Premier League:Klopp hilft sich - und seinem Ex-Torwart

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Jürgen Klopp feiert in Newcastle einen unerwarteten, aber sehr wichtigen Sieg. Die Liga-Saison ist für ihn so noch zu retten. (Foto: Scott Heppell/Reuters)

Der FC Liverpool gewinnt als erstes Team der Saison in Newcastle, die Champions-League-Plätze rücken wieder in Sichtweite. Weil beim Gegner der Torwart Rot sieht, könnte nun der ehemalige Liverpooler Loris Karius ein unerwartetes Comeback feiern.

Von Sven Haist, Newcastle

Das Topspiel in der Premier League war noch lange nicht vorbei, aber ein Sieger stand schon fest. Es handelte es sich dabei weder um den FC Liverpool, der am Ende tatsächlich 2:0 (2:0) gegen Newcastle United gewann, noch um einen Spieler, der auf dem Spielberichtsbogen stand. Sondern um Newcastles dritten Torwart. Und das ist ein alter Bekannter: der Deutsche Loris Karius.

Wie es zu dieser kuriosen Begebenheit kam? In der 22. Spielminute leitete Liverpools Torwart Alisson Becker mit einem weiten Abschlag einen Konter für sein Team ein. Den auf dem durchnässten Rasen kaum abspringenden Ball unterschätzte Newcastle-Keeper Nick Pope. Statt den Ball mit dem Fuß vor dem heransprintenden Liverpooler Angreifer Mohamed Salah zu klären, tauchte Pope ab und versuchte, den Ball irgendwie mit dem Kopf auf Rasenhöhe zu erwischen. Dies tat er zwar, allerdings legte er den Ball so erst recht für Salah auf. Vermutlich aus Panik über sein Missgeschick griff er dann mit den Händen außerhalb des Strafraums nach dem Ball - und sah die rote Karte.

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Weil sich in England die mit dem Platzverweis einhergehende Spielsperre immer auf die wettbewerbsübergreifend nächsten Spiele bezieht, fehlt Pope seiner Mannschaft mindestens im nächsten Pflichtspiel - dem League-Cup-Finale gegen Manchester United im Wembley-Stadion, am Sonntag in einer Woche. Das würde eigentlich eine Bewährungschance für Ersatzkeeper Martin Dubravka bedeuten, der allerdings für diese Partie ebenfalls nicht spielberichtigt ist. Dubravka war in der Hinrunde an United verliehen, und anders als etwa die Statuten der Champions League erlauben die Regularien im League Cup keinen Einsatz für zwei Klubs in einer Saison.

Somit bleibt Newcastles Trainer Eddie Howe nur noch die Wahl zwischen Loris Karius und einem weiteren Reservemann, dem 30-jährigen Mark Gillespie - wobei Karius als dritter Torwart gilt. Der Verein verpflichtete den vereinslosen Deutschen im September als Reaktion auf eine Verletzung des Schlussmanns Karl Darlow. Auf der Pressekonferenz nach dem Spiel sagte Howe, dass er "traurig" sei für seinen Stammtorwart Pope. Nun müsse er sich zwischen Karius und Gillespie entscheiden, die beide "sehr gut" trainiert hätten. Karius verfüge über "eine Menge Erfahrung", er stehe "voll" hinter ihm.

Karius sorgte mitunter selbst dafür, dass seine Torwartkarriere in den Hintergrund rückte

Für Karius wäre ein Mitwirken im Cupfinale der erste Pflichtspieleinsatz seit zwei Jahren. Damals stand er in der Bundesliga für Union Berlin beim 1:1 gegen Hoffenheim zwischen den Pfosten. Dauerhaft als Torwart etablieren konnte er sich jedoch in Berlin ebenso wenig wie zuvor bei Fenerbahce Istanbul - nachdem ihm für Liverpool beim verlorenen Champions-League-Finale 2018 zwei legendäre Fehlgriffe unterlaufen waren. Später hieß es, er habe mit einer Gehirnerschütterung gespielt. Seitdem kam er nicht mehr an seine früher durchaus vorzeigbaren Fähigkeiten heran. Aufgrund einiger schriller Auftritte in der Öffentlichkeit sorgte er mitunter selbst dafür, dass seine Torwartkarriere in den Hintergrund rückte. Durch die Vakanz bei Newcastle könnte er jetzt noch mal eine Chance auf großer Bühne erhalten - in gewisser Weise dank seines ehemaligen Klubs.

Zwei legendäre Fehlgriffe: Im Champions-League-Finale 2018 gegen Real Madrid patzte Loris Karius, danach kam er nicht mehr seine Leistungen heran. (Foto: Ina Fassbender/dpa)

Die frühe Hinausstellung von Torwart Pope verhalf Liverpool - das zu diesem Zeitpunkt schon durch Tore von Darwin Núñez (10.) und Cody Gakpo (17.) geführt hatte - zu einem wegweisenden Sieg. Im Fernduell mit Newcastle um die Qualifikation zur Champions League verkürzte Liverpool den Rückstand bei einem weniger absolvierten Spiel auf sechs Punkte. Am Dienstag steht im Anfield das Achtelfinale gegen Real Madrid an.

Liverpool scheint gegen die großen Gegner besser zu spielen

Dabei zählte das Gastspiel im St. James' Park vorab eigentlich zu den unangenehmsten Auswärtsreisen in der Premier League. Newcastle war bis dahin ohne Heimniederlage und seit 17 Ligaspielen ungeschlagen. Wie zum Beweis erzeugten die Newcastle-Fans einen ohrenbetäubenden Lärm, bei dem sich selbst der stimmgewaltige LFC-Coach Klopp mühte, mit seinen Anweisungen durchzudringen. Es dauerte eine Viertelstunde, bis er seine Änderungen in der Abwehr vornehmen konnte. Bis dahin ließ Salah seinen Hintermann Trent Alexander-Arnold allein - wodurch Miguel Almirón fast die Führung für Newcastle gelang.

Liverpool nahm die Partie in der Defensive ähnlich sorg- und bisweilen sogar teilnahmslos auf wie bei den vorigen drei Ligaauswärtspleiten mit jeweils drei Gegentoren, die den Klub ins Tabellenmittelfeld hatten abrutschen lassen. Zu den Erkenntnissen dieser Saison gehört es, dass sich Liverpool immer erst dann voll anzustrengen scheint, wenn der Gegner zur gehobenen Klasse zählt. Diese Erfahrung musste nun auch das neureiche Newcastle machen. Bei den beiden Toren durch Núñez und Gakpo waren die Spielzüge so brillant, dass sich das Match schon aufgrund dieser beiden Szenen gelohnt hätte. Jeweils beschleunigte der langsam wieder seine Form findende Salah die Angriffe - bevor er auch noch jene rote Karte herausholte, mit der er Loris Karius, seinem ehemaligen Mitspieler, einen großen Gefallen getan haben könnte.

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