Das DFB-Team geht mit dem Gefühl des Sieges in die letzten beiden Partien des Länderspieljahres 2020. Gegen eine arbeitsame, aber offensiv harmlose tschechische Mannschaft kam die Elf von Joachim Löw zu einem 1:0-Sieg, der vielsagender war als es das Ergebnis aussagt. Denn zu den auffälligsten Erscheinungen des Abends zählten zwei Debütanten, die sich als Außenverteidiger verdienstvoll einbrachten: Linksverteidiger Philipp Max, 27, und Rechtsverteidiger Ridle Baku, 22, die nie das Gefühl vermittelten, dass ihnen der Ball an den Füßen brennt. Die "dunklen Wolken", die Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff in seiner Eigenschaft als DFB-Wetterfee noch am Montag ausgemacht hatte, warfen jedenfalls auf diese beiden nicht den Hauch eines Schattens.
Dem DFB-Team, das erst den zweiten Sieg in 2020 errang, fiel es anfangs oft schwer, drei Pässe aneinanderzureihen - eine Folge der mangelnden Verflechtung der elf Akteure, die Bundestrainer Joachim Löw aufbot. "Es ist so, dass wir in der Konstellation wahrscheinlich nicht mehr zusammenspielen", sagte Löw. "Dennoch war es so, dass die Jungs sich reingehängt haben, von daher kann man zufrieden sein. In der ersten Halbzeit haben wir es gut gemacht, aber in der zweiten hätten wir das 2:0 nachlegen müssen." Der starke Florian Neuhaus pflichtete bei: "Wir haben es aber verpasst, das zweite Tor nachzulegen und uns das Leben schwer gemacht."
Aus Rücksicht auf diverse Großklubs des Kontinents hatte Löw für das Testspiel auf Stammkräfte wie Manuel Neuer (FC Bayern), Toni Kroos (Real Madrid) oder Timo Werner (FC Chelsea) verzichtet. Wie unerfahren die Startelf nicht nur im Zusammenspiel, sondern auch grundsätzlich war, ließ sich bestens an einem statistischen Wert ablesen: Die Partie vom Mittwoch mitgerechnet, wies Löws erste Elf zusammen nur 143 Länderspiele auf - wobei satte 110 davon auf das Konto von nur drei Spielern gingen: Antonio Rüdiger, Ilkay Gündogan und Julian Brandt. Einen Großteil der Last des Spiels aber schulterten Max, der in der 68. Minute gegen Nico Schulz ausgetauscht wurde, und Baku. Sie hatten bei sämtlichen Highlights der ersten Halbzeit ihre Füße im Spiel, unter anderem beim schicken Führungstreffer aus der 13.
Minute. Zunächst hatte Baku Florian Neuhaus mit einem umsichtigen Rückpass an der Strafgrenze bedient; und nachdem der tschechische Torwart Jiri Pavlenka den Ball abgewehrt hatte, kam auf der anderen, der linken Seite Max ins Spiel. Der frühere Augsburger schaltete schnell und servierte den Ball flach und hart auf Luca Waldschmidt. Der ehemalige Freiburger drückte den Ball aus wenigen Metern über die Linie - 1:0.
Hofmann offenbar am Oberschenkel verletzt
"Es freut mich sehr, dass er so gut reingekommen ist, auch, dass Waldschmidt getroffen hat", resümierte Löw. "Ich denke, man kann mit den Neuen zufrieden sein. In der ersten Halbzeit hatten wir mit Gündogan mehr Spielqualität."
Dennoch generierte die Mannschaft ihre besten Szenen vor allem unter Einbindung der Novizen. Dabei fiel vor allem Baku deshalb auf, weil er eine der wenigen Chancen der Tschechen durch einen schlimmen Rückpass heraufbeschwor - der beglückte Michal Kremenik bekam aus 18 Metern keinen Druck hinter den Ball (22.) -, und sich davon unbeeindruckt zeigte. Rund fünf Minuten später versuchte sich Baku sogar aus spitzem Winkel an einem Torschuss; kurz vor der Pause brachte er Nadiem Amiri ins Spiel, der aber eine aussichtsreiche Doppelchance vergab.
Dass Amiri bereits auf dem Platz stand, war der offenkundig muskulären Oberschenkelverletzung des Gladbachers Jonas Hofmann geschuldet. Er hatte schon zur 20. Minute das Feld wieder verlassen müssen. Zur Pause machte Löw dann seine Ankündigung wahr, den Kapitän Ilkay Gündogan auszuwechseln. Er wird in den kommenden Nations-League-Spielen gegen die Ukraine (Samstag) und Spanien (Dienstag) umso mehr gebraucht, als Joshua Kimmich (FC Bayern) knieverletzt passen muss. Gündogan, der 45 Minuten lang immer wieder für ideenklärende Ruhe gesorgt hatte, wurde durch Mahmoud Dahoud ersetzt. Die Spielführerbinde übergab Gündogan an den dienstältesten Kollegen, Innenverteidiger Antonio Rüdiger.
Dahoud und Neuhaus mit guten Auftritten
Nach der Pause vermochten es die Tschechen nur, sterilen Druck aufzubauen. Nach und nach fand das DFB-Team durch den Impetus von Julian Brandt und Florian Neuhaus im zentralen Mittelfeld wieder zu einer einschüchternden Version zurück. Wie schon in der ersten Halbzeit war es die deutsche Mannschaft, die zu klareren Chancen kam - vor allem in der 60. Minute, als Dahoud sich mit einem guten Dribbling in den tschechischen Strafraum schlich und mit der Pike abschloss. Obschon der Ball abgefälscht wurde, strich er nur knapp am Tor von Pavlenka vorbei. In der 76. Minute hatte dann noch Neuhaus eine formidablen Auftritt. Nach einer zur kurz geratenen Abwehr jagte er den Ball ans Lattenkreuz.
Das war es allerdings mit deutschen Showelementen.
In der Schlussphase kamen die Tschechen zu Situationen, in denen sich Torwart Kevin Trapp zeigen musste. Vor allem in der 82. Minute, als er von Matej Vydra per Kopfball aus sieben Metern geprüft wurde - der Frankfurter Keeper reagierte exzellent. Damit blieb die deutsche Mannschaft erstmals in diesem Kalenderjahr ohne Gegentor. Es jubelten Trapp - und der Stadion-DJ: "Hallelujah" hieß das Lied, das er bei Spielschluss auflegte.