alle Neuland, schon klar, viele Begriffe und Symbole, die darin Karriere gemacht haben, gab es aber nachweislich auch im Altland schon. Vorläufer des Smileys etwa wurden schon im 19. Jahrhundert auf Papier gedruckt - also die Vorvorläufer der Emojis. Die Daumen-hoch-Geste findet man mit etwas Akribie schon in Höhlenzeichnungen. Und selbst Follower - tut uns leid, liebe Kinder - sind keine Erfindung sozialer Netzwerke. Bereits in der Altsteinzeit betätigte sich der frühe Mensch mit Hingabe als Follower (von Mammuts), dabei stets auf der Hut vor den eigenen Followern (Säbelzahntiger). Und im Fußball, wo man Follower gemeinhin "Fans" nennt, gab es noch eine längst vergessene weitere Gattung: die Manndecker.

Etwas historischer Kontext kann nicht schaden, ehe man seriös eruiert, ob 894 000 Follower bei Instagram eigentlich viel sind. Die Antwort: Es sind allemal genügend, um beim 1. FC Nürnberg eine Debatte auszulösen, wie es sie in der Altsteinzeit ganz sicher noch nicht gegeben hätte - und bei der sich Follower mit Fans in der Wolle haben.

Letztere nämlich haben einem gewissen Niklas-Wilson Sommer schon mehrere Protestspruchbänder gewidmet, im großen Stadion, was schon deshalb bemerkenswert ist, weil der junge Mann mit Rufnamen Willy in ihrer zweiten Mannschaft spielt. Sommer ist aber nun mal im Besitz all der vielen Follower, und irgendetwas daran scheint die Fans zu stören. Vielleicht, dass es für einen allein gleich viermal so viele sind wie für ihren gesamten Glubb? Ganz offensichtlich ist es deshalb wahlweise eine Dreistigkeit, dass ein Influencer Fußball spielt, oder auch, dass ein Fußballklub einen Influencer beschäftigt. Die These: Der spielt doch eh nur wegen medialer Reichweite.

Sommer ist nicht der einzige Marketing-Schlager des Clubs

In diesem Kontext beharken sich nun also Liker und Hater, während noch andere mit dem Influencer auf Klickfang gehen. Die Bild begleitet den Fall bereits fürsorglich, und der Bayerische Fußball-Verband (BFV), der mit vergleichbaren Youtube-Zusammenfassungen sonst eher vierstellige Klickzahlen erreicht, titelt seine Filmchen neuerdings so: "Offensivspektakel mit Niklas-Wilson Sommer in der Startelf" (hoppla, 53 000 Aufrufe?). Oder: "Bei Debüt von Niklas-Wilson Sommer..." (150 000!). Kann nicht lange dauern, bis der BFV zum "Niklas-Wilson-Sommerfest" einlädt oder einen "müden (Niklas-Wilson-)Sommerklick, äh: -kick" attestiert. Die nächste Schiri-Fortbildung könnte er bewerben mit: "eine Schwalbe macht noch keinen Niklas-Wilson Sommer" (Oder macht ein Sommer noch keine Schwalbe? Hmm.).

Der Spieler selbst, geboren in Dessau und ausgebildet beim Club, nimmt es bisher gelassen. Der 25-Jährige spielt einfach weiter soliden Regionalliga-Fußball. Und so weit man das bisher beurteilen kann, ist er dafür weder über- noch unterqualifiziert.

Der 1. FC Nürnberg hat noch einen anderen Marketing-Schlager zu bieten: den an Borussia Dortmunds U23 verliehenen Stürmer Jermain Nischalke. Dessen Trikots erreichten dort wegen seines Namens sofort beachtliche Absatzzahlen. Schon bei seiner Leihe hatte der BVB zur Sicherheit betont, dies sei kein PR-Gag. (Nürnbergs Scouts suchen bereits fieberhaft nach einem Spieler namens Nigreuther). Nischalke jedenfalls zeigt bislang soliden Drittligafußball. Zum Hype um sein Trikot aber hat er gesagt: "Da steckt mehr als ein Name dahinter, da steckt ein Mensch drin."

In der Welt jenseits der Mausklicks ist das wohl so. Das gilt übrigens auch für das Trikot von Willy Sommer.

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