Marathon in Hamburg:"Jetzt erst recht"

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Der Hamburger Marathon führt direkt an zahlreichen Sehenswürdigkeiten vorbei, auch an den Landungsbrücken. (Foto: picture alliance / dpa)

Fünf Tage nach den Anschlägen von Boston soll in Hamburg der erste große deutsche Marathon des Jahres gestartet werden. Veranstaltungschef Frank Thaleiser erklärt, was zum Schutz von Läufern und Zuschauern getan wird. Und weshalb eine Absage nicht in Frage kommt.

Von Carsten Eberts, Hamburg

Der Marathonkurs klingt nach einer hübschen Stadtrundfahrt. Gestartet wird an der Hamburger Messe, über die Reeperbahn geht es bis zum Fischmarkt. Danach über die Landungsbrücken zum Jungfernstieg, entlang der Außenalster bis Ohlsdorf, zurück bis zur Messe. Sehenswürdigkeiten, Geschäftsviertel, Wohngebiete - alles ist dabei. Wie soll sich eine Strecke von 42 Kilometern schützen lassen?

Geht nicht, sagt Frank Thaleiser, der Veranstaltungschef des Hamburg-Marathons. Fünf Tage vor der größten Laufveranstaltung Norddeutschlands treffen ihn die Anschläge auf den Marathon in Boston mit drei Toten und mehr als hundert Verletzten zur Unzeit. Thaleisers Telefon klingelt im Minutentakt, jeder will wissen, ob der Hamburger Marathon am kommenden Sonntag nun ausfällt. Oder ob zumindest das Sicherheitsaufkommen drastisch erhöht wird.

Nein, sagt Thaleiser. Denn das wäre das absolut falsche Zeichen. "Die Sicherheitslage in Hamburg ist nach wie vor sehr gut. Wir werden nicht in Panik verfallen", sagt er und erinnert an die berühmte Geschichte von 2001. Sechs Wochen nach den Anschlägen auf das World Trade Center am 11. September wurde in New York der große Marathon gestartet. "Das ist auch die Botschaft für Hamburg", sagt Thaleiser, "jetzt erst recht."

Presseschau zum Anschlag von Boston
:"Weigert Euch, terrorisiert zu werden"

Nach dem Anschlag in Boston sind viele amerikanische Zeitungen fast sprachlos und tun sich schwer, die Geschehnisse einzuordnen. Doch der erste Schock weicht bereits dem Trotz - ein Appell zur Gelassenheit findet besonderen Anklang.

Ähnliche Reaktionen sind am Dienstag auch aus anderen Großstädten zu vernehmen. In London, Berlin und Nagano sollen zwar die Sicherheitskonzepte überprüft werden. Gestartet wird jedoch in jedem Fall. Niemand will vor den Anschlägen kapitulieren.

Der Hamburger Marathon 2013 stand bislang unter einem guten Stern. Der Winter hat sich in Frühling verkehrt, erstmals seit 2006 werden steigende Teilnehmerzahlen verzeichnet. Insgesamt 15.000 Starter haben sich für die Läufe angemeldet, an der Strecke werden 750.000 Zuschauer erwartet. Zudem hat das kenianische Spitzenduo Eliud Kipchoge und Wilson Kiprop durchblicken lassen, dass sie den Streckenrekord angreifen wollen. Der Fernsehsender NDR überträgt live.

In der Nacht zum Dienstag dann die Anschläge von Boston. Ist nun alles anders?

Von Aktionismus hält Thaleiser nicht viel. "Wir fordern nun keine Bombenspürhunde oder 100 Polizisten auf der Zielgeraden", sagt der Veranstaltungschef. Er ist in ständigem Austausch mit den Behörden. Vermutlich bleibt es beim geplanten Sicherheitsaufkommen. Polizeisprecherin Karina Sadowsky erklärte dem Hamburger Abendblatt: "Wir sind mit 400 Beamten im Einsatz, das Sicherheitsniveau ist ohnehin hoch. Es gibt keine erkennbaren Bezüge von Boston zu Hamburg."

Komplett schützen lassen sich sportliche Großveranstaltungen heute ohnehin nicht. Was in abgeschlossenen Räumen wie Fußballstadien schon schwierig ist, wird im freien Raum zur unmöglichen Aufgabe. Entlang der Hamburger Strecke kämen theoretisch Tausende Anschlagsorte in Frage. "Jede Sport-Großveranstaltung ist ein potenzielles Anschlagsziel", sagt auch Thaleiser. 42 Kilometer komplett zu sichern, wäre wohl nicht einmal in einem Polizeistaat möglich. Nebenbei ginge auch der Geist der Veranstaltung verloren.

Im Hintergrund wird trotzdem einiges getan. Polizei und Verfassungsschutz lassen ihre Risikoanalysen laufen, warten auf die Hinweise ihrer Spezialisten, sind nicht zuletzt auf die Auswertungen aus Boston angewiesen. Würden die Sicherheitsbehörden eine Bedrohung für den Hamburg-Marathon ausmachen, würden mit dem Organisationsteam neue Maßnahmen abgestimmt werden. Doch danach sieht es nicht aus.

Prominente deutsche Läufer zeigen sich geschockt von den Geschehnissen. Sabrina Mockenhaupt, die in Boston am Start war, schreibt bei Facebook: "Betet für die Verletzten und leider für die Toten und deren Angehörigen! Wahnsinn! Hoffentlich passiert nicht noch mehr!" Auch Triathlon-Olympiasieger Jan Frodeno meldete sich zu Wort, er twittert: "Bombenanschläge bei einem Sportevent? Bei der einen Sache, die Menschen aller Nationen, Rassen oder Religionen verbindet? Widerlich!"

Eine Absagewelle haben die Veranstalter in Hamburg bislang nicht zu verzeichnen. Die meisten Läufer, die gemeldet haben, wollen auch starten. Trotz der Anschläge in Boston. Dies soll die Antwort der Laufgemeinde sein.

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