WM 2006:Beckenbauer behält sein Geheimnis

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Musste sich für die ominösen Zahlungen nicht vor einem Gericht rechtfertigen: Franz Beckenbauer. (Foto: imago images/Ulmer)

Die Millionen-Schieberei rund um die Sommermärchen-WM in Deutschland wird in der Schweiz nicht aufgeklärt. Keiner wagt sich richtig an den Kern der Affäre ran.

Kommentar von Johannes Aumüller

Jetzt ist es vorbei, das Schweizer "Sommermärchen"-Verfahren, und damit ist auch klar, dass das große Geheimnis des deutschen Fußballs weiter ein Geheimnis bleibt. Fast fünf Jahre ist es her, dass eine Millionen-Schieberei rund um die Fußball-WM 2006 aufflog. Das Sommermärchen war ramponiert, die Lichtgestalt Franz Beckenbauer im Zwielicht. Ein DFB-Chef trat zurück. Mit der Aufklärung betraute Kanzleien legten für Millionen-Honorare erkenntnisarme Prüfberichte vor. Der DFB musste Nachzahlungen ans Finanzamt leisten. Justizbehörden in Frankfurt und Bern produzierten Tausende Seiten Ermittlungsakten. Und der oberste Schweizer Strafermittler gefährdet in diesem Kontext sogar sein Amt. Aber die Kernfrage, die ist auch nach fünf Jahren noch ungeklärt.

Dabei ist sie so einfach: Warum flossen im Jahr 2002 zehn Millionen Franken vom deutschen WM-Chef Franz Beckenbauer an den katarischen Skandalfunktionär Mohammed bin Hammam?

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Beckenbauer und Bin Hammam: Das sind die zwei Kernfiguren der Affäre, die alles wissen. Sie werden ihr Wissen wohl nie darlegen müssen. Seit Jahren kommen sie davon, indem sie Erinnerungslücken offenbaren oder sich in Katar ins Fäustchen lachen. Im Steuerverfahren in Frankfurt, das in der Sache noch läuft, wird sich daran kaum etwas ändern. Die Schweizer Justiz hatte vor fünf Jahren durchaus Hoffnungen geweckt, auch mit ersten Ergebnissen. Aber am Ende legte sie eine beispiellose Blamage hin, vor allem, weil ihr oberster Strafermittler Michael Lauber zentrale Verfahrensregeln missachtete - es ist längst ein riesiger Justizskandal. Gegen Bin Hammam wurde nicht mal ermittelt, das Verfahren gegen Beckenbauer wurde abgetrennt (und ist nun ebenfalls verjährt). Vor Gericht standen am Ende nur jene, die an der fragwürdigen Rückzahlung des Darlehens drei Jahre später beteiligt waren.

Der Weltverband Fifa? Macht nichts, obwohl er doch, ginge es ihm wirklich um Aufklärung, ein prima Druckmittel zur Hand hätte: die Fußball-WM 2022. Die findet in Katar statt, wo damals das Geld landete. Und beim DFB erklärt nach Jahren der gebremsten Aufklärungsarbeit die aktuelle Spitze, dass sie alles tue, um "weitere Erkenntnisse zu sammeln und (...) zu einer weiteren Aufklärung beizutragen". Beckenbauer darf derweil ein geschätztes Mitglied der Fußballfamilie bleiben.

Als die Millionen-Transaktionen 2015 aufflogen, ging es auch um den Verdacht, das Geld habe Stimmen-Kauf bei der Vergabe der Fußball-WM 2006 gedient. Die bekannten Spuren deuten in eine andere Richtung: Sie führen zu einer mutmaßlichen Investition Beckenbauers ins lukrative TV-Rechte-Geschäft. Das macht es nicht besser, im Gegenteil, es kratzt an der Oberfläche eines Geflechtes aus Sport, Politik, Business und Schweizer Justiz.

Das befleckte Sommermärchen würde übrigens nicht sauberer, wenn mit Beckenbauers Millionen keine Stimmen gekauft wurden. Da gab es rund um die Vergabe genügend krumme Dinge; etwa ein Vertrag Beckenbauers mit dem Fifa-Wahlmann Jack Warner, der dem notorischen Handaufhalter aus der Karibik Leistungen über zehn Millionen Mark versprach. Und vieles mehr. Das einst so gefeierte Sommermärchen, es hat eine Menge Geheimnisse.

© SZ vom 28.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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