Manchester United:Petrochemiker gegen Milliardenbankier

Lesezeit: 3 min

"Haut ab"! Der Anhang von Manchester United hat genug von der Eigentümerfamilie Glazer - immerhin gab es an diesem Sonntagabend den Triumph im League Cup dank eines 2:0 gegen Newcastle. (Foto: Richard Heathcote/Getty Images)

Vier Milliarden? Fünf Milliarden? Sechs Milliarden? Englands frisch gekürter Ligapokalsieger ManUnited steht zum Verkauf. An potenziellen Käufern mangelt es nicht - auch nicht an Kritik an deren Geschäftsgebaren.

Von Sven Haist, Manchester

Der US-amerikanischen Familie Glazer ist wohl kein Kaufangebot hoch genug für den Manchester United Football Club. Wie die Financial Times jetzt berichtet, sollen die Offerten bislang nicht den Vorstellungen der Klubbesitzer entsprechen. Im Gespräch ist ein Gesamtvolumen von rund fünf Milliarden Euro, womit United das American-Football-Team Denver Br­oncos als kostspieligsten Sportklub der Welt ablösen würde.

Denver wurde im August 2022 für rund viereinhalb Milliarden Euro verkauft. Die sechs Glazer-Geschwister, die den Verein von ihrem verstorbenen Vater Malcolm Glazer übernommen haben (der ihn 2005 erworben hatte) scheinen nun auszuloten, wie weit sie gehen können. Vielleicht soll es ja am Ende eine Milliarde für jedes Geschwisterkind sein?

Die Glazers können kaum ein Spiel im Stadion verfolgen, ohne beschimpft zu werden

Seit Jahren ziehen die Glazers den Protest der Anhängerschaft auf sich - unter anderem, weil sie einen beachtlichen Teil der Kaufsumme als Schulden auf United umschrieben. Ende November 2022 entschlossen sich die Eigentümer dann, den Spitzenklub über die US-Handelsbank Raine zum unverbindlichen (Teil-)Verkauf auszuschreiben. Ganz sicher waren sie sich aber offenbar nicht. Zu verlockend erscheint es, den Rekordmeister als Goldesel zu besitzen. Bislang halten die Glazer-Kinder 69 Prozent des an der Börse in New York notierten Klubs. Nur welchen Wert hat dieser wirklich, wenn man sich allenfalls okkasionell für Fußball interessiert und nicht mal die Spiele im Stadion verfolgen kann, ohne beschimpft zu werden?

Erst vor wenigen Tagen, beim Europa-League-Heimsieg über den FC Barcelona, skandierten die Fans: "Steht auf, wenn ihr die Glazers verachtet" - woraufhin sich fast alle Zuschauer erhoben.

Europa League
:United bricht aus wie ein Vulkan

Manchester erreicht gegen den FC Barcelona das Achtelfinale dank jener Tugenden, die an die erfolgreiche Ferguson-Ära erinnern. Das Team profitiert von Entscheidungen des Trainers Erik ten Hag - und dem Abgang von Cristiano Ronaldo.

Von Sven Haist

An potenziellen Käufern mangelt es jedenfalls nicht, und zwei Bewerber haben ihre Ambitionen bereits öffentlich formuliert: Jim Ratcliffe, mit einem auf 14 Milliarden Pfund geschätzten Vermögen einer der reichsten Briten und Vorsitzender des Großkonzerns Ineos, sowie Scheich Jas­sim bin Hamad al-Thani, Direktor der Qatar Islamic Bank und Sohn eines einstigen Premierministers Katars. Beide bezeichnen sich als lebenslange United-Fans und werben offensiv für sich - womit sie sich gleichzeitig unter Druck setzen.

Das Elternhaus von Ratcliffe, 70, lag einst gegenüber des Heimspielstadions Old Trafford. Immerzu betont er seine Leidenschaft fürs Spiel, ebenso wie für andere Sportarten. Ratcliffe hechelte einst auf Skiern zum Nord- und Südpol, mit 64 Jahren absolvierte er einen Ironman. Sein Lebenstraum von einem Engagement bei United schien jedoch nie in Reichweite zu rücken - bis vor ein paar Monaten. Ob ihm, Ratcliffe, sein Lieblingsverein wirklich ein Milliardenbetrag wert sei, fragte ihn die Zeitung Times? "Wenn man etwas tun will", sagte er, "geht man aufs Ganze oder man macht es gar nicht."

