Es sah nach einem fröhlichen Sonntagsspaziergang aus, den Andries Jonker zur Mittagszeit im Moore Park absolvierte. Der Trainer der niederländischen Frauen-Nationalelf schlenderte über den Rasen des Sydney Football Stadium, immer mal wieder hielt er inne, um jemanden in den Arm zu nehmen. Der Favorit Niederlande hatte sich mit einem 2:0 gegen Außenseiter Südafrika im WM-Achtelfinale durchgesetzt. Was bei diesem Turnier ja nicht selbstverständlich ist.
Der ehemalige Bundesligacoach des FC Bayern und des VfL Wolfsburg (jeweils Männer) gab später im Tiefgeschoss der Multifunktionsarena zu, dass ihn das Ausscheiden Deutschlands und Brasiliens noch ein bisschen wachsamer gemacht habe. "Ich hätte es nie geglaubt, und ich habe es auch nicht erwartet", sagte der 60-Jährige. Wobei Jonker zu Deutschland auch anmerken wollte, dass der deutsche Frauenfußball für ihn "gesund" aussehe, nur: "Man kann nicht immer gewinnen."
Spaniens Bonmatí bei der Fußball-WM:Sie tanzt und reißt alles an sich
Aitana Bonmatí steht im Mittelpunkt des Spiels der Spanierinnen - nach dem 5:1 im Achtelfinale gegen die Schweiz darf sich das Team als WM-Favorit fühlen. Die einstige Königin sitzt vorerst auf der Bank.
Die "Oranje Leuwinnen" haben unter seiner Regie bei diesem Turnier noch nicht verloren, was Jonker vor dem Viertelfinale gegen Spanien (Freitag 3 Uhr MESZ) im neuseeländischen Wellington zur Ansage veranlasste: "Wir haben die Qualität, auch Spanien zu schlagen." Seiner gesperrten Leistungsträgerin Danielle van de Donk versprach er selbstbewusst einen Einsatz im übernächsten Spiel - was das Halbfinale wäre.
Torhüterin Daphne van Domselaar wird zur Spielerin des Spiels
Die 40 233 Zuschauer in Sydney fühlten sich gut unterhalten, nur Jonker drosselte seine Emotionen. "Es ist mein Job, alles in Ruhe zu analysieren, aber einmal habe ich meine Hände ja aus den Taschen genommen und bin auch hochgesprungen." Das passierte beim 2:0 von Lineth Beerenstyn (68.), als die ehemalige Angreiferin vom FC Bayern von einem Fangfehler der südafrikanischen Torhüterin Caylin Swart profitierte, die nach ihrem Fauxpas den Boden mit ihren Fäusten malträtierte. Ihr Gegenüber war besser drauf. Die überragende Torfrau Daphne van Domselaar, 23, heimste die Auszeichnung zur "Spielerin des Spiels" ein. "Sie hat sich toll entwickelt", lobte Jonker. Sein Gesamtensemble hingegen wackelte trotz der frühen Führung von Jill Roord (9.) immer mal wieder bedenklich.
"Es kann nicht sein, dass unsere Nationalspielerinnen noch von 9 bis 17 Uhr arbeiten müssen", sagt Südafrikas Trainerin
Vor allem die südafrikanische Stürmerin Thembi Kgatlana war ein permanenter Unruheherd. Ihre Trainerín Desiree Ellis will jetzt alle Kraft beim Verband einbringen, dass die Fifa-Prämie von 60 000 Dollar für den Achtelfinaleinzug wirklich bei den Akteuren ankommt: "Die haben es zu 100 Prozent verdient." Zuhause seien viele Menschen früh aufgestanden, erzählte Ellis mit Begeisterung, um "Banyana Banyana" beizustehen.
Die 60-Jährige nahm in der Pressekonferenz die eigene Regierung und die heimischen Sponsoren in die Pflicht, endlich dafür zu sorgen, dass am Kap eine professionelle Frauen-Liga entstehen möge. "Ich weiß nicht, wie man das noch ignorieren kann. Es kann nicht sein, dass unsere Nationalspielerinnen noch von 9 bis 17 Uhr arbeiten müssen." Südafrika würde gerne die WM 2027 ausrichten und gilt in Fifa-Kreisen als nicht weniger aussichtsreicher Kandidat als die Dreifachbewerbung aus Deutschland, den Niederlanden und Belgien.