Masters im Golf:Sisyphus im Azaleen-Hain

Lesezeit: 3 min

Der Mann, der kleine Bälle tanzen lässt: Rory McIlroy, ohne Zweifel ein Golf-Künstler, verbuchte bei sieben seiner vergangenen zehn Versuche in Augusta ein Top-10-Resultat. Nur gewonnen hat er das Masters noch nicht. (Foto: Ashley Landis/AP)

Seit 15 Jahren tritt Rory McIlroy beim Masters in Augusta an, auf der Suche nach dem letzten Erfolg, der ihm zu einer perfekten Karriere fehlt - und den er immer wieder knapp verpasst.

Von Felix Haselsteiner

Eine gute Stunde hatten die Worte von Tiger Woods Zeit gehabt, um nachzuhallen auf der grünen Wiese des Augusta National Golf Club, bevor sie den Spieler erreichten, an den sie gerichtet waren. Woods' Pressekonferenz ist ein jährlicher Fixpunkt vor dem Masters, wie ein routinemäßiger Besuch beim Großonkel, zu dem nur noch fehlt, dass Woods vor seiner 26. Teilnahme am Masters in einem Schaukelstuhl Platz nimmt. Es geht stets um seinen körperlichen Zustand, um ein bisschen aktuelle Sportpolitik - und um grundlegende golfphilosophische Fragen, zu denen inzwischen auch eine zählt, die von einem engen Freund handelt: Kann Rory McIlroy in diesem Jahr das Masters gewinnen?

Seit 16 Jahren tritt der Nordire, aktuell Ranglistenzweiter und Gewinner von insgesamt 38 Turnieren auf der ganzen Welt, nun in Augusta an. Im Bemühen um den einen Sieg, der ihm fehlt, um das beachtliche Gesamtwerk seiner Karriere zu vervollständigen, zu dem bereits Triumphe bei der US Open, der British Open und der PGA Championship zählen. Es fehlt allein das Masters zum Grand Slam, den vor ihm nur fünf Spieler jemals erreicht haben.

Befragung des Orakels im Golfsport

"Es ist keine Frage, dass er das irgendwann schaffen wird", lautete jedenfalls Woods Antwort auf die Frage, die vor allem dann sportphilosophisch wird, wenn man sie ein wenig von der Einzelperson löst und deutlicher wird, wofür diese Suche nach dem passenden grünen Jackett steht. McIlroy nimmt im Sport nämlich inzwischen eine singulär bemitleidenswerte Position ein. Er ist eine Art Sisyphus am Murmeltiertag: Jahr für Jahr versucht McIlroy, dasselbe zu erreichen, scheitert immer wieder kurz vor dem Ziel, fängt von vorn an, wobei sowohl er als auch die Zuschauer wissen, dass am Ende doch wieder dasselbe passieren wird.

Es ist dabei zu einhundert Prozent keine Frage der Qualität, die sich für McIlroy stellt. Das unterscheidet ihn und seine Suche von anderen, ähnlichen Geschichten im Sport, etwa von Roger Federer, der lange Jahre einem Sieg bei den French Open nachjagte - aber sich immer wieder eingestehen musste, dass Rafael Nadal schlicht der bessere Sandplatzspieler war. Federers Mühe endete 2009, als er Nadal nicht besiegen musste - nur spielt McIlroy gegen keinen menschlichen Gegner, sondern gegen einen Golfplatz. Den allerdings kann er kontrollieren.

Schwünge wie aus dem Lehrvideo: Rory McIlroy zieht schon bei den Trainingsrunden die Zuschauer in seinen Bann. (Foto: Ashley Landis/AP)

Ein Blick zurück zeigt, dass niemand konsistenter war als McIlroy in Augusta: Sieben seiner vergangenen zehn Versuche endeten in einem Resultat unter den besten Zehn, auf alle mögliche Art und Weise. Einmal, 2011, verspielte er eine sichere Führung. Oft kam er spektakulär auf den finalen Löchern noch an den Sieg heran, wie 2022, als er die niedrigste Finalrunde in der Geschichte des Turniers spielte. McIlroy kennt Augusta wie seinen eigenen Hinterhof und kann stundenlang über jeden noch so kleinen Hügel referieren. Nur hat er seinen Frieden mit diesem Fleck Erde noch nicht gemacht.