Über Scheich Jas­sim, 40, ist weniger bekannt. Er wurde an der Königlichen Militärakademie im englischen Sandhurst zum Offiziersanwärter ausgebildet. Mit 28 Jahren saß er für sieben Jahre im Vorstand der Credit Suisse, nachdem Katar zuvor Milliarden in das Kreditinstitut investiert hatte. Die britische Presse bezeichnet ihn als "billionaire banker" - weil er sowohl Vorsitzender der Investmentbank QInvest ist als auch der Qatar Islamic Bank.

"Greenwashing" gegen "Sportswashing", schreibt die britische Presse über das Bieterduell

Jassim behauptet, seine Ambition seien keineswegs staatlich motiviert. Seine Kandidatur möchte er über das neue Kapitalvehikel Nine Two Foundation finanzieren - in Anlehnung an den Dokumentarfilm "The Class of ̓92". In diesem Jahr gewannen einige bedeutende United-Spieler in der Jugend den FA Cup. Doch die Herkunft des Vermögens und Jassims familiäre Verbindungen zur Herrscherfamilie, der Menschenre­chtsverletzungen vorgehalten werden, werfen Fragen auf. Der katarische Staatsfonds hat Beteiligungen an der Qatar Islamic Bank und steht dem Kapitalvehikel Qatar Sports Investments nahe, das bei Paris Saint-Germain die Anteile besitzt. Ein Interessenskonflikt wird bestritten.

Auch am Konkurrenten Ratcliffe wird Kritik laut, vor allem an dessen Ineos-Konzern. Der in London ansässigen Unternehmensgruppe gehören Raffinerien, Offshore-Gasfelder und Chemiewerke. Ineos nutzt Erdgas und Rohöl, um Petrochemikalien herzustellen, die für Alltagsprodukte wie Kunststoffe notwendig sind. Soeben schloss der Konzern einen Langstreckenvertrag über die Lieferung großer Mengen Erdgas aus den USA nach Deutschland ab.

Weil die Industrie der Natur alles andere als zuträglich ist, beanstanden Umweltaktivisten seit Langem die ökologischen Auswirkungen des Milliardengeschäfts. Sie werfen Ratcliffe vor, durch Investitionen in den Sport - von Fußballvereinen wie OGC Nizza bis zum Formel-1-Team Mercedes - die Reputation des Unternehmens verbessern zu wollen. Ineos bestreitet sämtliche Vorwürfe, begreift sein Engagement als "Liebe zum Sport" und sieht sich als gewissenhaft handelnder Betrieb.

SZ PlusIneos bei der Tour de France
:Medikamente "wie Süßigkeiten" verteilt

Ein Jahrzehnt lang dominierte das Team Ineos das Peloton und holte sieben Tour-Siege. Seltsame Vorgänge gab es in dieser Zeit zahlreiche - seit einem Urteil liegt die schöne Erzählung endgültig in Trümmern.

Von Johannes Aumüller

Etwas weniger blumig sieht es die britische Presse. Der Telegraph urteilte jetzt über das Bieterduell zwischen Sir Ratcliffe und Scheich Jas­sim: "Greenwashing" gegen "Sportswashing".

Eine Übernahme von United würde Ratcliffe jedenfalls zu neuen Höhen verhelfen - nachdem er während der Finanzkrise tief gefallen war. Sinkende Rohstoffpreise hatten Ineos in Zahlungsnot gebracht, Ratcliffe flüchtete mit der Zentrale vorübergehend in die Schweiz. Die damalige Labour-Regierung hatte einen Antrag auf Stundung der Mehrwertsteuer abgelehnt.

Ratcliffe selbst, ein Befürworter des Brexits, verlegte seinen Wohnsitz ein Jahrzehnt später ins Steuerparadies Monaco, nachdem er kurz zuvor den königlichen Orden für seine Verdienste um die britische Wirtschaft empfangen hatte. Der Umzug soll ihm Steuern in Milliardenhöhe sparen. Ratcliffe sah darin jedoch keine Undankbarkeit, sagte er der Times - weil er "erst im Rentenalter" umgesiedelt sei.

Wie nun seine Chancen mit United stehen? Mit großer Sicherheit gewinnt die höchste Offerte. Und wenn der Betrag nicht den Erwartungen der Familie Glazer entspricht, werden sie den Verein wohl behalten.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Reform in der englischen Premier League
:Der Staat übernimmt die Spielkontrolle

Die britische Regierung gründet eine Aufsichtsbehörde, die Investoren und Eigentümer der Premier League künftig genau überprüfen soll. Ein beispielloser Eingriff in die bisher weitgehende Autonomie des Fußballs.

Von Sven Haist

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: