WM-Prozess:Zurück nach Frankfurt

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Die Ehrentribüne beim WM-Finale 2006 in Berlin. (Foto: imago)

Von Entschädigungen bis zu einem möglichen Verfahren in Deutschland: Wie geht es nach der Verjährung des Sommermärchen-Prozesses weiter?

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Das "Sommermärchen"-Verfahren gegen vier frühere Funktionäre des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und des Fußball-Weltverbandes Fifa in der Schweiz ist beendet. Am Montag verjährten die Vorwürfe zu den Millionen-Transaktionen rund um die Fußball-WM 2006 in Deutschland. Das Bundesstrafgericht in Bellinzona wollte sich aber noch nicht zum Abschluss des Verfahrens äußern, sondern verwies auf eine für Dienstagnachmittag geplante Stellungnahme. Damit endet das fünfjährige Verfahren ohne Urteil, also ohne Verurteilung und ohne Freispruch.

Die vier Beschuldigten - die drei früheren DFB-Funktionäre Wolfgang Niersbach, 69, Horst R. Schmidt, 78, und Theo Zwanziger, 74, sowie Ex-Fifa-Generalsekretär Urs Linsi, 70 - äußerten sich zum Teil schon vor dem offiziellen Ende des Prozesses. Der Tenor ihrer Aussagen war gleich. Einerseits begrüßten sie, dass das Verfahren endlich vorbei sei. Andererseits monierten sie, wie die Ermittlungen geführt worden seien und dass sie nun um einen Freispruch gebracht würden. Das Quartett hatte seine Unschuld beteuert.

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Kommentar von Johannes Aumüller

Die Berner Bundesanwaltschaft (BA) hatte das Verfahren im Herbst 2015 eröffnet. Es ging um ein Millionen-Karussell, das 2002 in Gang gesetzt worden war. Damals flossen vom deutschen WM-Chef Franz Beckenbauer zehn Millionen Franken an den katarischen Fifa-Vize Mohammed bin Hammam. Das Geld dafür hatte sich Beckenbauer vom früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus geliehen. Drei Jahre später wurde der Kredit zurückbezahlt, allerdings nicht von Beckenbauer. Stattdessen flossen vom DFB 6,7 Millionen Euro (zehn Millionen Franken plus Zinsen) erst an die Fifa und dann weiter an Louis-Dreyfus. Weil die Zahlung als Beitrag für eine später abgesagte Gala deklariert und das Aufsichtsgremium über den wahren Zweck getäuscht worden sei, lag für die Ermittler ein Betrug zulasten des DFB vor.

Der Zweck der ursprünglichen Zahlung aus 2002 ist bis heute nicht geklärt. Gemäß Aktenlage liegt ein TV-Rechte-Deal nahe. Die BA führte die Ermittlungen nur schleppend. Zudem wurden sie durch verschwiegene Geheimtreffen von Behördenchef Michael Lauber mit Fifa-Boss Gianni Infantino () beschädigt. So schlitterte der Fall in die Verjährung. Beckenbauer war ursprünglich auch beschuldigt worden, sein Verfahren aber wurde schon im Vorjahr unter Verweis auf seinen Gesundheitszustand abgetrennt.

Mit dem Verfahrensende in Bellinzona sind die juristischen Vorgänge rund um die WM 2006 aber noch nicht vorbei. Zum einen dürften manche Beschuldigte von der Schweizer Justiz noch Entschädigungen fordern. Zum anderen läuft am Landgericht Frankfurt noch ein Verfahren wegen Verdachts auf Steuerhinterziehung. Es richtet sich gegen Niersbach, Schmidt, Zwanziger und Linsi. Hier geht es darum, dass die 6,7 Millionen Euro zu Unrecht als Betriebsausgabe abgesetzt worden seien. Aber auch hier ist es kompliziert.

Die zuständige Kammer hatte eine Eröffnung des Verfahrens im Herbst 2018 abgelehnt, weil nach ihrer Ansicht die Millionenzahlung eine Honorierung für Beckenbauer und damit eine Betriebsausgabe gewesen sei. Das Oberlandesgericht Frankfurt ließ die Anklage aber zu und verwies das Verfahren zurück ans Landgericht. In den vergangenen Monaten tat sich dort nichts, weil die Kammer erst einmal den Ausgang des Schweizer Verfahrens abwarten wollte. Dieses könnte ja unmittelbar aufs Frankfurter Verfahren einwirken.

In der Justiz gilt der Grundsatz "Ne bis in idem": Niemand darf für eine Tat zweimal von einem Gericht abgeurteilt werden. Dies gilt auch länderübergreifend. Nun streiten die Juristen, inwieweit dies auch den Sommermärchen-Fall betrifft. In der Schweiz gab es ja weder Verurteilung noch Freispruch. Ein Sprecher des Landgerichtes will dazu im Detail nichts sagen, sondern teilt nur mit: "Die Kammer beschäftigt sich auch mit dem ,Ne bis in idem'-Grundsatz."

© SZ vom 28.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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