Als Schiedsrichter Christian Dingert auf Empfehlung seiner Kölner Video-Kollegen in der 72. Spielminute zum Bildschirm eilte, um sich Gewissheit zu verschaffen, ob er ein Foul im Strafraum übersehen hatte, reagierte die Leverkusener Fankurve mit einer spontanen Protestaktion. Sie entrollte ein Banner mit der Aufschrift "Videobeweis abschaffen" und stimmte eine bewährte Klage gegen den DFB an ("Ihr macht unseren Sport kaputt"). Dingert ließ sich nicht beeindrucken, revidierte seinen ursprünglichen Beschluss und ordnete einen Strafstoß an - und die Leverkusener Fankurve brach in Jubel aus.
Der Gang der Begegnung zwischen Bayer 04 und dem 1. FC Heidenheim hätte ein anderer werden können, wenn Dingert in jener 72. Minute den Wunsch der Fans erhört und obendrein Heidenheims Angreifer Tim Kleindienst die Chance genutzt hätte, die sich im Anschluss an die strittige Strafraumszene eröffnete. Aber erstens wehrte Lukas Hradecky Kleindiensts listigen Heber gerade noch ab, und zweitens nahm Dingert den korrekten Dienstweg. Kurz darauf verwandelte Victor Boniface den Elfmeter, und es hieß 3:1 für Bayer statt 2:2. Die Heidenheimer, bis dahin nicht unberechtigt auf eine Überraschung lauernd, waren nicht mehr zu retten.
Stürmer des FC Bayern:Kane ist der Steinmetz mit Hammer und Meißel
Beim leidenschaftlichen 7:0 gegen Bochum beweist Harry Kane, wie er mit seiner Seniorität eine im Vorjahr noch unreife Offensive in die fußballerische Volljährigkeit zieht. Von seiner Präsenz profitieren sogar die Stammplatzrivalen Tel und Choupo-Moting.
Nach einem weiteren Treffer durch den eingewechselten Amine Adli gingen die Leverkusener schließlich als verdienter 4:1-Sieger vom Platz. Jedoch nicht, ohne eine Ehrenrunde eingelegt zu haben. Zu den Zeugen, die Beifall spendeten, gehörte auch der gegnerische Trainer. Dreimal habe er die Grundordnung geändert und Bayer trotzdem nicht in den Griff bekommen, sagte Heidenheims Coach Frank Schmidt: "Dieser Gegner war ein Regal, in das wir nicht haben greifen können - mit den Gratulationen tun wir uns nicht schwer." Xabi Alonso bedankte sich: Bei Schmidt für die Glückwünsche und das Überreichen eines signierten Exemplars seiner Biographie - und bei der Mannschaft für eine konzentrierte, resolute Leistung.
Dass Bayer den ersten Tabellenplatz an den FC Bayern hatte abtreten müssen, störte weder die Beteiligten noch die Zuschauer. Ihre Mannschaft hatte erneut die traditionellen Befürchtungen eines Rückfalls in alte Zeiten widerlegt. Die Zeiten, in denen Bayer sein Vizekusen-Syndrom pflegte, sind im Moment tatsächlich vergangene Zeiten. Von Anfang an nahmen die Hausherren den Aufsteiger so ernst, wie er es verdient hatte.
Immer wieder trifft Leverkusens Angreifer Boniface
Nach neun Minuten nutzte Boniface seine zweite kapitale Torgelegenheit zur Führung, auf der sich Bayer keineswegs ausruhte. Einen Angriff nach dem anderen zog man auf, der FCH ließ dem Gegner im Mittelfeld Platz zum Aufbau einer respektablen Passquote, riegelte aber das Tor effektvoll ab. So blieb es bei einer Handvoll von Halbchancen für den Noch-Tabellenführer, während Heidenheim kurz vor der Pause plötzlich vor dem Ausgleich stand: Kleindienst war jedoch zu überrascht, um zu reagieren.
Das 1:1 fiel aber noch. Jan-Niklas Beste bediente Eren Dinkci, und auf einmal lag der Ball im Netz (58.). Bayer ließ sich nicht irritieren. Fünf Minuten später tat sich Jonas Hofmann wieder mal als Entdecker eines unbekannten Laufwegs hervor, und Ezequiel Palacios versorgte ihn vorbildlich mit dem nötigen Steilpass. Bayer führte erneut, und die Partie ging ihren - beinahe unaufhaltsamen - Weg.