Leverkusen in der Winterpause:Täglich ins eigene Bett

Lesezeit: 3 min

Bayer-Trainer Jupp Heynckes arbeitet trotz Kälte gern daheim: Er sieht die rauen Bedingungen im winterlichen Leverkusen als Vorteil und macht seiner jungen Mannschaft Mut für die Rückrunde.

Philipp Selldorf

Minus vier Grad zeigt das Thermometer, vom Himmel rieselt leise, aber ständig der Schnee, und der Zuschauer auf der kleinen Tribüne über dem Trainingsplatz berichtet aufgeregt, dass es in den kommenden Tagen "ganz schlimm kommen" werde, weshalb die Werksfeuerwehr der Bayer AG bereits einen Notfallplan erlassen habe. Sogar im warmen Rheinland herrscht streng der Winter, aber das macht Jupp Heynckes nur noch glücklicher, als er im Spätherbst seiner Karriere ohnehin schon ist.

Alter schützt vor Kälte (nicht): Leverkusens Trainer-Altmeister Jupp Heynckes (re.) machen die winterlichen Verhältnisse auf dem Trainingsplatz recht wenig aus. (Foto: Foto:)

Bayer Leverkusens Trainer trägt eine dicke Mütze auf dem Kopf, er hat den Anorak bis unters Kinn verschnürt und schwere Schuhe an den Füßen, die ihn auch durch die Arktis trügen, und er findet, dass er alles richtig gemacht hat. Eben hat er seine Leute anderthalb Stunden über den weitgehend grünen Trainingsplatz getrieben, nun resümiert er mit Vergnügen den erfrischenden Vormittag im Freien: "Das macht uns nur noch härter", sagt er.

Heynckes hatte das Wetter in Leverkusen vielleicht ein wenig milder erwartet, als er entschied, im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen auf ein Trainingslager im wärmeren Süden zu verzichten, aber er zeigt keine Reue. Man habe auf nichts verzichten müssen, behauptet er, "es gab keine Abstriche, der Platz ist sehr gut, wir haben unser Pensum immer umsetzen können". Auch die aktuelle Schneefall-Prognose macht ihm keine Sorgen. Am Freitagmorgen fährt er mit seiner Mannschaft im Bus ins 170 Kilometer entfernte Enschede, um dort abends ein Testspiel gegen den niederländischen Tabellenführer FC Twente zu absolvieren. Heynckes freut sich auf ein Spiel "mit Wettkampfcharakter", und ob am Abend Schnee fällt oder nicht, ist ihm einigermaßen einerlei, "es gibt ja eine Rasenheizung im Stadion".

Trainieren wie immer

Abgesehen von der weißgedeckten Umgebung sieht eine Übungsstunde bei Bayer im frostigen Januar nicht anders aus als in der grünen Jahreszeit. Heynckes lässt nach spanischer Gewohnheit immer mit Ball trainieren, in spielerischen oder taktischen Formationen. Der Konditionsaufbau erfolgt im Kraftraum, doch wegen der kurzen Urlaubsphase in dieser kurzen Winterpause hätten die Spieler ohnehin kaum Kraftverluste, meint der Trainer, der die Vorbereitung unter den realen rauen Heimatbedingungen eher als Vor- denn als Nachteil einschätzt: "Die Verhältnisse auf unserem Trainingsplatz entsprechen ja unter Umständen denen, die wir bei unserem ersten Saisonspiel gegen Mainz vorfinden."

Statt nach Spanien oder in die Türkei zu fahren oder gar wie Bayern, Bremen und Wolfsburg Fernreisen an den arabischen Golf und nach Südafrika zu unternehmen, hat sich's Heynckes zu Hause gemütlich gemacht. Setzte er vormittags und nachmittags ein Training an, ließ er den Spielern mittags ein Essen servieren und eine Liege aufstellen, "dann hatten wir zwar einen Zehn-Stunden-Tag, aber abends waren alle bei ihren Familien und konnten im eigenen Bett schlafen". Reisen bedeutet dagegen Stress, findet er, und außer den lästigen Sicherheitschecks fällt ihm dazu sofort das mahnende Beispiel von Lukas Podolski ein, der fast den Flug nach Belek verpasst hätte, weil sein Pass fehlte (unschlagbare Begründung: "Mein Sohn muss damit gespielt haben, der Pass war nicht im Portemonnaie").

Sollten sich die Bedenken jener notorisch skeptischen Bayer-Fans bewahrheiten, dass ihre Mannschaft in der Rückrunde die historischen Anfälle von Versagen erleidet, dann wird sich jedenfalls niemand auf eine schlechte Vorbereitung berufen dürfen. Keiner hat übers kalte Winterquartier geklagt, Renato Augusto kehrte ohne Strafandrohung pünktlich aus Brasilien zurück, Abwehrchef Sami Hyypiä meldete sich sogar drei Tage vor dem Urlaubsende unverlangt zum Dienst, und mit der Intensität seiner Spieler im Trainingsbetrieb ist Heynckes generell "sehr zufrieden".

WM als Motivation

Außer auf die Freude am ersten Tabellenplatz führt er den Eifer seiner Leute auch auf die WM zurück, die ihm bei Spielern wie Kießling, Castro, Helmes und Kroos kostenlose Motivationshilfe beschert. Er wehrt sich auch nicht dagegen, dass Joachim Löw neuerdings Interesse am Bayer-Spielmacher Kroos zeigt: "Warum denn nicht? Wenn Toni so weiter spielt, dann wäre der Bundestrainer ja dumm, ihn nicht mitzunehmen." Heynckes weiß, dass Kroos für Ermutigungen empfänglich ist: "Ich hatte am Anfang der Saison ein langes Gespräch mit ihm und habe ihm gesagt: ,So wie du arbeitest und trainierst, wird es nicht funktionieren.‘ Das hat er verstanden und reagiert."

Das Training am Donnerstag hat Kroos in kurzen Hosen bestritten, und als er vom Platz kam, zeichnete ihn die blutende Schürfwunde aus einem Grätscheinsatz. Heynckes freute sich darüber: "Vor vier Monaten wäre ihm das nicht passiert."

© SZ vom 08.01.2010/jbe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Ribéry, Özil & Co.
:Die Gejagten

Milan will Dzeko, halb England Özil - und so mancher junge Spieler noch nicht verlängern. Die Bundesliga ruht zwar derzeit, doch das Gefeilsche um Verträge ist enorm. Die elf begehrtesten Spieler in Bildern.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: