Leverkusen in der Europa League:Freudenfeuer in der italienischen Nacht

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Trainer Jose Mourinho (re.) und Leverkusens Trainer Xabier Alonso verabschieden sich nach dem Spiel - der Portugiese siegte mit seinem Team 1:0. (Foto: Oliver Weiken/dpa)

Beim unglücklichen 0:1 im Halbfinal-Hinspiel in Rom ist Bayer zu Beginn das gefährlichere Team. Doch dann gerät der Plan des Trainer-Strategen Xabi Alonso im Duell mit Mourinho durcheinander - Hoffnung aufs Finale besteht trotzdem.

Von Philipp Selldorf, Rom

Es brodelte, zischte, dampfte, krachte und donnerte, als sich die Teams der AS Roma und von Bayer Leverkusen vor dem Anpfiff zum Souvenirfoto aufreihten, und als es längst losgegangen war, sollten die diensthabenden Offiziere der Feuerwehr im Innenraum des Olympiastadions noch eine ganze Weile damit beschäftigt sein, die purpurnen Leuchtraketen einzusammeln, die aus der Fankurve geflogen kamen. Einheimische präsentierten dort ein Transparent mit der Parole "Die Liebe zu Rom ist unser Gesetz" - selbstverständlich auf Lateinisch, der Landessprache.

Angemessen festlich begann er also, der erste der beiden Halbfinalabende; die Leverkusener Spieler, bei solchen Anlässen noch selten gesehen, wussten, dass Großes auf sie wartete.

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Im ersten Durchgang durften jedoch die Römer jubeln. 1:0 gewann der Siebte der Serie A und verdiente sich den Erfolg durch die Mehrzahl der Torchancen. Bayer geriet in Gefahr, wusste sich aber zu befreien. Mehr Sorgen als der knappe Rückstand bereitet womöglich der Verlust des verletzt ausgeschiedenen Vorarbeiters Robert Andrich, der die Hilfe der Betreuer benötigte, um vom Feld zu humpeln.

Es begann, wie es schöner fast nicht hätte beginnen können für Leverkusen. Keine 48 Sekunden hatte die Stoppuhr erfasst, da hätte Andrich dem immer noch andauernden Spektakel auf den Tribünen beinahe ein grausames Ende gesetzt. Piero Hincapie, Bayers Beauftragter für die linke Außenbahn, hatte erfolgreich einen Überraschungsangriff gestartet und den Ball punktgenau in die Mitte geleitet, doch Andrich war einen halben Schritt zu schnell in Position gelaufen und brachte keine Kraft hinter den Schuss, den Romas portugiesischer Torhüter Rui Patricio, wohlbekannt von Welt- und Europameisterschaften, unbeschwert in die Arme schließen konnte.

Der römischen Mannschaft, die ein ebenso international gemischtes Ensemble ist wie die eigene, brachten die Leverkusener nicht weniger Respekt entgegen als das geboten ist bei einem Europacup-Halbfinale. Aber mehr Ehrfurcht verbreitete der römische Trainer. José Mourinho, runde 60 inzwischen, Gewinner aller denkbaren nationalen und internationalen Pokale, steht im Ruf, zu großen Spielen große Pläne zu entwerfen. Selten handelt es sich dabei um Konzepte, die das eigene Angriffsspiel in den Mittelpunkt rücken, meistens um solche, die dem Gegner das Leben schwer machen sollen.

Doch zunächst griffen die Räder der Obstruktion noch nicht ineinander, Bayer war in den ersten Minuten nicht nur das forschere und dynamischere, sondern auch das gefährlichere Team. Florian Wirtz führte sich dazu mit einem magischen Moment ein, der vermutlich sogar Mourinho heimlich Spaß machte. Wie eine Ballerina tanzte sich der 20-Jährige durch die rote Abwehrwand und fand sich nach Doppelpass mit Adam Hlozek auf einmal freistehend zum Abschluss bereit. Wirtz visierte die Ecke an, schob den Ball aber knapp am Pfosten vorbei (6. Minute).

Wirtz vergibt die große Chance zu Beginn

Was immer sich Bayer-Stratege Xabi Alonso ausgedacht hatte, es schien glänzend zu funktionieren. Doch das hohe Niveau der Ouvertüre konnten die Leverkusener nicht halten, und allmählich machte sich bei dem einen oder anderen Akteur auch Nervosität bemerkbar. Unsicherheiten im Zusammenspiel schlichen sich ein, und Jonathan Tah beging zu spät kommend ein grobes Foul, bei dem der Schiedsrichter gnädig von der gelben Karte absah. Das 0:1 drohte trotzdem im nächsten Moment, doch Lukas Hradecky parierte den Kopfball von Romas Roger Ibanez. Große Tat von ihm.

Roma wurde stärker, Bayer ging zum Rückzug über. Attacken gegen den Spielaufbau erfolgten nicht vor der Mittellinie, Ballgewinne gelangen selten und schnelle Konter, Bayers Spezialität, noch seltener. Für ein paar Minuten sah sich Bayer im Strafraum eingekeilt, dann löste sich der Druck wieder und die Begegnung trieb dahin bis zum Pausenpfiff. 0:0, so weit so gut aus Sicht der Gäste.

Doch die Römer verschärften gleich wieder den Zugriff, Edmond Tapsoba rettete in höchster Not vor Ibanez, und als man gerade meinte, das Ärgste überstanden zu haben, schlugen die Hausherren zu: Hradecky konnte Tammy Abrahams Schuss abwehren, doch gegen das Nachsetzen von Edoardo Bove blieb er machtlos. Die italienische Nacht leuchtete von den Freudenfeuern in der Kurve.

Bayer schaffte es mit verbissener Gegenwehr und gelegentlich hartem Einsteigen, die Euphorie der Römer in Grenzen zu halten, das eigene Angriffsspiel aber fand selten ans Ziel. Das schnelle Duett Jeremie Frimpong und Moussa Diaby trat kaum in Erscheinung. Die beste Chance zum Ausgleich servierte der Gegner: Patricio ließ den Ball geradewegs vor Diabys Füßen fallen - Verteidiger Cristante blockte seinen Schuss auf der Linie ab. Der Ausgleich hätte Bayer gut getan gegen die abgezockte Elf des noch abgezockteren Trainers Mourinho, aber auch so ist jede Hoffnung erlaubt für das Wiedersehen in der Bayarena.

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