Verfolgerduell:Leverkusen stürmt mit Feuer und Hirn

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Durch die Beine gespitzelt: Leon Bailey (links) überwindet Frankfurts Torwart Kevin Trapp und erzielt das 1:0. (Foto: Maik Hölter/Team 2/imago)

Die Mannschaft zeigt ihre beste Leistung unter dem neuen Trainer Hannes Wolf - und bringt den Champions-League-Anwärter Eintracht Frankfurt ins Grübeln.

Von Milan Pavlovic

Es gibt kosmische Phänomene, für die es keine rechte Erklärung gibt. Zum Beispiel für das, was seit einigen Jahren passiert, wenn Eintracht Frankfurt in Leverkusen eintrifft. Bei den vergangenen sechs Ausflügen gab es sechs Niederlagen und 3:24 Tore. Und am Samstag folgte, selbst in der besten Bundesliga-Saison der Hessen seit gut 30 Jahren, die nächste Niederlage. Am Ende schien das 3:1 (0:0) des Werksklubs fast unvermeidlich zu sein.

Das war angesichts der Formkurven der beiden Teams nicht nur doppelt erstaunlich, sondern sogar dreifach. Denn im Laufe des Samstags hatte sich Bayer-Routinier Sven Bender verletzt abgemeldet, was bedeutete, dass sich Jonathan Tah auf dem Flügel mit Frankfurts Flügelflitzer Filip Kostic messen musste, wenn's irgendwie ging mit freundlicher Unterstützung von Karim Bellarabi. Und der gilt, wer hätte das vor ein paar Jahren gedacht, als durchaus diszipliniert im Abwehrverhalten, jedenfalls im Vergleich zum französischen Sprinter Moussa Diaby. Tah, so viel sei verraten, gewann das Duell mit Kostic überraschend deutlich.

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Trainer Hannes Wolf nominierte außerdem als zweiten Sechser Kerem Demirbay statt des überspielten und fehlerbehafteten Charles Aránguiz und - weiter vorne - den 17-jährigen Florian Wirtz, obwohl dieser am Montag eine Abi-Klausur zu schreiben hat. Ein Ballgewinn von Wirtz gegen Barkok (4.) eröffnete diese lebhafte Abendpartie, aber sowohl Schick als auch Bailey scheiterten an Kevin Trapp, der auch in der 9. Minute gegen Bellarabi auf dem Posten war. In der Folge agierten beide Teams erst einmal mit merklichem Respekt vor den Tempoläufen des Gegners. Frankfurt sah keinen Grund dafür, die Defensive zu entblößen, schließlich war ja Leverkusen gefordert, all in zu gehen. Aber der Werksklub bemühte sich lieber, ganz sachlich Vorteile herauszuspielen.

Bailey spitzelt Trapp den Ball durch die Beine

Das gelang schon vor der Pause besser, als es das Zwischenergebnis (0:0) vermuten lässt. Nach einer kurzen Sendepause - als ein unaufhörliches Sirenengeheul von Einsatzkräften außerhalb der Arena (gegen Ultras beider Teams) auffälliger war als das Geschehen im Stadion - setzte Bayer-Verteidiger Tapsoba einen Kopfball knapp neben das Tor (28.). Wenn die Bälle auf das Tor gingen, war Trapp stets zur Stelle, vor allem gegen Wirtz (35.) und Demirbay (45.). Sogar zu einem waschechten Überzahl-Konter kamen die Hausherren, aber Mittelstürmer Patrik Schick traf die falsche Entscheidung (40.).

Hannes Wolf hatte angekündigt, er habe "die Spieler richtig scharf gemacht". Aber bei Leverkusen geschah vieles mit Feuer und Hirn, und das ist beim Werksklub seit Jahresbeginn keine Selbstverständlichkeit.

Die Frankfurter hatten dem weniger entgegenzusetzen als erwartet. Immerhin wirkten sie zu Beginn der zweiten Hälfte zielstrebiger. Gleich nach Wiederanpfiff spielte Silva auf Kamada (47.), der knapp daneben schoss. Nun ging es eifrig rauf und runter, mit spektakulären Momenten und Vorteilen für Leverkusen, aber ohne Treffer. Als sich die Zeichen häuften, dass es im 72. Bundesliga-Duell der beiden Teams erstmals eine Nullnummer geben würde, tauchte Leverkusen in der 70. Minute auch ohne Standard plötzlich zu sechst im gegnerischen Strafraum auf. Der eingewechselte Diaby entschied sich zu einem langen Flankenwechsel auf den verwaisten Bailey, der angesichts seines ungünstigen Winkels zum Tor so clever war, den Ball durch die geöffneten Beine von Kevin Trapp zu spitzeln. "Das war ein Bilderbuch-Tor, wie man es eigentlich nur von Manchester City sieht", lobte der Frankfurter Martin Hinteregger. Sein Trainer Adi Hütter monierte hingegen, "wir haben uns sehr naiv angestellt" und zählte in seiner Fehleranalyse die halbe Mannschaft auf.

Frankfurts Hinteregger gibt zu: "Es sieht aus, als hätten wir Angst, die Champions League zu verlieren"

Das 1:0 war der verdiente Lohn für eine intelligente Vorstellung der Werkself, der zehn Minuten später verdoppelt wurde, als der für Schick eingewechselte Mittelstürmer Lucas Alario einen Konter nach vorne trieb, rechtzeitig ablegte und den Ball im Strafraum von Bailey mustergültig zurückbekam; der Argentinier dankte es mit einem feinen Lupfer zum 2:0. Das war die Entscheidung, auch wenn es noch zwei späte Tore gab - einen Kopfballtreffer von Goalgetter Silva (90.), auf den wenige Sekunden später das 3:1 durch Demirbay folgte. "Wir haben ein sehr, sehr gutes Spiel gemacht", lobte der Torschütze sein Team. "Vor allem haben wir deren Stärken, deren Mentalität und Leidenschaft gebrochen. Das ist der Weg!"

Frankfurt hingegen wirkte am Ende der englischen Woche erstaunlich ausgepumpt - für ein Team mit Champions-League-Ambitionen war das eindeutig zu wenig. Angesichts von zwei Niederlagen aus den vergangenen drei Spielen sehe es so aus, gab Hinteregger unumwunden zu, "als hätten wir Angst, die Champions League zu verlieren". Für die letzten Spieltage verheißt der Dreikampf zwischen Wolfsburg (57 Punkte), Frankfurt (56) und Dortmund (55) um die Plätze drei und vier eine Menge Unterhaltung. Und wer weiß, vielleicht holen sie in Leverkusen (50) doch noch einen Rechenschieber heraus.

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