LeBron James in der NBA:Tränen in der Traumfabrik

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Umarmung vom Kollegen: Rajon Rondo (9) gratuliert LeBron James von den Los Angeles Lakers. (Foto: USA TODAY Sports)
  • Lebron James überholt in der ewigen Bestenliste der NBA-Körbewerfer sein Vorbild Michael Jordan.
  • Der Basketballer der LA Lakers erklärt danach, wie viel ihm dieser Rekord bedeutet.
  • Gleichzeitig erlebt er eine schwere Krise mit seinem Klub.

Von Jonas Beckenkamp

Natürlich kennen sie in Los Angeles die großen Dramen, nirgendwo sonst werden schließlich mehr Träume produziert als im La-La-Land Hollywoods. Aber dass der größte Athlet des amerikanischen Sports plötzlich da sitzt und sich mit einem Handtuch seine feuchten Augen abwischt, das saß dann doch tief. LeBron James rührte die ganze Halle, er rührte vermutlich auch jeden noch so hartgesottenen TV-Konsumenten, denn es war ein wahrlich großer Moment.

Bevor James sich auf der Bank zum Durchschnaufen niedersetzte, hatte er einen Korb mit Foul erzielt, es war eine typische Szene für diesen Ausnahme-Basketballer. Kraftvoll zum Korb, Kontakt mit einem Gegenspieler der Denver Nuggets, der Pfiff des Schiedsrichters, der Treffer. History. Denn mit diesem Kullerball überholte der "King" in der ewigen Scoring-Liste der NBA den Mann, der für alle der Maßstab ist: Michael "Air" Jordan. Bei der 99:115-Niederlage seiner Lakers kam der dreimalige Champion James auf 31 Zähler und steht nun bei 32 311 Karrierepunkten - Jordan hatte in seiner Laufbahn 32 292 gesammelt.

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32 311. Zugegeben: Die Heldenzahlen in der NBA klingen manchmal etwas abstrakt. Sind das nun sehr viele? Sind es überdimensional viele? Sind es für alle Zeiten unerreichbar viele? Um die Wucht dieser Punktzahl zu verstehen, genügt ein Blick aufs Tableau der besten zehn Werfer der Ligageschichte.

James kann in der Punkteliste sogar Allerbester werden

Dort tummeln sich vor James Größen wie Kareem Abdul-Jabbar (38 387), Karl Malone (36 928) und Kobe Bryant (33 643) - und hinter ihm ein gewisser Wilt Chamberlain (31 419), der sogar mal 100 Punkte in einem Spiel erzielte. Oder auch Dirk Nowitzki (31 364), der wiederum Chamberlain noch als Sechsten überholen kann. Es sind die absoluten Größen des Basketballs, mehr geht nicht. Die Sache ist nur: James ist von den genannten der einzige, der noch viele weitere Punkte sammeln dürfte.

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Während viele davon ausgehen, dass Nowitzkis Karriere mit fast 41 Jahren im April endet, ist James gerade mal 34. Er dürfte in diesem Leben vermutlich noch Bryant von Platz drei verdrängen - und wenn er noch ein paar Jahre weiterspielt, auch noch Malone von Platz zwei. Selbst Abdul-Jabbar könnte ganz oben noch fällig werden, wenn James die kommenden drei Jahre verletzungsfrei fleißig Körbe wirft. Dann wäre LeBron James endgültig "The Greatest Of All Time", wie es in Amerika nicht ohne das nötige Pathos heißt.

Seine Emotionen während eines Tribute-Videos in der Arena der Lakers waren also verständlich. James erklärte, was Michael Jordan für ihn bedeute. "Für ein Kind aus Akron, Ohio, das Inspiration und positiven Einfluss brauchte, war MJ genau dieser Typ für mich", sagte er: "Ich wollte wie MJ sein, wollte im Rückwärtsfallen werfen wie er, wollte meine Zunge rausstrecken wie er, wollte Schuhe tragen wie er. Das ist verrückt, um ehrlich zu sein, mehr als verrückt." Seine eigenen Schuhe nutzte James auch, um Jordan bereits während des Spiels gegen Denver seinen Respekt zu zollen. "Thank you MJ 23" stand dort geschrieben.

Das passte, schließlich läuft James zu Ehren des ewigen Chicago Bull und Überflieger Jordan mit der Nummer 23 auf dem Trikot auf. "Keiner kann sich vorstellen, was MJ für mich und meine Freunde bedeutete, als wir aufwuchsen", sagte James, der es dank Basketball mit seiner alleinerziehenden Mutter aus dem Schlamassel der grauen Vorstadt schaffte. Die Inspiration durch Jordan braucht James dieser Tage mehr denn je, schließlich ist er mit den Lakers meilenweit davon entfernt, seine Titelsammlung in Richtung der Erfolge von "His Airness" (sechs Meisterschaften) zu erweitern.

Sportlich läuft es für den dominierenden Spieler seiner Generation mit seinem Team schlechter denn je, James erlebt eine Saison zum Davonlaufen. Gegen die Nuggets lag LA trotz aller Feierlichkeiten früh haushoch zurück, am Ende gab es die vierte Niederlage in Serie. Dass mit dem Berliner Center Moritz Wagner (elf Punkte) ein Deutscher erneut auf sich aufmerksam machte, ging da völlig unter. Er und der Koblenzer Isaac Bonga sind bei den Lakers meist nur Lückenfüller in einer Mannschaft, die einfach nicht funktionieren will. Wie weit die Playoffs entfernt sind, zeigen wenige Wochen vor Saisonschluss die Zahlen: Die Lakers liegen schon sieben Siege hinter dem letzten K.-o.-Rundenplatz in der Western Conference - den belegen derzeit ausgerechnet die Stadtrivalen der LA Clippers.

Der sportliche Niedergang des Klubs, der mit riesigen Erwartungen in diese Spielzeit gestartet war, geht auch an James nicht komplett vorbei. Zuletzt wirkte er vor allem in der Defensive mitunter lustlos, gegen Denver unterliefen ihm zudem seltsame Ballverluste und viele Fehler von der Freiwurflinie - hinzu kommt, dass James kaum verhehlen kann, wie sehr ihn das fehlende Können seiner Kollegen frustriert.

Der 2,03-Meter-Mann, der zuvor achtmal in Serie in den NBA-Finals stand, muss sich langsam damit abfinden, das erste Mal seit 2004/05 die Endrunde zu versäumen. Damit dürfte sich auch in der Spätphase seiner Laufbahn die Debatte darüber fortsetzen, ob James seinem Idol Jordan das Prädikat des größten Basketballers der Geschichte abspenstig machen kann. Jordan hat da übrigens seine eigene Ansicht. "Würde ich LeBron höher als Kobe (Bryant) einstufen? Nein", sagte der heute 56-Jährige einmal: "Kobe hat fünf Titel gewonnen, LeBron drei." Auch das gibt es ja in Hollywood: Träume, die vielleicht auf ewig welche bleiben.

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