Mainz gegen Dortmund:Grenzgänger trifft auf Motorschrauber

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Thomas Tuchel kehrt mit einem Kader nach Mainz zurück, der für die Champions League taugt. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Mainz 05 empfängt Borussia Dortmund - und damit auch den früheren Mainz-Trainer Thomas Tuchel.
  • Gegen seinen Ex-Verein bringt der Coach dank seines Kaders neue taktische Möglichkeiten mit.
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Von Tobias Schächter, Mainz

Neulich wollte Stefan Bell nicht glauben, dass seine Mannschaft ein Trainingsspiel 3:4 verloren hatte. Also fragte der Mainzer Innenverteidiger seinen Trainer Martin Schmidt, ob dessen Betreuerstab nicht überprüfen könne, ob das Duell nicht doch 3:3 ausgegangen sei.

Für Schmidt und sein Team ist das kein Problem, alle Trainingseinheiten werden aufgezeichnet. Herzfrequenzen, Laufwege, Sprints. Und es gibt eine Liste, in der für jeden Spieler eingetragen ist, wie viele Trainingskicks er gewonnen hat. Bell steht in dieser Liste weit oben. Schmidt sagt: "Ich verwende das hauptsächlich, um eine Wettkampfmentalität zu entwickeln. Wenn du erreichst, dass alle Spieler am Dienstagmorgen ein Spiel sieben gegen sieben gewinnen wollen, dann brauchst du dir als Trainer keine Gedanken zu machen, ob die Einstellung am Samstag stimmt."

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Das Beispiel zeigt, wie Martin Schmidt seine Arbeit angeht. Vor dem Heimspiel an diesem Freitag gegen Borussia Dortmund hat er seinen Profis ein Interviewverbot erteilt. Der Sport soll im Vordergrund stehen, wenn der ehemalige Mainzer Trainer Thomas Tuchel zum ersten Mal als Coach einer fremden Mannschaft nach Rheinhessen zurückkehrt. Tuchel hatte Mainz vor anderthalb Jahren im Streit und vor Ablauf seines Vertrages verlassen.

Tuchel ist Geschichte

Mancher bei Nullfünf trägt Tuchel das noch immer nach, Präsident Harald Strutz nannte Anfang der Woche die Umstände des Abschieds "grenzwertig". Tuchel selbst reagierte auf die Kritik gelassen. "Darüber habe ich mich nicht mehr geärgert, die Zeit ist vorbei", sagt er. Er könne sich insgesamt "überhaupt nicht vorstellen, dass die Mainzer Vorbehalte gegen mich haben". Tuchel, 42, ist der erfolgreichste Mainzer Bundesligatrainer. Aber Tuchel ist in Mainz auch Geschichte, nun ist der 48 Jahre alte Schweizer Martin Schmidt das Gesicht an der Seitenlinie.

Schmidt kam vor etwas mehr als fünf Jahren aus Thun nach Mainz, als Jugendtrainer - auf Empfehlung von Tuchel. Wie Schmidt bei einem Turnier mit einer Thuner Nachwuchself seine Mainzer U19 besiegte, hatte Tuchel beeindruckt. Als Schmidt 2013 in der Schweiz die Trainerlizenz erwarb, war Tuchel sein Mentor. Schmidt nennt den heutigen BVB-Trainer seinen "Taktgeber", dem er "ewig dankbar" sei: "Von Thomas konnte ich viel über Trainingslehre lernen. Ich wurde als Assistent von ihm gecoacht und auf höchstem Niveau weitergebildet. Im Taktikbereich habe ich vieles gelernt - über Athletik, Wille, Geschwindigkeit."

Schmidt wurde auf Umwegen Fußballtrainer, seine ungewöhnliche Biografie als Unternehmer in der Modebranche und als Mechaniker beim Deutschen Tourenwagen Masters (DTM) sorgte im März für Aufsehen, als er in Mainz zum Chef befördert wurde, als Nachfolger des gescheiterten dänischen Passspielfanatikers Kasper Hjulmand.

Im Abstiegskampf setzte Schmidt wieder auf den typischen Mainzer Umschaltfußball, wie er dort schon unter Jürgen Klopp und dann unter Tuchel erfolgreich war. Mainz gewann jene Spiele, die es gewinnen musste und schaffte souverän den Klassenerhalt. Schmidt sagt: "Es geht immer auch darum, die richtigen Spiele zu gewinnen. Diese Denke muss in die Köpfe der Spieler." Aktuell steht Mainz mit zwölf Punkten auf Rang acht gut da.

Duell mit ungleichen Waffen

Seit Tuchel die Dortmunder trainiert, gab es keinen Kontakt mehr zwischen den beiden. Schmidt glaubt: "Thomas kann mich am Freitag mehr überraschen, als ich ihn, er hat jetzt andere Waffen." In den Jugendteams sei Fußball ein "Trainer-Spiel", glaubt Schmidt, je höher man aber komme, werde es zu einem Spieler-Spiel. Der Mainzer Trainer sagt: "Spieler entscheiden das Spiel. Man muss als Trainer die Spieler motivieren können. Ich glaube, du kannst Menschen nur führen, verbal etwas auslösen und Menschenfänger sein, wenn du die Menschen liebst."

Martin Schmidt merkt zwar, dass die Aufmerksamkeit ihm gegenüber gestiegen ist. Raus ins Kaffeehaus geht er aber weiterhin. "Wenn ich versuche, die Aufmerksamkeit nicht persönlich zu nehmen, kann ich nach meiner Zeit als Bundesligatrainer ganz normal weiterleben. Das ist mir sehr wichtig."

© SZ vom 16.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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