Krise bei Werder Bremen:"Auch wenn wir 0:12 gegen die Bayern verlieren"

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Läuft nicht: Claudio Pizarro bei Werder Bremen (Foto: Bongarts/Getty Images)

Vor dem Spiel gegen den FC Bayern plagt Werder Bremen unerwartet eine Krise. Trainer Viktor Skripnik soll bleiben - obwohl der Klub abstürzt und Claudio Pizarro lahmt.

Von Carsten Eberts, Bremen/München

Zlatko Junuzovic kann seinen Mitspielern nun berichten, wie gut sich das anfühlt. Mit den Österreichern hat sich der Bremer Mittelfeldspieler für die EM in Frankreich qualifiziert - und dabei das Kunststück vollbracht, in zehn Qualifikationsspielen ungeschlagen zu bleiben (neun Siege, ein Remis). Das muss ein Gefühl von Stolz und Glück sein für Junuzovic, denn bei Werder, seinem Bundesligaklub, blieb zuletzt nur die versammelte Gegnerschaft ungeschlagen.

Ingolstadt, Darmstadt, Leverkusen, Hannover - das ist die bittere Namenskette der jüngsten Bremer Niederlagen; vier Pleiten gegen zumindest drei schwächer eingestufte Gegner. Und so muss sich der SV Werder vor dem Spiel gegen den FC Bayern mit einer unerwarteten Krise herumplagen. Einer Krise, die niemand so recht versteht, schließlich schien der Verein bis vor kurzem zufrieden mit sich zu sein.

Doch die Mannschaft lieferte zuletzt blutarme Auftritte in Serie. Nach dem 0:3 gegen Leverkusen grollte Manager Thomas Eichin, das Team habe gespielt, als "hätte man uns Schlafmittel in das Getränk gemischt". Bis runter auf Tabellenpatz 14 ist Werder momentan abgerutscht.

Nach Pizarros starkem Debüt begann die Niederlagen-Serie

Dabei hatte sich alles gut angefühlt zu Saisonbeginn. Es gab Gründe für Optimismus nach der unruhigen Spielzeit 2014/15, denn Werder hatte nicht nur wichtige Spieler gehalten wie den Österreicher Junuzovic, sondern auch Lob für seine Zukäufe erhalten. Der 1. FC Köln ließ seinen Mittelstürmer Anthony Ujah nur ungern zu Werder ziehen; zusammen mit Franco di Santo sollte der Nigerianer das neue Bremer Angriffsduo bilden. Als di Santo den Klub aber plötzlich Richtung Gelsenkirchen verließ, brach Unruhe aus. Die legte sich jedoch, als Eichin den alten Werder-Helden Claudio Pizarro als Ersatz präsentierte.

Dieser Coup brachte Eichin viel Kredit ein, nach anfänglichen Fremdeleien gilt er vielen in Bremen mittlerweile als gute Manager-Wahl. Zumal Pizarro gleich das tat, wofür er geholt wurde: Gegen Hoffenheim legte er famos das entscheidende 2:1 durch Ujah auf (Endstand 3:1). Auch wegen dieser Rückholaktion durfte Eichin jüngst zu guten Konditionen bis 2018 verlängern.

Das Dumme nur: Seit Pizarro da ist, hat Werder nur dieses eine Spiel gewonnen. Einmal spielte der 37-Jährige von Beginn an, dreimal wurde er eingewechselt - fast ohne Effekt. Er sei eben doch "kein Heilsbringer", urteilte Trainer Viktor Skripnik, was den Stimmungswandel beim Thema Pizarro trefflich illustriert. Zudem nehmen sie es dem Peruaner in Bremen übel, dass der nach dem Hoffenheim-Spiel in der ersten Euphorie forsch vom Ziel Europapokal sprach: "Ganz unbremerisch" sei das gewesen, klagte Aufsichtsrat Willi Lemke, "und nicht besonders schlau."

Doch die Personalie Pizarro ist nur ein Grund für den Absturz. Ein anderer mag die Spielerpolitik von Skripnik sein, bei dem Werder ja eigentlich glaubte, man hätte endlich einen Trainer gefunden, der nach Bremen passt: ein Urgestein des Vereins, mehr Unikat als telegener Charmebolzen, der nicht wenige an seinen Lehrmeister Thomas Schaaf erinnert. In der vergangenen Saison führte Skripnik Werder locker aus dem Tabellenkeller, doch plötzlich wirkt der Ukrainer nervös.

Skripnik sei "der Richtige"

Kritiker reiben sich am wenig planvollen Umgang des 45-Jährigen mit den Talenten des Vereins. Die Syker Kreiszeitung hat vorgerechnet, wie viele Spieler Skripnik mit großen Hoffnungen aus der U23 in den Profikader beordert hat, sie dort jedoch verschmähte. Levent Aycicek, 21, ist so ein Fall: Er erhielt vor der Saison verheißungsvoll die Rückennummer zehn, spielt aber keine Rolle. Auch Maximilian Eggestein, 18, galt als fest eingeplant. Nach mäßigem Saisonstart setzte ihn Skripnik fünf Partien auf die Ersatzbank. Zum Aufbau von Selbstbewusstsein trägt das kaum bei.

Am Trainer soll es aber nicht liegen. Vor dem Bayern-Spiel stellt sich Aufsichtsratschef Marco Bode vor seinen früheren Mitspieler. Anfang der Woche besuchte er das Team auf dem Trainingsplatz am Weser-Stadion. Er kickte ein wenig mit, schließlich hatte er es früher bis zum Europameister gebracht. Vor allem aber führte Bode viele Gespräche. Er wollte "ein Gefühl dafür kriegen, wie die Stimmung in der Mannschaft ist", erklärte er. Die Situation sei "nicht unkritisch", das Team täte gut daran, langsam mal wieder zu gewinnen.

Skripnik jedoch, so Bode, verfüge über "Fähigkeiten, mit der Mannschaft durch diese Krise durchzukommen". Und auch Manager Eichin glaubt fest, Skripnik sei "der Richtige". Der frühere Eishockey-Funktionär liebt knackige Worte, und so schickt er dem Spiel gegen den Rekordmeister voraus: "Auch wenn wir 0:12 gegen die Bayern verlieren, wird Viktor unser Trainer bleiben."

© SZ vom 16.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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