Luka Modric bei der Fußball-WM:Zaubereien mit dem Außenrist

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Luka Modric bei der Fußball-WM, Zaubereien mit dem Außenrist (Video: Süddeutsche Zeitung)

Prozess in der Heimat, Faschisten-Lied in der Kabine, vergeigter Elfer: Unbeeindruckt von allen Affären zieht Luka Modric seine Kroaten mit. Auch im Viertelfinale gegen Russland?

Von Javier Cáceres , Sotschi

Vor ein paar Monaten traf Luka Modric in Madrid den früheren Weltmeister Jorge Valdano aus Argentinien und schilderte ihm die Episode, die zumindest ansatzweise erklärt, warum Rafael Benítez bei Real Madrid vor gar nicht so langer Zeit als Trainer gescheitert war. "Der konnte immer noch nicht begreifen, was Benítez von ihm verlangt hatte", schilderte Valdano, und es klang auch unerhört: Modric sollte seine Kunst verstecken.

"Benítez versuchte, Modric zu verbieten, den Ball mit dem Außenrist zu spielen", erklärte Valdano. Keine Fläche des Fußes sei unsensibler, die Genauigkeit der Pässe würde darunter leiden, so habe Benítez' Begründung gelautet, es sei daher ratsamer, den Ball mit dem Innenrist zu schlagen. Valdano schüttelte darob nur den Kopf: "Allein was man an Zeit gewinnt, wenn man den Ball mit dem Außenrist so beherrscht wie Modric, und den Ball direkt spielen kann!", rief er aus. Und überhaupt: "Was der wohl Beckenbauer gesagt hätte?" Modric wurde Benítez nach gut einem halben Jahr wieder los: Anfang 2016 musste der Spanier gehen und Zinédine Zidane Platz machen, der dann drei Champions-League-Titel in Serie gewann. Mit Modric als Kardinalpunkt im Spiel des spanischen Rekordmeisters.

Kroatien ist bei der WM abgeschottet

In Sotschi trainiert Kroatien seit Tagen auf einem abgeschotteten Platz in der Nähe des Strandes, und das wenige, was die Journalisten von den Übungen zu sehen bekommen, ist eben dies: dass der Kapitän der Kroaten bei den Spielchen kaum etwas anderes macht, als den Ball mit dem Außenrist zu spielen - und dabei in seinem Element zu sein scheint.

Überhaupt ist die Stimmung auf dem Platz ausgelassen, was dem Umstand geschuldet ist, dass die Kroaten nach den Enttäuschungen bei den Weltmeisterschaften 2006 und 2014 (jeweils Vorrunden-Aus) das Viertelfinale erreicht haben. Bei einem Sieg am Samstag (20 Uhr/Liveticker SZ.de) gegen Russland würden sie mit der zur Legende verklärten Mannschaft von 1998 gleichziehen. Die schlug damals, angeführt von Zvonimir Boban und Davor Suker, Deutschland im Viertelfinale - und wurde am Ende hinter Frankreich und Brasilien Turnierdritte.

Kunst und Kontrolle: Luka Modric mit seinem Liebling, dem Ball. (Foto: AP)

Abseits des Platzes geht es zurzeit bei den Kroaten nicht ganz so entspannt zu. Nach dem 3:0 gegen Argentinien kam Verteidiger Dejan Lovren ins Gerede, weil er bei den Feierlichkeiten in der Kabine mit den Kameraden das Lied "Bojna Cavoglave" anstimmte - die Weise einer faschistischen Band namens Thompson, die das Ustasha-Regime glorifiziert und die Konzentrationslager Jasenovac und Stara Gradiska besungen hat. Modric hat ebenfalls mit Negativschlagzeilen zu kämpfen. Er ist eine Schlüsselfigur in einem Prozess wegen millionenschwerer Steuerhinterziehung und Unterschlagung gegen Zdravko Mamic, den Paten des kroatischen Fußballs.

Mamic hatte Erlöse von Auslandstransfers früherer Dinamo-Zagreb-Spieler in die eigene Tasche gewirtschaftet - Dank obskurer Absprachen mit den betroffenen Spielern, darunter auch Modric, als dieser 2008 zu Tottenham Hotspur wechselte. Weil Modric in einer zentralen Frage in zwei verschiedenen Anhörungen gegensätzliche Aussagen machte, steht ihm nun selbst ein Prozess wegen Falschaussage ins Haus. Theoretisch könnte er sogar zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt werden. Als er zu Beginn der WM darauf angesprochen wurde, rastete er aus. Er habe wohl lange recherchiert, herrschte er den Journalisten an: "Das hier ist eine WM, nur darum geht es", zürnte Modric.

Zumindest hat er in den folgenden Wochen den Kern der Frage auf dem Platz beantwortet. Sie zielte darauf ab, zu hinterfragen, ob die Affäre ihn belaste.

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Davon kann keine Rede sein. Teilweise spielte Modric so brillant wie im Mittelfeld von Real Madrid, wo er an den vier jüngsten Champions-League-Titeln beteiligt war und an der Seite von Toni Kroos und Casemiro zu dem vielleicht bestimmendsten offensiven Mittelfeldspieler Europas der letzten fünf Jahre herangewachsen ist. Dass er bei seinem Wechsel in die spanische Hauptstadt 2012 umstritten war, ist längst vergessen.

Bei der WM zählt der feinfüßige Kroate aus Zadar neben dem Brasilianer Neymar und dem Franzosen Kylian Mbappé zu den auffälligsten Akteuren. In internationalen Fachmedien wird Modric seit dem Ausscheiden des Argentiniers Lionel Messi und des Portugiesen Cristiano Ronaldo gar als Kandidat für den "Ballon d'Or" gehandelt, der Auszeichnung für den besten Spieler des Jahres. Modric stand vor wenigen Tagen allerdings kurz davor, sein eigenes Werk zu zerstören. In der Verlängerung des Achtelfinales gegen Dänemark vergab er einen Strafstoß und beschwor damit das Elfmeterschießen herauf.

"Unmittelbar vor dem Elfmeterschießen hatte ich die Jungs beieinander, und ich habe ihnen gesagt: 'Luka hat uns so oft gerettet, er hat so wichtige Tore geschossen, er ist zu jedem Augenblick für uns da - jetzt müssen wir für ihn da sein'", erzählte der frühere Schalker und heutige Barcelona-Profi Ivan Rakitic, eine weitere Schlüsselfigur der Kroaten, dem Daily Telegraph. Die Kroaten setzten sich tatsächlich durch - auch weil Modric sich trotz des verschossenen Elfmeters erneut an den Punkt wagte. Und traf. "Wow! Unglaublich! Was für Eier Du hast!", hätten sie nach dem Elfmeterschießen zu ihrem Kapitän gesagt, erklärte Rakitic, der darauf baut, dass Modric sie auch am Samstag wieder zeigt.

© SZ vom 07.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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