DFB-Elf und die Nagelsmann-Entlassung:"Das wird den einen oder anderen nicht beflügeln"

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"Es ist jetzt meine Aufgabe, mit den Spielern darüber zu sprechen": Bundestrainer Hansi Flick vor dem Spiel gegen Peru. (Foto: Wunderl/Imago)

Hansi Flicks Vorbereitungen auf den ersten Test nach dem frühen WM-Aus werden überlagert vom Trainerwechsel in München. Kapitän Joshua Kimmich lobt Julian Nagelsmann - und sagt, dass ihn dessen Entlassung beschäftigt.

Von Ulrich Hartmann

Der Fußballer Joshua Kimmich, 28, hatte in seiner bald zehnjährigen Profikarriere schon viele namhafte Trainer. Die berühmtesten waren: Pep Guardiola, Carlo Ancelotti, Jogi Löw, Jupp Heynckes, Hansi Flick und Niko Kovač. Kimmich hat am Freitag auf Nachfrage nicht verraten, welche zwei dieser sechs in seiner persönlichen Top-Drei-Liste noch auftauchen. Aber er hat auf jeden Fall verraten, welcher Trainer ganz sicher auf dieser Favoritenliste steht: Julian Nagelsmann.

In einer Pressekonferenz, die Kimmich am Freitagmittag als aktueller Kapitän der deutschen Nationalmannschaft in Frankfurt gab, sagte er: "Julian Nagelsmann ist ein überragender Trainer. Ich hatte schon sehr viele Top-Trainer, aber er ist locker in den Top Drei meiner besten Trainer." Locker, das bedeutet: Nagelsmann ist vermutlich mindestens Zweiter, vielleicht ist er in Kimmichs Ranking sogar Erster. Aber das ist Spekulation. Genaueres dazu hat der defensive Mittelfeldspieler des FC Bayern nichts gesagt.

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Julian Nagelsmann reiht sich ein in eine Galerie von Trainern, die in München nicht glücklich wurden. Er hat sich angreifbar gemacht mit seiner Vorliebe für taktische Experimente - aber Wankelmut haben ihm seine Vorgesetzten auch selbst vorgelebt.

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Das Statement von Kimmich hat deutlich verraten, was er von der in München erfolgten Entlassung Nagelsmanns hält: nichts. Das hat er zwar so nicht gesagt, aber er hat es gerne erkennen lassen. Und er hat verraten, dass er trotz des bevorstehenden Länderspiels gegen Peru viel daran denken muss: "Schließlich geht es hier um den Trainer, mit dem man tagtäglich zusammenarbeitet. Das beschäftigt einen natürlich schon."

An diesem Samstagabend zwischen 20.45 Uhr und 22.35 Uhr wird Kimmich dennoch gar nicht oder kaum an die Entlassung seines Top-Drei-Trainers denken können, denn dann führt er in Mainz die Nationalmannschaft ins erste Testspiel seit dem Scheitern bei der WM in Katar. "Während des Spiels darf das natürlich keine Rolle spielen", sagt Kimmich, "aber vorher und nachher gibt es zwischen den Trainingseinheiten schon auch immer ein bisschen Leerlauf, in dem man dann auf dem Zimmer ist und das eine oder andere liest."

"Erfrischend" und "energetisch" sollen die ersten Tests mit dem neu komponierten Kader aussehen

Oje, könnte sich der Bundestrainer Hansi Flick gedacht haben, als er am Donnerstagabend davon erfahren hatte, dass die Bayern sich von Nagelsmann trennen. "Das wird den einen oder anderen jetzt nicht gerade beflügeln", sagte er am Freitag bloß kurz, und wenn man wenig später Kapitän Kimmich zugehört hat, dann hat Flick mit seiner Vermutung wohl absolut recht. Mit Kimmich, Leon Goretzka und Serge Gnabry sind zwar diesmal nur drei Bayern-Spieler im Kader des Nationalteams, doch mit Nico Schlotterbeck, Marius Wolf und Emre Can sind auch drei Spieler von Borussia Dortmund dabei - und die bestreiten am kommenden Samstag (1. April) das Bundesliga-Gipfeltreffen bei den Bayern und werden sich jetzt wohl darüber den Kopf zermartern, was es für sie bedeutet, dass der Serienmeister dann erstmals von Thomas Tuchel betreut wird.

Das Statement von Joshua Kimmich hat deutlich verraten, was er von der in München erfolgten Entlassung Nagelsmanns hält: nichts. (Foto: Daniel Roland/AFP)

"Es ist jetzt meine Aufgabe, mit den Spielern darüber zu sprechen", sagte jedenfalls der Bundestrainer Flick und musste damit etwas thematisieren, was er so gar nicht auf der Agenda hatte. Er will ja gerade neuen Schwung entfachen in einer DFB-Elf, die bei der WM bereits in der Vorrunde ausgeschieden war. Zu diesem Zweck hat Flick sechs Neulinge ins Team berufen. "Erfrischend", "energetisch" und "dynamisch" sollte die Zusammenkunft anlässlich der beiden Spiele gegen Peru und Belgien (Dienstag, 28. März, in Köln) werden - aber jetzt spricht das ganze Fußball-Land samt seiner Nationalspieler erst mal nur noch über Nagelsmann, Tuchel und die Bayern.

Allerdings ist nicht zu erwarten, dass die Neuigkeiten aus dem 320 Kilometer südöstlich gelegenen München in Mainz Einfluss auf die deutsche Startelf haben. Kann gut sein, dass Kimmich und Goretzka die FC-Bayern-Doppel-Sechs vor der Abwehrkette bilden. Und dass der Leipziger Timo Werner und der Bremer Niclas Füllkrug eine Doppel-Spitze formieren, ist auch zu erwarten. Weil Flick darüber hinaus von einer Viererkette sprach, läuft alles auf eine Art 4-2-2-2-Formation hinaus, in der zwischen Doppel-Sechs und Doppel-Spitze der ins Aufgebot zurückgekehrte Leverkusener Florian Wirtz und Chelsea-Legionär Kai Havertz eine Doppel-Zehn bilden könnten. Inklusive der beiden Innenverteidiger bedeutete dies "vier Mal doppelt" auf der Mittelachse, damit auf den Außenbahnen womöglich Dortmunds Wolf und der Leipziger David Raum rauf und runter rennen können. Das wäre taktisch eine neue Erfahrung fürs Publikum der Nationalmannschaft.

Dass Flick extra betonen muss, gegen Peru gewinnen zu wollen, ergibt insofern Sinn, als der Unterschied zwischen Deutschland und dem Land im Westen Südamerikas in der Weltrangliste zurzeit nicht allzu groß ist. Deutschland steht auf Platz 14, Peru auf 21. Es ist das erste deutsche Länderspiel nach der verkorksten WM - und in der frühen Vorfreude auf die Heim-EM 2024. Zu diesem Zweck muss Flick die Gedanken aller Beteiligten bündeln und von Julian Nagelsmann weglenken. Wie lautet ein berühmter Lehrsatz aus der Methodik der Gedanken-Kontrolle? Denken Sie jetzt nicht an einen rosa Elefanten!

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