Robert Lewandowski nach Polens WM-Aus:Zu gut für sein Land

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Ein Manierismus zu viel: Im ersten Anlauf scheitert Robert Lewandowski mit seinem Strafstoß an Frankreichs Torhüter Hugo Lloris. Bei der Wiederholung trifft er. (Foto: Justin Setterfield/Getty Images)

Polen erfüllt mit der Achtelfinal-Teilnahme sein Soll. Ein im zweiten Anlauf verwandelter Elfmeter lässt Weltklassestürmer Robert Lewandowski das 1:3 gegen Frankreich leichter verschmerzen. Ob es seine letzte WM war, lässt der 34-Jährige offen.

Von Philipp Selldorf, al-Wakra

Nachdem Robert Lewandowski für Polen das Tor zum 1:3 geschossen hatte, war Frankreichs Torwart Hugo Lloris so beleidigt, dass er Anstalten machte, das Feld zu verlassen. Er nahm seine Sachen und ging los Richtung Seitenlinie, doch bevor er den Weg vollenden und eine Lektion in stolzem französischem Eigensinn erteilen konnte, beendete der Schiedsrichter die Partie.

Lewandowskis Schuss ins Tor war die letzte Aktion der Partie und vielleicht sein letzter Torschuss bei einer Weltmeisterschaft. Zum Abschluss präsentierte er noch mal eine Spezialität aus seinem Repertoire, den rhythmisch unterbrochenen Elfmeteranlauf, mit dem er jahrelang die Bundesligatorhüter genervt hatte. Lloris' Protest richtete sich aber nicht gegen Lewandowski, sondern gegen die Schiedsrichter, die ihm den Triumph nahmen, den Elfmeter gehalten zu haben.

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Der französische Keeper hatte nicht vorschriftsgemäß auf der Linie gestanden. Mit Recht ärgerte sich Lloris, dass seine Parade deshalb nicht zählen durfte - den Elfmeter hätte er nämlich auch mit verbundenen Beinen gehalten, weil Lewandowski bei seinem manierierten Anlaufgetänzel nicht Lloris, sondern sich selbst verwirrt hatte, und dem Ball bloß noch einen schwächlichen Schubs geben konnte.

Lewandowski teilt das Schicksal von Gareth Bale: Sie sind zu gut für ihr Land

Wäre an dieser Stelle tatsächlich Schluss gewesen, hätte Lewandowski möglicherweise weniger herzlich den lieben Kollegen Kylian Mbappé umarmt und später weniger entspannt das Haus verlassen. Bekanntlich sind ihm die eigenen Tore nicht ganz unwichtig. Für die erfolgreiche Ausführung des Wiederholungselfmeters, bei dessen Anlauf er sich mit einem eingesprungenen Zwischenschritt begnügte, hatte er sich extra einen anderen Ball besorgt.

Der Extraklassefußballer Lewandowski teilt das Schicksal von Leuten wie Gareth Bale oder dessen walisischem Landsmann Ryan Giggs: Sie sind zu gut für ihr Land. Die Anwesenheit Lewandowskis sorge für zu hohe Erwartungen, hat Polens Chefcoach Czeslaw Michniewicz gesagt, "Polen ist nicht Portugal, Argentinien, Frankreich". Letzteres haben die Polen vermutlich schon länger geahnt, aber zumindest während der ersten Hälfte konnten sie sich da gar nicht mehr so sicher sein.

"Wenn wir das 1:0 schießen, dann wird es vielleicht ein anderes Spiel", räsonierte Lewandowski später. Doch es lag kein Gram und kein Hadern in seinem Ton. Durch das Erreichen der K.-o.-Runde hatte Polen nach Ansicht seines Mittelstürmers das Soll erfüllt und durch die ansehnliche erste Hälfte auch die bisher vorenthaltene Reverenz an das schöne Spiel entboten.

Polens Nationalteam habe genügend junge Spieler für eine gute Zukunft, aber wie lange er sich daran noch beteiligen möchte, ließ Lewandowski erst mal offen. Physisch habe er keinerlei Bedenken, 2026 in Nordamerika nochmal an den Start zu gehen, versicherte der 34-Jährige. Aber ob er dann noch die nötige Lust habe? "Da gibt es so viele verschiedene und private Dinge außerhalb vom Fußball - all das könnte dazu führen, dass dies hier mein letzter Worldcup war", sprach Lewandowski und entschwand. Nächste Station in drei Tagen: der Trainingsplatz des FC Barcelona. Die ersten drei Liga-Spiele fehlt er dort übrigens wegen eines Platzverweises vor der WM-Pause - ein Einspruch Barças wurde am Montag abgewiesen.

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