Mainz 05 im Abstiegskampf:Karneval schlägt Karnevalsverein

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Der Mainzer Torwart Robin Zentner (r) ist eine Stütze des Teams, das ansonsten erhebliche Probleme hat derzeit in der Bundesliga. (Foto: Torsten Silz/dpa)

Trotz einer Mobilisierungs-Kampagne des Vereins bleiben 10 000 Plätze im Mainzer Stadion leer. Im Abstiegskampf äußern die Spieler auch erste vorsichtige Zweifel an der defensiven Taktik des Trainers.

Von Frank Hellmann, Mainz

Fast die halbe Mannschaft in den rot-weißen Trikots rammte nach Schlusspfiff die Hände in die Hüften. Einige schauten betroffen auf den zerfurchten Rasen, die anderen auf sich rasch leerende Tribünen. All die vollmundigen Ankündigungen von einem euphorisierenden Start ins Jahr 2024 schienen beim FSV Mainz 05 nach dem nächsten Remis (1:1) gegen den VfL Wolfsburg wie weggefroren - auch wenn die Verantwortlichen naturgemäß die erwärmenden Ansätze herausstrichen. "Ein guter Punkt im Abstiegskampf", sagte Sportdirektor Martin Schmidt, "hinten waren wir solide, haben wenig zugelassen. Vorne müssen wir an der Effizienz arbeiten."

Solche Sätze hatte der Schweizer allerdings schon im alten Jahr in Endlosschleife aufgesagt, ehe der Vorstand kurz vor Weihnachten seinen aus der U23 beförderten Jan Siewert mit einem bis 2026 laufenden Cheftrainervertrag ausstattete. Reichlich Vertrauen für einen Fußballlehrer, der auch im achten Anlauf bei nur einem Bundesligasieg steht - seiner Premiere gegen RB Leipzig (2:0). Dass seitdem nur drei weitere Treffer gelangen, verrät viel über den primären Ansatz des 41-Jährigen: Stabilität steht über allem.

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Um die angeblich so furchteinflößende Ballzirkulation der VfL-Mittelfeldstrategen Maximilian Arnold und Aster Vranckx zu unterbinden, schmorte Brajan Gruda, die beste Mainzer Kreativkraft, mehr als eine Stunde auf der Bank. Zudem soll der talentierte Dribbler aus der Meisterelf der A-Junioren im Trainingslager mit unnötigen Hackentricks aufgefallen sein, weswegen ihn Siewert noch unter spanischer Sonne in den Senkel stellte.

Mit solchen Maßnahmen nimmt der Coach billigend in Kauf, dass das Offensivspiel gänzlich von Überraschungsmomenten befreit ist. Selbst in Spielerkreisen regt sich Kritik am vorsichtigen Vorgehen. "Wir sind zu schlampig im letzten Drittel. Es fehlen klare Bälle aus dem Mittelfeld", bemängelte Angreifer Karim Onisiwo. Dessen Sturmpartner Jonathan Burkardt hat zwar ein bis 2027 laufendes Arbeitspapier unterschrieben, aber nach fast einjähriger Ausfallzeit noch nicht die alte Form. Und Nelson Weiper, das hoffnungsvollste Sturmtalent, musste gerade eine zweite Kniearthroskopie über sich ergehen lassen.

Ähnliche Lücken auf den Mainzer Rängen drohen auch im nächsten Heimspiel gegen Union

Und was ist eigentlich mit Ludovic Ajorque, dem im vergangenen Winter für immerhin sechs Millionen Euro Ablöse aus Straßburg geholten Mittelstürmer, der unter Trainer Bo Svensson recht verlässlich lieferte? Schmidt deutete an, der Kopf sei beim 1,96 Meter großen Franzosen aus privaten Gründen nicht ganz frei, weil die Ehefrau kurz vor der Entbindung stehe; Siewert erklärte, gegen die kopfballstarke Wolfsburger Abwehr habe er nicht mit hohen Bällen agieren wollen. So kommt bei der Torflaute dieses Abstiegskandidaten eines zum anderen.

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Den Ist-Zustand der Harmlosigkeit beklagte auch Kapitän Silvan Widmer: "Wir müssen mehr Präsenz in der Box zeigen und mehr Gefahr ausstrahlen." Der Rechtsverteidiger besorgte mit einem technisch anspruchsvollen, aber so gar nicht beabsichtigten Dropkick ("ich wollte den Ball scharf vorne reinbringen") immerhin den Ausgleich (61.), nachdem sich die ansonsten eher biederen Niedersachsen durch Vaclav Cerny für ihren ersten gescheiten Spielzug sofort belohnt hatten (12.). Bei den Rheinhessen erwies sich der zurückgekehrte Widmer ebenso als Stütze wie Stammtorwart Robin Zentner.

Trotz allem reißen die Mainzer Auftritte die Leute nicht vom Hocker. Obwohl Stadionsprecher Andreas Bockius hinausposaunte, die ganze Stadt werde den Nullfünfer im Kampf um den Klassenerhalt beistehen - eine solche Kampagne hat der Klub aufgelegt -, blieben doch 10 000 Plätze in der Arena am Europakreisel leer. Ähnliche Lücken auf den Rängen drohen auch beim nächsten Heimspiel gegen Union Berlin am Freitagabend. Intern wird als Begründung genannt, dass Teile der potenziellen Anhängerschaft derzeit an den Wochenenden in die Vorbereitung für die Mainzer Fastnacht eingebunden seien. Vielleicht bereitet Karneval aber auch einfach mehr Vergnügen als die winterlichen Fußballspiele des selbst ernannten Karnevalsvereins.

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