Das resultiert in diesem Jahr in einem Bild eines Sportlers, der seine latente Frustration und Ungeduld nicht mehr verbergen kann. Eine Stunde nach Woods setzte sich diesmal McIlroy auf das Podium. Auch seine Pressekonferenz ist inzwischen ein Klassiker der Masters-Woche, sie dauert meist über eine halbe Stunde und bietet einen ähnlichen Themenrundgang wie bei Woods. Diesmal allerdings beschränkte McIlroy sich auf zehn Minuten - und eher knappe Antworten.

Golfprofi Scottie Scheffler
:Tänzer auf einem anderen Level

Mit seinem Sieg bei der Players Championship festigt Scottie Scheffler seinen Ausnahmestatus. Doch er stilisiert sich nicht als Überfigur - er hat einen anderen Antrieb als Dollarscheine oder politische Statements.

Von Felix Haselsteiner

Am unterhaltsamsten erzählte er noch von einer Trainingsstunde bei Butch Harmon, der grauen Eminenz der Golftechnik. Harmon, 80, liefert den besten Spielern der Welt Antworten auf Fragen zu ihrem Schwung - vor allem aber zu ihrem Leben: "Wenn man vier Stunden mit ihm verbringt, hat man danach zwei Schwungtipps und 30 Anekdoten mehr", sagte McIlroy. Es klang, als habe Sisyphus noch einmal das Orakel von Delphi befragt, ob es nicht doch eine alternative Lösung für diese Sache mit dem Stein gibt, der immer wieder den Berg hinunterrollt.

"Heißt das, dass es wirklich passieren wird? Natürlich nicht."

Ob er eine alternative Lösung gefunden hat, ist offen. Es wirkt jedenfalls so, als würde McIlroy sich im inzwischen reiferen Golfalter der größten verbliebenen Aufgabe seiner Karriere mit einer Mischung aus Selbstbewusstsein und Fatalismus nähern. "Wenn ich mich an den 18-jährigen Rory erinnere, der zum ersten Mal die Magnolia Lane zum Klubhaus heraufgefahren ist, dann denke ich, dass ich heute alle Werkzeuge habe, um diese Woche gut zu spielen", sagte er. Er sei "ein ausreichend guter Spieler in den vergangenen zwei Dekaden" gewesen, um solche Aussagen treffen zu können.

Möglicherweise findet sich tatsächlich im Trotz die Antwort, jedenfalls liegt sie aus McIlroys Sicht nicht in den Kommentaren der anderen. Oft genug hat er die Aussage gehört, dass er seine Zeit in Augusta nur genießen müsse, dann käme alles von allein: "Ich sollte in Ruhe die Azaleen riechen", sagte er diesmal süffisant, als er danach gefragt wurde, wie es sei, erneut unter einem so großen Druck beim wichtigsten Turnier des Jahres antreten zu müssen. Einem Druck, den er sich selbst macht - und von dem er sich nur selbst befreien kann.

Auf seinem Weg helfen nämlich wird McIlroy niemand, nicht einmal sein Freund Tiger Woods und dessen ermutigend nachhallende Kommentare. "Schmeichelhaft" und "schön zu hören" seien solche Worte von Woods, sagte McIlroy: "Heißt das, dass es wirklich passieren wird? Natürlich nicht."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Golf
:Wann ist ein Masters ein Masters?

Der Weltklasse-Golfsport ist zweigeteilt, hier die US-Tour, dort die Saudi-Tour. Scharf geführt wird die Debatte über den Wert von Turnieren, wenn gute Spieler fehlen. In Augusta, wo sich diese Woche die Elite trifft, will man dem Problem mit Sonderregeln begegnen.

Von Felix Haselsteiner

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: