Leichtathletik:"Wir Ossis können das auch!"

Lesezeit: 3 min

Ulrich Hobeck (Mitte) holte regelmäßig Medaillengewinner in die Lausitz - hier Hochsprung-Weltmeisterin Jaroslawa Mahutschich (links) und Stabhochspringer Sam Kendricks beim Springermeeting vor vier Jahren. (Foto: Steffen Beyer/Imago)

Die DDR-Führung beendete seine Karriere, nach der Wende stieg Ulrich Hobeck zu einem der wichtigsten deutschen Meetingmacher auf. Dass mit seinem Abschied auch das Ende seines Events in Cottbus droht, erzählt einiges über die Probleme der Leichtathletik.

Von Ewald Walker, Cottbus

Die Gästeliste, die für den scheidenden Meeting-Direktor Ulrich Hobeck, 76, unlängst in Cottbus zusammenkam, sprach noch einmal für sich: Björn Otto war dabei, der deutsche Rekordhalter im Stabhochsprung und 20-malige Starter in Cottbus, Rudi Thiel, 95 Jahre alt, lange Zeit Macher des Berliner Stadionfests Istaf, Weitsprung-Olympiasiegerin Heike Drechsler. Als Präsente gab es Blumen, signierte Spikes und noch mal eine Bestmarke: Hochsprung-Weltmeisterin Jaroslawa Mahutschich aus der Ukraine löste mit 2,04 Metern Olympiasiegerin Maria Lassizkene aus Russland als Meetingrekordhalterin ab.

Ganz ohne Moll-Töne kam das Sportfest aber nicht daher. Denn die 20. Auflage des Cottbuser Springer-Events war vorerst die letzte, mit Hobecks Abgang könnte eine jahrzehntelange Meeting-Kultur in der Lausitz enden. Und das steht im Kleinen auch für die Probleme, die die deutsche Leichtathletik weiter im Großen beschäftigen.

SZ PlusEM-Botschafter Niklas Kaul
:"Im Handball gibt es mehr Miteinander"

Zehnkampf-Weltmeister Niklas Kaul ist einer der Handball-EM-Botschafter für den Spielort München. Im Interview spricht er über seine Rolle, seine fast zehn Jahre als Handballer, Kempa-Tricks - und erklärt, warum er der DHB-Auswahl den Titel zutraut.

Interview von Ralf Tögel

Die Geschichte dahinter beginnt auf einer schwarzen Aschenbahn, die der Hindernisläufer Ulrich Hobeck 1970 beim Europacup in Stockholm als Außenseiter betrat. Es wurde das beste Rennen seiner Karriere, Hobeck stürmte hinter dem sowjetrussischen Weltrekordler Wladimir Dudin auf Platz zwei - und trug dazu bei, dass die DDR erstmals die Vorherrschaft der UdSSR durchbrach, auch die westdeutsche Mannschaft besiegte. Das Rennen war, neben den Begleiterscheinungen der Zeit, auch ein Duell des Materials: Der favorisierte westdeutsche Rolf Burscheid, erstmals in den Schuhen mit den drei Streifen angetreten, verlor seinen Schuh, den man vorne und hinten mit den Wasserablauf fördernden Löchern versehen hatte, und kam barfuß ins Ziel, als Letzter. Hobecks Schuhe der DDR-Marke Zeha erwiesen sich als deutlich robuster.

Weil er Kontakt zu einem englischen Journalisten hatte, musste er seine Karriere beenden

Trotzdem setzte es für ihn kurz darauf einen herben Tiefschlag. Wegen Kontakten zu einem englischen Journalisten wurde Hobeck, der 13-malige DDR-Meister, von der sportpolitischen Seite aus dem Verkehr gezogen. Den Stachel spürt er noch heute: "Das hat meine sportliche Karriere zerstört." Die Olympischen Spiele 1972 in München verpasste er. "Ich habe nur noch geweint", erinnert er sich.

