Leverkusener Sieg in Dortmund:Leidenschaft im D-Zug-Tempo

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Wie entfesselt: Die Leverkusener Spieler feiern den Sieg in Dortmund (Foto: Bongarts/Getty Images)

Roger Schmidt soll das Leverkusener Spiel schneller und attraktiver machen. Wie schnell der Stilwechsel des neuen Trainers zu gelingen scheint, zeigt der mitreißende Sieg zum Bundesliga-Auftakt gegen überforderte Dortmunder.

Von Felix Meininghaus, Dortmund

Was tut ein Trainer, wenn er gerade sein erstes Bundesligaspiel gewonnen hat, und das vor der größtmöglichen Kulisse von mehr als 80 000 Zuschauern? Flippt er aus und rennt wie von Sinnen über den Rasen? Bricht er weinend an der Schulter seines Assistenten zusammen? Kniet er nieder und sendet ein Stoßgebet zum Fußballgott?

Nichts von alledem. Ruhig, abgeklärt und gefasst saß Roger Schmidt im Presseraum des Dortmunder Stadions und analysierte die 90 Minuten, die für ihn und sein Team von Bayer Leverkusen so glänzend verlaufen waren. Er habe, so betonte der 47-jährige Neuling, "diese super Kulisse" genossen "und alles auf mich zukommen lassen".

Leverkusener Auftaktsieg in Dortmund
:Schneller als Usain Bolt über 100 Meter

Der BVB erlebt beim 0:2 gegen eine starke Leverkusener Mannschaft einen denkbar schlechten Saisonstart. Die Borussia ärgert sich über einen kollektiven Schlafmoment zu Beginn - und kann die Partie nicht mehr drehen.

Von Felix Meininghaus, Dortmund

So kann man den traumhaften Einstand in den Zirkel der deutschen Trainerelite natürlich auch begehen, um dann zu betonen, es gäbe nach diesem tollen Start "null Platz für Unkonzentriertheiten". So viel dann aber doch: "Dieses Spiel", sagte Schmidt mit einem Lächeln, "hätten wir uns nicht schöner malen können." Mit 2:0 (1:0) hatte seine neue, aufwändig verstärkte Mannschaft bei Borussia Dortmund gewonnen und dabei vor allem in der mitreißenden ersten halben Stunde eine ganz starke Vorstellung geboten. Torhüter Bernd Leno brachte es nach dem Abpfiff in einem Satz auf den Punkt: Dieser Sieg sei verdient, "wegen der Art und Weise, wie wir in der ersten Halbzeit gespielt und in der zweiten Halbzeit gekämpft haben".

Diese Kurzanalyse konnte jeder Beobachter unterschreiben, sie traf die Geschehnisse auf den Punkt. Der vom österreichischen Meister aus Salzburg gekommene Schmidt ist in Leverkusen angetreten, um der Werkself einen neuen, schwungvollen und attraktiven Fußball zu verpassen. Genau das scheint ihm zu gelingen. Wie die Leverkusener ihren überforderten Gegner mit drei, vier Akteuren, die sich auf den ballführenden Spieler stürzten, aus der Fassung brachten, wie sie nach Ballgewinnen in höchstem Tempo nach vorne stürmten, das hinterließ großen Eindruck.

Hier geht es nicht um lange Kombinationsketten und Ballbesitz, sondern darum, mit großer Geschwindigkeit und Leidenschaft auf den Punkt zu kommen. Vergleichbares hat man in den vergangenen Jahren vom Gegner aus Dortmund gesehen, der sich nun mit der ungewohnten Situation konfrontiert sah, mit seinen eigenen Mitteln geschlagen zu werden. Wie anspruchsvoll dieser Stil ist, erläuterte der enorm präsente Sturmführer Stefan Kießling, dem in der Nachspielzeit das zweite Leverkusener Tor gelang: "Dieses Pressing ist sehr, sehr intensiv und kraftaufwändig. Da musst du auf die Zähne beißen, aber wenn so was dabei herauskommt, kannst du dir das schon mal antun."

Die Arbeit gegen den Ball sei "teilweise vogelwild", fügte Kießling noch hinzu, de facto waren die Dortmunder maximal überfordert, wenn die Gegner in rot wieder einmal im D-Zug-Tempo auf sie zugeflogen kamen. Wobei der Spielverlauf den Gästen aus dem Rheinland natürlich entgegen kam. Der Ball war nach dem Anstoß gerade mal neun Sekunden im Spiel, da musste ihn BVB-Torhüter Mitchell Langerak bereits aus dem Netz holen.

Karim Bellarabi hatte eine historische Bestmarke gesetzt, es war das schnellste Tor in 51 Jahren Bundesliga. Ein Wirkungstreffer, der die Leverkusener beflügelte und die Dortmunder lähmte. Dieses Tor habe "das Spiel dramatisch beeinflusst", sagte Dortmunds Trainer Jürgen Klopp: "So etwas rüttelt dich durch und durch, dadurch sind vielleicht die nächsten 20 Minuten zu erklären. Das Gegentor hat uns mit Sicherheit nicht gut getan, in vielen Szenen fehlten uns zwei bis drei Schritte."

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:Anstoß, zick, zack, Tor

So früh traf in der Bundesliga-Geschichte noch niemand: Die Partie Dortmund gegen Leverkusen ist gerade neun Sekunden alt, da erzielt Bayer-Stürmer Karim Bellarabi die Führung für die Gäste. Es ist das schnellste Tor der Historie - der Rekord eines Alt-Leverkuseners ist geknackt.

Klopp nahm die Schuld auf sich, "den Schuh, dass wir so früh in Rückstand geraten, muss ich mir anziehen. Ich muss darüber nachdenken, wo meine Ansagen nicht klar genug waren."

Dagegen lobte Schmidt seine Mannschaft für "die Mentalität, die sie gezeigt hat". Eine Aussage, die vor allem deshalb bemerkenswert ist, weil Bayer Leverkusen genau diese Tugend in der zweiten Hälfte der letzten Saison komplett vermissen ließ. Ein Eindruck, den Torhüter Leno im Nachhinein bestätigt: "Da war der Spirit nicht da, wir sind ziemlich auseinandergefallen. Heute hat man elf Leute gesehen, die Verantwortung übernommen und gekämpft haben."

Der Sieg in Dortmund war beeindruckend und doch nur eine Etappe auf dem Weg, der in die Champions League führen soll. Am Mittwoch kommt der FC Kopenhagen zum Rückspiel der Ausscheidungsrunde, die Ausgangslage ist nach dem 3:2 im ersten Treffen glänzend. Leverkusens Geschäftsführer Michael Schade hatte betont, die Spiele um die Qualifikation für die Königsklasse seien für seinen Verein "die beiden Endspiele, mit denen die Saison für uns beginnt".

Daran hat sich durch die Gala im Revier nichts geändert, wie Sportchef Rudi Völler in den Katakomben des Dortmunder Stadions erläuterte: "Heute sind wir alle happy, aber Euphorie ist fehl am Platz. Am Mittwoch haben wir das wichtigste Spiel der Vorrunde."

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