Mario Gomez:Der mitfühlende Mittelstürmer

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Mario Gomez wird nicht wieder das Trikot von Beşiktaş Istanbul anziehen. (Foto: dpa)

Mario Gomez gilt als sensibler Mensch, auf dem Fußballplatz ist das Stärke und Schwäche zugleich. Nach seinem Abschied aus Istanbul ist er nun für eine vergleichsweise geringe Ablösesumme zu haben.

Von Philipp Schneider

Es gibt nun wieder Bilder, die den Fußballer Mario Gomez verfolgen, Szenen, die ihm nicht aus dem Kopf gehen, obwohl er sie nicht einmal am Ort ihres Entstehens mitansehen musste. Gomez weilte nicht in Istanbul, als Teile des Militärs einen Putschversuch gegen den türkischen Präsident Recep Tayyip Erdoğan unternahmen. Als in der Nacht auf Samstag mehr als 300 Menschen ums Leben kamen, hatte er das Glück, an einem friedlicheren Ort seinen Urlaub zu verbringen. Aber die Bilder, die seither um die Welt gehen, genügten Gomez zu entscheiden, nicht mehr zurückzukehren nach Istanbul, in die Heimat seines Arbeitgebers Beşiktaş. Zu einem Klub, der im vergangenen Jahr auch zu Gomez' Heimat geworden war, obwohl er dort nur als Leihspieler beschäftigt wurde. Bei Beşiktaş spielte Gomez so gut wie seit 2009 nicht mehr, als er den VfB Stuttgart verließ: Als Torschützenkönig der Süper Lig hatte er großen Anteil am Gewinnen der türkischen Meisterschaft.

Der Grund für seine Abwendung von der Türkei sei "ausschließlich die politische Situation. Einzig und allein die schrecklichen Geschehnisse der letzten Tage", teilte der 31-Jährige auf Facebook mit. "Weder sportliche noch andere Gründe" hätten ihn dazu bewegt. Den Zusatz erachtete Gomez offenbar als notwendig.

Kurz zuvor war öffentlich geworden, dass ihn sein Heimatverein, der AC Florenz, nicht länger beschäftigen wolle, da Gomez mit einem Jahresverdienst in Höhe von zehn Millionen Euro zu teuer sei. Die Gazzetta dello Sport berichtete, Klubpräsident Andrea Della Valle sei bereit, Gomez für eine Ablöse in Höhe von sieben Millionen Euro ziehen zu lassen. Viel Geld ist das nicht für einen deutschen Nationalstürmer, der sich bei der Europameisterschaft auf der Höhe seines Schaffens präsentierte. Sieben Millionen sind ein Betrag, den selbst Beşiktaş aufbringen könnte. Gomez wollte dem Verdacht entgegenwirken, er instrumentalisiere die Gewalt in der Türkei, um ein besseres Angebot aus der spanischen oder englischen Liga zu erhalten.

Mario Gomez gilt als sensibler Mensch, auf dem Fußballplatz ist das Stärke und Schwäche zugleich. Nachdem er 2008 bei der Europameisterschaft freistehend eine Riesenchance ungenutzt ließ, wurde er jahrelang von den Zuschauern ausgepfiffen. Die Bilder von dieser Szene, das erzählte er später, hätten ihn lange Zeit verfolgt. Gomez verlor den Glauben an seine Eignung als Torschütze und auf Umwegen seinen Platz in der Nationalmannschaft.

Ausgerechnet der Ort, an dem Gomez wieder zu Sicherheit in seinem Spiel gefunden hat, ist zu einem der unsichersten des Planeten geworden. Richter und Staatsanwälte werden inhaftiert, Zehntausende Lehrer verlieren ihre Jobs; man darf davon ausgehen, dass in Istanbul jeder jemanden kennt, der nun zum Ziel von Erdoğans "Säuberungen" wird, wie er es nennt. Im Gegensatz zu den Richtern, Lehrern und Staatsanwälten hat Gomez die Chance, das Land zu verlassen.

© SZ vom 22.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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