Marvin Plattenhardt beim DFB:Einer für Löws Baustelle hinten links

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Einer für die WM: Herthas Linksverteidiger Marvin Plattenhardt. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Beim Länderspiel gegen Brasilien verteidigt Marvin Plattenhardt hinten links.
  • Bundestrainer Joachim Löw hält viel von dem Berliner, auch in Ermangelung an Alternativen.
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Von Christopher Gerards

Es gibt viele Wege, sich als Fußballer für eine WM zu empfehlen. Man kann viele Tore schießen, man kann viele Vorlagen geben, man kann viele tolle Pässe spielen. Man kann fast jeden Zweikampf gewinnen oder jedes Kopfballduell. Man kann aber auch einfach sehr solide spielen und gleichzeitig Linksverteidiger sein. Und damit zu Marvin Plattenhardt.

Wenn die DFB-Elf an diesem Dienstag (20.45 Uhr, im SZ-Liveticker) gegen Brasilien spielt, wird es auch das Spiel des Marvin Plattenhardt sein. Nicht nur, weil Joachim Löw ihm schon nach dem Spanien-Spiel im Fernsehen einen Platz in der Startelf versprach. Nicht nur, weil Plattenhardt in Berlin im Stadion seines Bundesliga-Klubs Hertha BSC spielt. Sondern auch, weil Plattenhardt gute Chancen hat, mit zur WM zu fahren. Und weil er diese Chancen sogar noch ein bisschen vergrößern kann.

Es ist ja viel über den großen Konkurrenzkampf im DFB-Team gesprochen und geschrieben worden, über die vielen Spieler, die sich Hoffnungen machen auf einen WM-Platz. Es gibt Fälle wie die von Mario Götze und André Schürrle, beide entscheidend beteiligt am Final-Tor 2014, beide nicht im Kader diesmal. Dafür hat Joachim Löw den 26 Jahre alten Plattenhardt nominiert, einen Spieler, der das WM-Finale 2014 vor dem Fernseher erlebte; der fünf Länderspiele erst gemacht hat; der es in dieser Saison in 27 Bundesliga-Spielen auf vier Vorlagen brachte. Plattenhardt ist, so gesehen, ein personifiziertes Paradoxon, er ist kein Profi, um den sich internationale Großklubs reißen, er fällt in Deutschland gerade deshalb auf, weil er unauffällig seine Arbeit verrichtet. Er ist sogar ein Spieler, den Löw nach dem 1:1 gegen Spanien ausdrücklich lobte, obwohl Plattenhardt gar nicht mitgespielt hatte (Löw lobte seine Leistung gegen Frankreich im November). "Ich plane, dass Marvin Plattenhardt in Berlin spielt", sagte Löw zudem.

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Als Plattenhardt auf der Pressekonferenz vor dem Brasilien-Spiel auf die Aussagen des Bundestrainers angesprochen wurde, sagte er die Dinge, die Fußballer halt sagen: "Solche Aussagen freuen jeden Spieler." Wahrheitsgemäß fügte er an: "Aber ich glaube, die Nominierung war das noch nicht. Das war nur ein Statement vom Bundestrainer. Ich möchte mich hier präsentieren. Wenn ich zurück bin bei Hertha, möchte ich mich präsentieren und zeigen. Und bis dahin kann noch einiges passieren."

Hinten links muss Löw noch immer viel tüfteln

Joachim Löw hat nicht immer derart nette Dinge über seine Linksverteidiger gesagt, jahrelang hat er in der Gewissheit gecoacht, dass Deutschland nicht reich ist an überdurchschnittlich talentierten Linksverteidigern. Und manchmal hat er das auch sehr deutlich ausgesprochen. Einmal, es ging um Marcel Schmelzer von Borussia Dortmund, sagte er: "Er hat gegen Österreich kein gutes Spiel gemacht." Im Oktober 2012 war das. Von "ganz, ganz wenigen Alternativen in der Bundesliga" sprach Löw noch und davon, dass er sie sich "auch nicht schnitzen" kann.

Joachim Löw kann sich auch im Jahr 2018 keine Linksverteidiger schnitzen. Aber er hat Leute gefunden, die ihn zufriedenstellen. Links hinten ist noch immer eine kleine bis mittelgroße Baustellen-Position, auf wenig anderen Positionen hat Löw in den vergangenen Jahren derart viel getüftelt und gewerkelt. So viele Spieler tauchten im Kader auf, dass man ein anspruchsvolles Quiz draus machen könnte, von wegen: Wer spielte nochmal 2012 bei der EM links hinten (Holger Badstuber)? Wer bei der WM 2014 (Benedikt Höwedes)? Und wer war nochmal Ersatz-Linksverteidiger 2014 (Erik Durm)?

Andererseits: Die Linksverteidiger-Position ist keine, mit der andere Teams groß angeben könnten. Für Brasilien tritt Reals Marcelo an, aber einen adäquaten Ersatz haben sie nicht. Bei Argentinien spielt Nicolas Tagliafico von Ajax Amsterdam, qua Bekanntheit auch ein Kandidat für eine Zusatzfrage im anspruchsvollen Quiz (siehe oben). Frankeich hat Lucas Digne (Ersatzspieler beim FC Barcelona), Layvin Kurzawa (Paris). Nur Spanien ist mit Jordi Alba (Barcelona) und Marcos Alonso (FC Chelsea) gleich zwei Mal überdurchschnittlich gut besetzt.

Seit der EM 2016 hat Löw zumindest einen Spieler gefunden, der seinen hohen Ansprüchen dauerhaft genügt; wenn Jonas Hector fit ist, dann spielt er, mittlerweile kommt der 27-Jährige auf 36 Länderspiele, seinen Syndesmosebandriss hat er überwunden. Aber es ist zugleich Löws Anspruch, zwei Fußballer pro Position zur Verfügung zu haben, die er bedenkenlos in ein, sagen wir, Viertel-, Halb- oder Sonstnochwasfinale werfen kann. Nach jetzigem Stand soll das Plattenhardt sein, im Juni 2017 hatte er gegen Dänemark sein Debüt im DFB-Team gegeben. Philipp Max, Linksverteidiger des FC Augsburg, führt mit 13 Vorlagen die entsprechende Wertung in der Bundesliga an. In die Nationalelf berufen hat Löw ihn dennoch noch nie. Leipzigs Marcel Halstenberg, ein anderer Kandidat, fällt verletzt für den Rest der Saison aus.

"Der Konkurrenzkampf belebt den Fußball einfach"

Vor dem Spiel gegen Brasilien sollte Plattenhard über Jonas Hector und sich sprechen. Woraufhin er sagte: "Der Konkurrenzkampf, egal in welcher Mannschaft, ob es jetzt in der Nationalmannschaft ist oder im Verein, der belebt den Fußball einfach." Plattenhardt findet es "heutzutage völlig normal, dass man sich auf hohem Niveau auch ein bisschen battlet", womit er offenbar sagen wollte, dass er sich nicht von vornherein als Ersatzspieler sieht. Und die Stärken der beiden? "Ich möchte auf mich schauen, der Jonas schaut auf sich, und letztendlich sind wir in einer Mannschaft, wir verstehen uns gut."

Aber man kann das schon sagen: dass zu Plattenhardts Stärken definitiv sein linker Fuß gehört. Vielleicht kann er das ja an diesem Dienstag zeigen - und womöglich sogar im Sommer bei der WM.

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