Weil er gedroht habe, seine Geschichte in einer großen westdeutschen Boulevardzeitung zu erzählen, stellte man ihn immerhin als Lehrer ein, sagt Hobeck. Er betreute als Diplomsportlehrer diverse Talente auf dem Weg nach oben, wurde Vereinspräsident. Sein Engagement wertet er noch heute als Trotzreaktion auf die Disziplinierung durch die einstige DDR-Führung. Später organisierte er 22 Stadionmeetings in Cottbus, gemeinsam mit Heinz-Florian Oertel, der einstigen Reporterstimme des DDR-Sports; 2003 fand das Springermeeting in der Halle erstmals statt.

Hobeck und sein Team beherrschten die Grundlagen perfekt - eine nicht zu kleine, aber auch nicht zu große Bühne, fachkundiges Publikum, reibungslose Organisation - sie versuchten zugleich, stets neue Impulse in die Präsentation der Leichtathletik zu tragen. Beim Springermeeting standen bei ihm schon früh zwei Disziplinen und wenige Athleten im Fokus, die auf dem bunten Jahrmarkt der Stadionleichtathletik sonst rasch untergehen. 42 Meetings organisierte Hobeck insgesamt, nach dem Motto: "Wir Ossis können das auch." Er meinte: Profisport nach Zeiten des Staatssports.

SZ PlusNachruf
:Der Bewunderer

Der legendäre Reporter und Stimme des DDR-Sports Heinz Florian Oertel ist gestorben.

Von Holger Gertz

Für eine Stadt, die sonst nicht so viele überregionale Sportereignisse bietet, machte das was her, wenn Jahr für Jahr die Leichtathletikelite in die Lausitz kam. 2009 wurde Hobeck zum Cottbuser des Jahres gewählt, Bundespräsident Horst Köhler würdigte ihn für sein Engagement im Ehrenamt. Zugleich spürte Hobeck schon früh, wie schwer es war, Publikum, Sponsoren und vor allem das Fernsehen für seinen Sport zu begeistern, auch deshalb fand das Stadionfest in Cottbus 2011 zum letzten Mal statt. Und auch für seinen Job als Chef des Springermeetings ("ein Ganzjahresjob") fand sich bis zuletzt kein Nachfolger, selbst nicht in seinem 40-köpfigen, vor allem ehrenamtlich besetzten Organisationsteam - obwohl man jahrelang gesucht habe, sagt Hobeck.

"Ich mache mir Sorgen um die deutsche Leichtathletik und den Verband"

Auch sonst zeigt sich Hobeck zum Ende seiner langen Laufbahn nachdenklich. "Ich mache mir Sorgen um die deutsche Leichtathletik und den Verband", sagt er: "Der Unterbau, die Entwicklung, die Motivation und auch die Führung reichen nicht aus, um unsere Sportart voranzubringen. Da sind neue Wege erforderlich." Von 2002 bis 2017 stand er der Vereinigung German Meetings vor, die bis zu ihrer Auflösung versuchte, eben solche Wege in Deutschland zu beschreiten. Dass der Deutsche Leichtathletik-Verband diese Lücke heute gewinnbringend füllt, würde Hobeck vermutlich nicht unbedingt behaupten.

Sein Abgang schmerzt dem Dachverband so oder so. Hobeck, sagte DLV-Vizepräsident Hartmut Grothkopp jetzt in Cottbus, sei "der erfolgreichste deutsche Meetingmacher unserer Zeit". Einer, der in jedem Fall mit gutem Gewissen abtritt. Präsident des LC Cottbus wird er aber fürs Erste noch bleiben. Ganz ohne Leichtathletik geht es dann doch nicht.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSportförderung in Deutschland
:Kahlschlag im Kader

Nach zuletzt ernüchternden Ergebnissen hat der deutsche Leichtathletikverband sein Fördersystem verschärft. Doch Leidtragende sind auch die, die künftig international erfolgreich sein sollen. Eine Fallstudie aus dem olympischen Unterbau.

Von Johannes Knuth

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: