Kürzlich referierte der Rennfahrer Carlos Sainz junior über die große Ehre, in einem Feld mit einem achtmaligen Weltmeister fahren zu dürfen. Umgehend korrigierte jemand den Ferrari-Piloten: Lewis Hamilton habe doch erst sieben Formel-1-Titel geholt. Der Spanier widersprach trotzig der gültigen Statistik - er rechne 2021 mit, als der Mercedes-Chauffeur Hamilton nach höchst umstrittenen Entscheidungen des später geschassten Rennleiters in der letzten Runde des Finales den schon sicher geglaubten Rekordsieg gegen Max Verstappen verlor.
Dieser fehlende Erfolg, den viele Beobachter als "geraubt" bezeichnet haben, verfolgt den Silberpfeil-Rennstall und seinen Paradefahrer noch heute. Zur Revanche kam es bislang nicht, da Mercedes nach dem Wechsel im technischen Reglement nicht mehr stark genug war, um auf Augenhöhe mit Red Bull Racing und dem überlegenen Verstappen kämpfen zu können. Aber: Aus dem Frust über den lahmenden Silberpfeil seien bei ihm nie Zweifel aufgekommen, seinen zum Saisonende auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern, versicherte Hamilton - deshalb konnte Mercedes vor dem Großen Preis von Italien an diesem Wochenende eine Personalie verkünden, die nicht bloß Hamilton-Fans erleichtert: Der siebenfache Champion bleibt ihnen bis mindestens Ende 2025 erhalten, und damit auch die Hoffnung, dass es doch noch einmal zum Zweikampf der Generationen mit Verstappen kommt.
Formel 1:Gute Zeiten für Oldtimer
Alonso, Hamilton, Hülkenberg: In der Formel 1 sind aktuell sehr viele Ü-30-Piloten erfolgreich. Warum im Motorsport das Alter weniger Nachteil und mehr Vorteil ist als in anderen Sportarten.
"Ich bin kein Mensch, der auf Rache aus ist", sagte Lewis Hamilton im Autodromo Nazionale, "ich schaue nach vorn, nicht zurück. An der Vergangenheit kann ich nichts ändern. Aber was wir tun können, ist, besser nach vorne zu arbeiten." Insgesamt 13 Jahre werden Mercedes und Hamilton in Zukunft gemeinsame Sache gemacht haben, schon heute handelt es sich um die erfolgreichste Verbindung in der Formel 1, von der 82 Siege und 72 Pole-Positionen zeugen. Widersacher Verstappen besitzt einen Vertrag bis 2028, in der Theorie ist es auch für den heute 25-Jährigen möglich, Michael Schumacher bei der Zahl der WM-Titel zu überholen. Er wird dann 30 sein, und länger zu fahren, das kann er sich bisher beim besten Willen nicht vorstellen.
Der ehemalige Quarterback Tom Brady ist Hamiltons Vorbild
Anders Lewis Hamilton, der bei Vertragsende fast 41 Jahre alt sein wird. Altersdiskriminierung gibt es in der Formel 1 nicht, allein das Leistungsvermögen und das Tempo zählen. Fernando Alonso stellt das bei seinem Comeback mit Aston Martin gerade eindrucksvoll unter Beweis, der Spanier ist im Juli 42 geworden und der älteste Fahrer im Feld. Das bestärkt Hamilton darin, die Rente noch etwas hinauszuschieben: "Vor ein paar Jahren hätte ich noch gezweifelt, ob ich in meinem Alter noch das gleiche Feuer spüre wie früher. Aber es ist immer noch da." Sein Vorbild ist sein Kumpel, US-Quarterback Tom Brady, der mit 45 abgetreten ist.
Ausgerechnet Alonso, mit dem sich Hamilton in seiner Rookie-Saison 2007 ein internes Duell bei McLaren-Mercedes lieferte, das schließlich beide den Titel kostete, wird zu Messlatte: "Fernando zeigt einfach, dass dein Talent dich nie wirklich verlässt, solange du genügend Leidenschaft hast." In der aktuellen WM-Tabelle ist der Asturier Dritter, Hamilton Vierter.
Mick Schumacher muss sich weiter gedulden
Alles eine Frage des Energiemanagements, wie Lewis Hamilton gesteht: "Ich hätte definitiv nicht gedacht, dass ich mich in dem Alter, in dem ich jetzt bin, körperlich und geistig so gut fühle, und dass ich das, was ich tue, immer noch so sehr liebe." Sein Nebensitzer bei Mercedes bleibt Landsmann George Russell, der erst 25 ist, und dessen Vertrag ebenfalls um zwei Jahre verlängert worden ist. Für Teamchef Toto Wolff die perfekte Demografie eines Rennstalls. Testfahrer Mick Schumacher, 24, muss sich also weiter gedulden oder umorientieren.
Alles, was er zu geben habe, will Hamilton in die nächsten beiden Jahre investieren. Nach der Unterschrift, die sich wegen zahlreicher Details lange hingezogen hatte, beginnt er sich schon hineinzusteigern: "Wenn es im nächsten Jahr nicht klappen sollte, dann eben im übernächsten. Unsere Geschichte ist noch nicht zu Ende." Die Vokabel unfinished business wird zu seinem neuen Mantra.