Niederlage gegen FC Bayern:Die Schalker Gemüter sind angegriffen

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Weston McKennie musste verletzt runter. Sein Gesicht entsprach der Stimmung auf Schalke. (Foto: AP)
  • Der FC Bayern verpasst dem FC Schalke die nächste Pleite in der Bundesliga.
  • Noch immer sind die Gelsenkirchener ohne jeden Punkt in dieser Saison.
  • Der Druck auf Trainder Domenico Tedesco wächst - und er erlebt eine Regendusche.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Perfekt abgestimmte Abläufe und präzise Laufwege sorgten dafür, dass der Matchplan des FC Bayern ein gelungenes Ende fand. Jeder Spieler bediente die für ihn vorgesehene Rolle: Hier stürzte sich Leon Goretzka ins Getümmel, dort nahmen sich Thomas Müller und James Rodríguez ihrer Aufgaben an, während andere Stars im Hintergrund tüchtig Tempo machten. Gut war auch, dass Trainer Niko Kovac keine langen Reden halten und nur das Nötigste beisteuern musste.

Und so schafften es die Bayern nach dem 2:0 bei Schalke 04 dank hoch beschleunigter Öffentlichkeitsarbeit und Abreiselogistik rechtzeitig zum Flughafen Paderborn und zur pünktlichen Ankunft in München. Die Frage, was wohl die größere Herausforderung war - das Nachtflugverbot auf dem Erdinger Airport oder die Begegnung mit dem Vizemeister -, hat niemand gestellt.

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Aber die Deutlichkeit des vierten Siegs im vierten Ligaspiel und die jederzeit überlegene Münchner Spielkunst sprachen am Ende für sich. "Eine Demonstration, wie man Fußball spielt", hatte Sportchef Hasan Salihamidzic gesehen.

Den Münchnern genügt leichte Verwaltungsarbeit

25 Minuten hatten sich die Bayern für die vertraglich garantierten Medien-Pflichten gewährt, man schaffte es am Ende sogar in 20 Minuten. Während Kovac charmant, aber zügig die Pressekonferenz erledigte, sprachen Goretzka und Salihamidzic zu den Zeitungsleuten; Müller und James bedienten die TV-Teams für die deutschen und internationalen Fernsehmärkte. In Gefahr geriet die Operation nur durch Clemens Tönnies' Wiedersehensfreude. Sobald er Manuel Neuer erblickt hatte, packte der Ober-Schalker den ins Zwiegespräch mit Sebastian Rudy vertieften Torwart, riss ihn herzlich an sich und haute ihm mit Macht auf die Schulter. "Schön, dass du mal wieder da bist", rief Tönnies. Neuer schaffte ein mutmaßlich schmerzverzerrtes Lächeln.

In Wahrheit hat man in Gelsenkirchen keine Lust mehr, die Bayern zu sehen, die man das letzte Mal zu Zeiten besiegen konnte, als Neuer noch das Schalker Tor bewachte - vor mehr als sieben Jahren. Wie üblich war das Stadion ausverkauft, aber wie üblich werden sich viele Leute gefragt haben, warum sie gekommen sind. Dafür genügte die Ansicht der ersten zehn Minuten, in denen die Bayern die Hausherren überfuhren, als ob sie dadurch die Heimreise via Paderborn noch ein wenig zügiger gestalten könnten.

Vier Spiele, null Punkte: Domenico Tedesco leidet am Spielfeldrand. (Foto: Imago)

Die Schalker vermochten den schnellen Passpassagen nicht zu folgen, vom Vorsatz der robusten Gegenwehr war wenig zu sehen, und noch weniger war davon zu erkennen, als James per Kopf das 1:0 erzielte. Rudy ließ es, regungslos zuschauend, geschehen, auch der Kopfballspezialist Salif Sané griff nicht ein. Nach zuletzt schlechten Erfahrungen mit der bei Ecken und Freistößen praktizierten Raumdeckung hatten die Schalker auf eine Mischform aus Mann- und Raumdeckung umgestellt. Ergebnis: Lediglich acht Minuten hatte es gedauert, bis das dritte Gegentor der Saison infolge eines Eckstoßes fiel.

Dem VfB Stuttgart und Bayer Leverkusen wurde kürzlich nach ihren Niederlagen gegen die Bayern nachgesagt, sich mutlos ergeben zu haben. Diesen Vorwurf (der die niederschmetternde Übermacht der Bayern aber verkennt) braucht man den Schalkern nicht zu machen. Sie schafften es nun, sich besser zu organisieren und mit viel Aufwand sowie Ralf Fährmanns starken Paraden das Spiel etwas offener zu gestalten. Das 0:2 durch Robert Lewandowskis Elfmeter nahm nach einer Stunde aber sämtliche Spannung aus der Partie. Bis dahin habe man die Bayern "stressen" können, lobte Domenico Tedesco. Danach, räumte er seufzend ein, genügte den Münchnern leichte Verwaltungsarbeit.

Auf Schalkes Trainer richteten sich derweil die meisten Blicke. Das begann damit, dass just dort, wo sich seine Coaching- Zone befand, ein nicht nachlassender Wasserfall zu Boden ging. Dabei war das Arena-dach geschlossen, kein anderer Mensch im Stadion außer Tedesco bekam etwas von dem Regen ab, der über Gelsenkirchen fiel, und so wirkte er wie die Figur aus dem Comic, die exklusiv von ihrer privaten Regenwolke durchnässt wird. Das Symbolbild vom Mann, der allein im Regen steht, war ihm natürlich bewusst: Ja, sagte er, "da war ein Loch (im Dach) - das war aber, glaube ich, keine Absicht".

Noch braucht Tedesco nicht das Gefühl zu haben, den Launen der Schalker schutzlos ausgeliefert zu sein. Als ihm Clemens Tönnies neulich in Mönchengladbach nach der dritten Niederlage zurief: "Zwei hast du noch", da war das kein Ultimatum, sondern ein Verweis auf Vorgänger Markus Weinzierl, der mit fünf Niederlagen in die Saison gestartet war - und trotzdem im Amt blieb. Aber die Stimmung hat sich spürbar verschlechtert, obwohl jeder mit dem Sieg der Bayern gerechnet hatte. Die Schalker Gemüter sind angegriffen.

"Du hast nicht mehr die breiten Schultern, dass du glaubst, du könntest 16 Bäume auf einmal ausreißen", berichtete Kapitän Fährmann. Und dass es jetzt schwieriger wird, mit den Befindlichkeiten der Spieler umzugehen, als im vorigen Erfolgsjahr, das hat Tedesco erfahren, als sich Franco di Santo über seine Auswechslung beschwerte und dabei Worte sagte, die das Verhältnis heftig belasten. Tedesco fertigte den Konflikt in der Öffentlichkeit gekonnt ab, den Angriff auf seine Autorität hat er abgewehrt. Aber dass ausgerechnet der vom Trainer besonders geförderte Torjäger a. D. - inzwischen Zielscheibe populärer Spottlieder ("Wir saufen, bis di Santo trifft") - für Ärger sorgt, ist bedenklich.

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Noch bedenklicher ist allerdings Schalkes Angriffsschwäche. Die eiligen Bayern hinterließen ihrem Gegner einen Tipp für dessen nächste Aufgaben: Wenn er den jungen Amine Harit sehe, sagte Hasan Salihamidzic, "dann wundere ich mich schon, dass er nicht spielt". Bestimmt ist Tedesco für diesen Ratschlag ungeheuer dankbar.

© SZ vom 24.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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