Schweizer Justizposse:"Lauber sollte zurücktreten"

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Der Schweizer Bundesanwalt Michael Lauber. (Foto: Ruben Sprich/Reuters)

Im Berner Parlament wächst massiver Widerstand: Die Politik droht dem Bundesanwalt mit Amtsenthebung. Und ausgerechnet Fifa-Präsident Infantino holt nun zum Tritt aus.

Von Thomas Kistner, München

Ein Jahr währt nun die Justiz-Posse um die Schweizer Bundesanwaltschaft (BA), ihren Chef Michael Lauber und dessen diskrete Liaison mit Gianni Infantino, dem skandalgestählten Boss des Fußball-Weltverbands (Fifa) - jetzt biegt das Bubenstück in die Zielkurve ein. Im Berner Parlament wächst massiver Widerstand gegen den Bundesanwalt, immer mehr Politiker fordern seinen Rücktritt und drohen ihm ein Amtsenthebungsverfahren an.

Diese Stimmung fangen Blätter wie die Neue Zürcher Zeitung quer durch die Fraktionen ein. Tritt Lauber nicht ab, heißt es bei den Sozialdemokraten, "wird unsere Fraktion für Amtsenthebung stimmen". Die CVP-EVP-BDP-Fraktion unterstütze "geschlossen einen Antrag auf Amtsenthebung". Besser wäre, er träte zurück, sagt Chefin Andrea Gmür. Die Grünen hatten sich früh gegen Lauber positioniert, und selbst dessen alte Bastion, die liberale FDP, bröckelt heftig. "Persönlich", sagt Fraktionschef Beat Walti, "bin ich der Meinung, dass der Bundesanwalt seine institutionelle Rolle nicht mehr glaubwürdig wahrnehmen kann. Lauber sollte zurücktreten."

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Weil eingedenk Laubers Starrheit, mit der er sogar Ermittlungen der eigenen Aufsichtsbehörde AB-BA blockiert haben soll, aber kaum mit Einsicht zu rechnen ist, wird die parlamentarische Gerichtskommission am 12. Mai beraten. Sie könnte dann ein Amtsenthebungsverfahren bei der Bundesversammlung einleiten.

Flott geht es dahin, einstürzende Verfahren flankieren den Niedergang der BA. Den Anfang machte gerade der Sommermärchen-Prozess zur Millionenschieberei um die WM 2006 in Deutschland. Im Herbst steht auf dem Spielplan der Berner Brettl-Bühne schon der nächste Prozess, aus dem die Luft entwichen ist. Angeklagt sind Ex-Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke und Nasser Al-Khelaifi, Chef des katarischen Sportsenders BeIn Sports, des französischen Meisterklubs PSG sowie Vorstand in Europas Fußballunion Uefa.

Es geht um Korruption bei einem Deal um TV-Rechte an den WM-Turnieren 2026/2030. Beide bestreiten die Vorwürfe - aber das erscheint nicht mehr wichtig. Geführt hat die Ermittlung ein Bundesanwalt, dessen Gattin als Juristin bei der Uefa arbeitet (SZ vom 30.4./1.5.). Die Anwälte der Beklagten betreiben beim Bundesstrafgericht Ausstandsgesuche gegen Lauber und alle Mitglieder der BA-Taskforce "Fifa". Sie stützen sich dabei auch auf eine Verfügung, die die Justizaufsicht im März über die BA und ihren Chef erlassen hatte. Lauber werden filmreife Pflichtverletzungen angelastet.

Im Fokus der Turbulenzen stehen weiter Laubers Geheimtreffen mit Infantino. Eines im Juni 2017 wollen gleich alle vier Beteiligten total vergessen haben. Für eine Strafbehörde, die mit Menschen zu tun hat, die naturgemäß mit Erinnerungslücken kämpfen, ist es misslich, wenn Chef und Sprecher ein zweistündiges, lang geplantes Meeting mit dem Fifa-Patron vergessen. Darf da künftig nicht jeder Verdächtige auf persönlichen Blackout plädieren, wenn in Bern eine so starke behördliche Ansteckungsgefahr herrscht?

Es geht noch absurder. Just Infantino holt nun zum finalen Tritt aus - jener Fifa-Boss, in dessen Filz sich Lauber verheddert hat und dem er - den Verdacht hegt nicht nur die Justizaufsicht - womöglich den Weg auf den Fifa-Thron ebnete. Jüngst wurde ein Ermittlungsreport der Schweizer Polizei zu einem TV-Deal publik, den die Fifa unter Infantinos Vorgänger Sepp Blatter mit Jack Warner besiegelt hatte. Der Vertrag war dem karibischen Skandalfunktionär für einen Spottpreis zugeschanzt worden; er zog daraus Millionengewinne, die der Fußballgemeinde zugestanden hätten. Im Report, den die SZ einsah, moniert die Bundespolizei: Blatter habe zugelassen, dass sich "Warner auf Kosten der Fifa bereichert" habe; vor allem, indem er im Jahr 2011 Warners Verband Karibische Union eine Schuld von 3,78 Millionen Dollar zum Schaden der Fifa erlassen habe.

Die Fifa drängt auf weitere Ermittlungen

BA hatte - Überraschung! - jüngst verkündigt, auch diesen Fall schließen zu wollen. Nun wird der Polizeibericht publik, und die Fifa macht mobil. Sie drängt auf weitere Ermittlungen. In einem Statement heißt es, sie habe bei der BA "offizielle Eingaben eingereicht, in denen wir nachdrücklich für die Fortsetzung der Untersuchung plädieren". Man wolle alle juristischen Register ziehen, damit die Betroffenen "zur Rechenschaft gezogen werden".

Das erstaunt. Nicht nur, weil Infantino dem alten Gesprächspartner Lauber in die Beine grätscht. Sondern weil dieser jetzt die tief empörte Fifa zwingen könnte, ihrerseits offenzulegen, welche "gütliche Einigung" sie zuletzt mit dem Beschuldigten Al-Khelaifi getroffen hat. Diese Einigung im Valcke-Khelaifi-Verfahren hatte kurz vor Klageeröffnung zum Wegfall der Korruptionsvorwürfe geführt, Al-Khelaifi hat fast nichts mehr zu befürchten. Weil aber die BA der Fifa einen Opferstatus zugebilligt hat, fragt sich nun, ob dieser nicht einkassiert gehört. Reagiert die BA nicht, wäre es ein Indiz mehr, dass keiner mehr Regie führt im Berner Behörden-Tollhaus. Allenfalls die Fifa.

© SZ vom 04.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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