Pascal Groß vor DFB-Debüt:Spät berufen, vielseitig verwendbar

Lesezeit: 3 min

"Er versteht Fußball": Pascal Groß beim ersten Training mit der Nationalelf. (Foto: Swen Pförtner/dpa)

Im reifen Fußballeralter von 32 Jahren steht Premier-League-Profi Pascal Groß endlich vor seinem A-Elf-Debüt. Die Experten rühmen seinen sechsten Sinn fürs Spiel und seine Qualitäten als Allrounder - sogar Rechtsverteidiger könnte er.

Von Javier Cáceres, Wolfsburg

Auch am anderen Ende der Welt wurde Notiz von einer eher kleinen Sensation genommen, der erstmaligen Berufung des Pascal Groß in die deutsche Fußball-Nationalmannschaft. Zumindest von einem Sachverständigen, der das Team von Groß, Brighton & Hove Albion, in den vergangenen Jahren besonders intensiv verfolgt hatte: Carlos Mac Allister, argentinischer Alt-Internationaler und Vater des Weltmeisters Alexis Mac Allister, der mit Groß in Brighton zusammenspielte, ehe er nun zum FC Liverpool wechselte.

"Pascal hat eine überragende Entwicklung genommen", sprach also Mac Allister, der Ältere, ins Telefon - und klang dabei so, als würde er sich aufrichtig darüber freuen, dass Groß ins Blickfeld von Bundestrainer Hansi Flick gerückt ist. Im für Fußballer erstaunlich reifen Alter von 32 Jahren blickt Groß seinem Länderspieldebüt am Samstag gegen Japan (20.45 Uhr/RTL) entgegen.

SZ PlusThomas Müller im DFB-Team
:Drei Rollen für Müller

Der nachnominierte Bayern-Profi soll den angeschlagenen Niclas Füllkrug ersetzen und dem Nationalteam mit seinem Gespür für Krisensituationen weiterhelfen. Auch für den unter Druck stehenden Bundestrainer ist er von großer Bedeutung.

Von Christof Kneer

"Wir haben ihn natürlich schon länger auf dem Schirm gehabt", beteuerte Flick dieser Tage in der ARD; Groß selbst erklärte am Dienstag bei der Pressekonferenz des DFB in Wolfsburg in schüchtern gesetzten Worten, dass ihm dieses Interesse komplett verborgen geblieben war. Kontakt zu DFB-Trainern habe er in den vergangenen sechs Jahren, in denen er in der Premier League spielte, nie gehabt. "Die Nominierung kam auch für mich überraschend. Umso mehr habe ich mich gefreut", sagte Groß.

Vom Bundesliga-Absteiger Ingolstadt zum Premier-League-Aufsteiger Brighton & Hove

Der Zufall wollte es, dass Groß am Dienstag auf dem Podium vom Neu-Köpenicker Robin Gosens begleitet wurde - einem Profi, der wie Groß vergleichsweise spät in die Nationalmannschaft berufen wurde und vor ziemlich genau drei Jahren das erste seiner bislang 16 Spiele in der A-Elf bestreiten durfte, mit seinerzeit 26 Jahren. Er glaube nicht, dass es schwieriger sei, die Aufmerksamkeit des Verbandes auf sich zu ziehen, wenn man an einem peripheren Ort einer Auslandsliga seiner Arbeit nachgeht, sagte Gosens: "Der DFB ist überall in Europa so gut vernetzt, dass er die Spieler im Ausland im Blick hat und weiß, welche Leistungen da abgerufen werden. Da bin ich mir ganz, ganz sicher." Aber dass die mediale Wahrnehmung eine andere sei, könne nicht von der Hand gewiesen werden.

Er sei lange Zeit "der Unbekannte im Ausland" gewesen, "der bei Atalanta Bergamo aus dem Nichts gute Erfolge erzielte", berichtete Gosens; wenn er mal ein Tor erzielte, wurde das als Topleistung verbucht, mitunter fälschlicherweise, wie er amüsiert erzählte.

