Leichtathletik:Der größte Moment: Speerwerfer Klaus Wolfermann wird 75

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Am 3. September 1972 sorgte Klaus Wolfermann mit seinem Olympiasieg im Speerwurf bei den Sommerspielen in München für die Sensation. Foto: picture alliance / dpa (Foto: dpa)

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Frankfurt/Main (dpa) - Klaus Wolfermann ist sich sicher, wer sein nächster deutscher Nachfolger als Speerwurf-Olympiasieger wird: "Mein Tipp: Johannes Vetter gewinnt Gold", prophezeit der Leichtathletik-Held der Münchner Sommerspiele von 1972, der heute seinen 75. Geburtstag feiert.

Der deutsche Rekordler Vetter war im September 2020 mit 97,76 Meter der bisher zweitweiteste Wurf mit dem aktuellen Speer-Modell gelungen. "Er wird dieses Potenzial nicht einfach wegwerfen und in der Spur bleiben", sagt Wolfermann mit Blick auf die Tokio-Spiele. Thomas Röhler, Olympiasieger von 2016, erwartet er nicht ganz vorn.

Der goldene Wurf am 3. September 1972 ist für Wolfermann der größte "Moment meines Lebens" gewesen. "Ohne Zweifel, ja", sagt er. "Wenn die Sprache auf München kommt, werden immer drei Namen genannt: Heide Rosendahl, Ulrike Meyfarth und meiner. Darauf bin ich stolz."

Der legendäre Speerwurf-Zweikampf mit seinem lettischen Rivalen Janis Lusis ist Wolfermann auch nach fast 49 Jahren noch in "allen Nuancen" präsent - von der Qualifikation am Vortag bis zum entscheidenden fünften Wurf, bei dem er alles riskierte. Er verlängerte den Anlauf, erhöhte dadurch das Tempo und warf 90,48 Meter weit.

Damit übertrumpfte er sensationell den Favoriten Lusis, der vier Jahre zuvor Olympiasieger geworden war und zwei Monate vor den München-Spielen den Weltrekord auf 93,80 Meter verbessert hatte. Selbst Wolfermann konnte damals sein Wurf-Glück nicht fassen. "Der Sieg war eigentlich nicht greifbar für mich gewesen. Da bin ich zu Janis Lusis gegangen und sagte: "Entschuldige, dass ich heute gewonnen habe"."

Der Triumph machte ihn auf einem Schlag berühmt, was er noch bei den Münchner Spielen spürte. Beim Besuch der Turmsprung-Wettbewerbe wurde er auf die VIP-Tribüne neben dem US-Schauspieler Kirk Douglas und dem späteren spanischen König Juan Carlos platziert. "Da ging nicht mehr der normale Wolfermann rein", erinnert er. "Das war eine tolle Situation. Da habe ich erst gemerkt, was mir passiert ist." Als Folge des Münchner Sieges wurde er zweimal zum "Sportler des Jahres" und 2011 zudem in die "Hall of Fame" des deutschen Sports gewählt.

In einer der Schlagzeilen nach dem Sensationscoup wurde er der "Kleine Riese mit den goldenen Armen" genannt, da er mit 1,76 Meter der kleinste unter den damaligen Speerwerfern war. "Wenn ein kleiner Mann große Leistungen bringt, ist er ein Riese", sagt Wolfermann, der dieses Handicap mit Schnelligkeit und Beweglichkeit ausglich.

Seine Berühmtheit nutzt der gelernte Werkzeugmacher, der zudem ein Sportlehrerstudium abschloss, bis heute für sein soziales Engagement in der Stiftung Kinderhilfe Organtransplantationen. Um weiter fit zu bleiben, geht er jeden Tag mindestens eine Stunde in seinen Fitnessraum im Keller. "Hätte ich den nicht gehabt in der Pandemie, wäre ich ziemlich grantig geworden", sagt Wolfermann.

Richtig ärgerlich findet er, dass mit der Rhein-Ruhr-Initiative wieder ein Olympia-Bewerbungsversuch - wie zuvor mit Berlin 2000, Leipzig 2012 und Hamburg 2024 sowie mit München für die Winterspiele 2018 - gescheitert ist. "Anscheinend sind wird nicht fähig, eine Einheit zu bilden und uns gemeinsam stark zu bewerben", kritisiert Wolfermann, der als Botschafter für München 2018 engagiert war. "Man macht Tralala nach dem Motto: Es wird schon gehen, weil wir Deutschen im Sport so stark sind, kann keiner an uns vorbeigehen. Die Zeiten haben sich aber geändert."

Für ihn selbst ist die Zeit seines Lebens nach dem großen Wurf viel zu flott gelaufen. "Mir tut das weh, wie schnell das alles vorbeigegangen ist", sagt Wolfermann, dem die Pandemie mit seinen Einschränkungen zu schaffen macht. "Ich bin einer, der menschlich ausgelegt ist, gern feiert und viel lacht." In Corona-Zeiten ist dies nicht möglich, nicht mit Familie, Freunden und Nachbarn im Garten an seinem Geburtstag. "Das gibt es nicht. Das ist nicht gut", bedauert Wolfermann.

© dpa-infocom, dpa:210329-99-13648/3

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