Labbadia bei Hertha BSC:Antrittsrede im Kino fällt aus

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Neu bei der Hertha: Trainer Bruno Labbadia (r.) und Assistent Eddy Sözer. (Foto: REUTERS)
  • Unter widrigen Bedingungen tritt Bruno Labbadia seine Stelle als vierter Trainer der Saison bei Hertha BSC an.
  • Mit Versprechungen hält sich der Nachfolger von Covic, Klinsmann und Nouri bei seiner Vorstellung zurück.
  • Dafür punktet er mit einem Gehaltsverzicht bei den Fans.

Von Javier Cáceres, Berlin

Mit leeren Olympiastadien kennt sich Bruno Labbadia aus. Ein bisschen jedenfalls. 2013 war Labbadia Trainer des VfB Stuttgart, und die Schwaben traten bei Lazio Rom an, deren Stadion wegen rassistischer Ausfälle der Fans durch die europäische Fußballunion Uefa gesperrt worden war. Vor leeren Rängen in Rom verlor Stuttgart - nach einer 0:2-Hinspiel-Niederlage - im Achtelfinale der Europa League mit 1:3, und dass Labbadia, 54, am Montag daran erinnerte, dass es "echt schade, richtig schade" war, ein Pflichtspiel ohne Zuschauer auszutragen, hat damit zu tun, dass genau das bald Alltag werden wird. Denn als neuer Trainer von Hertha BSC, dem Tabellen-Dreizehnten der Bundesliga, muss er sich wegen der Coronakrise auf gleich mehrere Geisterspiele einstellen - unter anderem im Berliner Olympiastadion.

Was diese Situation für die Psyche seiner Spieler bedeutet, ist eine Frage, die Labbadia erklärtermaßen schon jetzt beschäftigt. Auch wenn am Ostermontag, an dem er vor einer kleinen Gruppe Journalisten als Nachfolger von Alexander Nouri, 40, vorgestellt wurde, längst nicht klar war, wann Profifußballer in Deutschland wieder Wettkämpfe und die neun ausstehenden Saisonspiele austragen dürfen.

Bruno Labbadia bei Hertha BSC
:Eine Chance als Projekttrainer

Der Berliner Bundesligist interpretiert die Corona-Krise wie eine "vorgezogene Sommerpause" - und holt Bruno Labbadia als neuen Trainer. Der kann nun einen alten Ruf abschütteln.

Von Javier Cáceres

Schon der Trainingsauftakt am Montagnachmittag war von den Zeichen dieser sonderbaren Zeit geprägt. Von Maßnahmen, die man erst mal akzeptieren muss, wenn man Wert auf übliche, soziale Gepflogenheiten legt. Eine Begrüßung der neuen Mitarbeiter per Handschlag? Verboten. Eine Umarmung auf dem Platz? Ebenso. Labbadia hatte am Sonntag Herthas Installationen durchmessen und anderntags erzählt, wie gern er im schmucken Kinosaal eine Rede an die neue Truppe gehalten hätte. Unmöglich, weil Distanz gewahrt werden muss. Wobei: Die komplette Mannschaft hätte er eh nicht zusammen, weil zwei Hertha-Profis nach Kontakt zu corona-infizierten Menschen gerade in Quarantäne sind und erst in den kommenden Tagen wieder freikommen. Was sie nach der Rückkehr erwartet? Kleingruppentraining. An die üblichen Spielformen ist derzeit nicht zu denken, dafür ist Erfindergeist gefragt.

Mit seinem Trainerteam habe er das Spiel, das er einstudieren will (und über dessen Details er sich zunächst ausschwieg), "auseinandergepflückt", sagte Labbadia - als spräche einer dieser Haute-Cuisine-Köche, die Lebensmittel dekonstruieren, um die Bestandteile neu zusammenzusetzen. Er müsse nun viel Simulation betreiben, konkret: "Wie können wir den Ballverlust simulieren?" Wobei Herthas Profis, die aus guten Gründen im Abstiegskampf sind, gerade solche Situationen auf der Festplatte haben sollten.

Trotz alledem wirkte Labbadia optimistisch; er habe "richtig Bock" auf die Aufgabe. Schon im letzten Sommer sei Hertha sein "Wunschverein" gewesen, dann entschieden sich die Berliner für Ante Covic, ersetzten diesen im November durch Jürgen Klinsmann und übertrugen das Team schließlich Nouri. Zu den Personen, die Klinsmann überdauert haben, zählt Ex-Profi Arne Friedrich, der von Klinsmann zum "Performance Manager" erkoren worden war und nun über das Saisonende hinaus gehalten werden soll, wie Manager Michael Preetz am Montag bestätigte.

Zuvor war eine andere Personalie aus Polen nach Berlin geschwappt: Der Torwart von Herthas Lokalrivalen Union Berlin, Rafal Gikiewicz, 32, hatte ausgeplaudert, dass er über einen Mittelsmann von Hertha kontaktiert und gefragt worden war, ob er nicht in den Westen der Stadt überlaufen wolle. Wollte er nicht. "Ich kann nicht verkaufen, was ich bei Union erreicht habe, zu keinem Preis", sagte Gikiewicz. Hertha-Manager Preetz sagte der Bild am Sonntag: "Er wurde uns weder angeboten noch sind wir interessiert." Auch deshalb stand am Montag nur Labbadia im Fokus.

Und der erzählte, dass er auch ins Ausland hätte gehen können, nach seiner ausufernden Zeit in der Bundesliga (zehn Klubs als Spieler und Coach) hätte er sich das sehr gut vorstellen können. Als die Hertha nun an ihn herantrat, habe er die Idee aber verworfen; ebenso seinen Plan, mit einem neuen Job bis zur Saison 2020/21 zu warten. Die Corona-Pause biete ihm nun eine bessere Chance als der Sommer, "die Zukunft zu gestalten". Denn niemand weiß, wie lang (oder kurz) die Sommerpause werden wird, wie viel Zeit er dann hätte, mit dem Team am Projekt zu arbeiten.

Perspektivisch soll diese Zukunft auch eine europäische sein. Deutlich wurde das nicht etwa durch vollmundige Ankündigungen, auf die Labbadia ohnehin verzichtete, sondern durch den Schmerz, der durchschimmerte, als er an seine letzte Station erinnerte, den VfL Wolfsburg. Er habe dort eine "unfassbar positive Zeit" erlebt, sie habe ihm "unheimlich viel Power gegeben". Ausleben konnte er sie nicht: Weil er sich mit VfL-Manager Jörg Schmadtke nicht ideal verstand, wurde sein Vertrag nicht verlängert, obwohl er den VfL von den Relegationsduellen nach Europa geführt hatte. Nach anfänglicher Skepsis der Fans ("Wir steigen ab/wir komm'n nie wieder/wir haben Bruno Labbadia") gewann er am Mittellandkanal sogar die Herzen.

Auch bei Herthas Anhang sammelte er nun Punkte. Manager Preetz schilderte, Labbadia habe von sich aus angeboten, auf einen nennenswerten Betrag seines Salärs zu verzichten, als Beitrag zur Überwindung der finanziellen Folgen der Krise. "Das zeigt, dass er sehr reflektiert auch in dieser Situation auf die Gesamtumstände, die wir in unserem Land und im Fußball haben, abhebt." Richtig lieben werden sie ihn in Berlin aber vor allem, wenn er sein Regierungsprogramm durchsetzt: "Fußball ist ein geiles Spiel, und ich will, dass wir das auch leben", sagte Labbadia, und es klang fast wie ein Versprechen.

© SZ vom 14.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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