Groß dürfte nun ähnliche Erfahrungen gemacht haben. 2017 stieg er mit dem FC Ingolstadt aus der Bundesliga ab und wechselte zum Premier-League-Aufsteiger Brighton & Hove. Was sich seither auf seinem Tacho angesammelt hat, liest sich imposant: 196 Spiele und 27 Tore in der wohl besten Fußballliga der Welt. Gleichwohl musste der in Mannheim geborene Sohn des früheren Bundesliga-Profis Stephan Groß (Karlsruher SC) am Dienstag ertragen, dass er in Deutschland eigentlich nur Nerds geläufig sei. Was ja, andererseits, an der Wahrheit nicht vorbeigeht. Dem breiten Publikum dürfte das Profil von Pascal Groß verborgen geblieben sein.

SZ PlusMeinungBVB und DFB
:Julian Schattenmann

Trainer Nagelsmann ist nach seinem Aus beim FC Bayern noch ohne neue Aufgabe. Bald könnte er gleich für zwei deutsche Spitzenteams interessant werden - dabei würde er einen Funktionär in einen großen Interessenkonflikt stürzen.

Kommentar von Martin Schneider

Diesbezügliche Auskünfte erteilt Carlos Mac Allister: "Pascal ist supervielseitig", er habe deshalb "in Brighton im Grunde jede Feldspielerposition ausgefüllt, Mittelstürmer und zentraler Verteidiger ausgenommen, aber hauptsächlich im Mittelfeld agiert, weil er eine Eigenheit hat, die ich sehr mag: Er ist verantwortungsbewusst, begleitet jeden Angriffsspielzug, bis er beendet ist, und sucht immer auch selbst den Abschluss."

Flick hat schon erklärt, dass Groß gegen Japan auflaufen werde

Doch das sei längst nicht alles. "Er hat eine gute Technik bei Standards", berichtet Mac Allister, was insbesondere den DFB-Freistoß- und Eckenschützen Joshua Kimmich aufhorchen lassen dürfte - und was, zweitens, nicht einmal die herausragendste Eigenschaft von Groß ist. Vor allem erteilt Mac Allister eine der größtmöglichen Belobigungen überhaupt: "Er versteht Fußball! Und das sage ich nicht einfach so daher." Es deckt sich mit der Auskunft, die Brightons Trainer Roberto De Zerbi Bundestrainer Flick gab: "Er hat gesagt, er ist ein sehr intelligenter, cleverer Spieler, der gute Entscheidungen trifft."

Dass Groß gegen Japan spielen wird, dürfte als gesichert gelten, Flick selbst hat vorab erklärt, dass man ihn "im September" sehen wolle. Auf welcher Position, das dürfte noch offen sein. Zwar erklärte Groß, sich nirgends wohler zu fühlen als auf der so genannten Achter-Position im Mittelfeld, die Rolle als Rechtsverteidiger liege ihm allerdings auch. Überhaupt klang er so, als sei die Position für ihn nachrangig. Die Berufung empfinde er bereits als traumhaft. Was nicht heißt, dass er sich das Datum des möglichen Nationalelfdebüts auf den Arm stechen würde; dort prangen bereits die Geburtstage seiner Eltern, seiner Schwester und sein eigener. "Als Erinnerung wäre das sehr schön", sagte Groß: "Als Tattoo lieber nicht. Das bleibt für die Familie."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMatthias Sammer im Interview
:"Seien wir doch mal ehrlich: Wir liegen am Boden!"

Matthias Sammer sieht den deutschen Fußball "in der größten Krise", Tugenden und Siegermentalität seien verloren gegangen. Er fordert eine Kurskorrektur, einen starken DFB-Sportdirektor und er zeigt auf, was Hansi Flick jetzt machen sollte.

Interview von Moritz Kielbassa und Christof Kneer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: